Am Montag, 29. November, wurde auf der 4. Leipziger Klimaschutzkonferenz, die als Videokonferenz stattfand, der Entwurf für das neue Leipziger Energie- und Klimaschutzkonzept vorgestellt. Das sollte eigentlich im Herbst schon 2020 vorliegen und das 2020 endende Konzept von 2011 ablösen. Entsprechend hoch waren auch die Erwartungen der Konferenzteilnehmer, was den Fortschritt im Konzept betraf. Aber die Erwartungen wurden enttäuscht, sagt Steffen Peschel von Parents for Future im Interview.

Leipzigs Umweltbürgermeister will demnächst das neue Energie- und Klimaschutzprogramm für Leipzig vorlegen. Inwiefern unterscheidet es sich überhaupt vom letzten, das 2014 vorgelegt wurde und damals schon mit Zielmarken arbeitete, die mit den abgebildeten Maßnahmen schlicht nicht zu erreichen waren?

Das EKSP 2014–2020 hatte, wenn ich das richtig einordne, vor allem den konzeptionellen Fehler, dass die beschriebenen Maßnahmen im EKSP nicht mit einer ausreichenden Finanzierung unterlegt waren. Erst mit dem Klimanotstandsbeschluss am 30.10.2019 und dem daraus hervorgehenden Sofortmaßnahmenprogramm wurden Maßnahmen tatsächlich finanziell unterlegt.Das wird jetzt das neue EKSP 2030 vom alten unterscheiden. Der Plan ist – auch hier wieder die Einschränkung, dass ich hoffe das richtig verstanden zu haben – dass die neuen Maßnahmen im EKSP 2030 über ein neues Sofortmaßnahmenprogramm für 2023/24 in der Haushaltsplanung 2023/24 verankert werden.

Das zeigt aber auch schon ein wichtiges Problem auf. Wir werden für neue Maßnahmen, die eine eigene finanzielle Grundlage brauchen, frühestens mit dem Jahr 2023 starten können. Das EKSP 2030 selbst wird auch frühestens noch kurz vor der Sommerpause 2022 verabschiedet werden, von „demnächst“ kann also keine Rede sein.

Wie das neue EKSP also konkret ausgestaltet sein wird, lässt sich auch mir als Mitglied des Klimabeirats nichts abschätzen. Ich erlebe dabei auch immer wieder einen großen Unterschied zwischen dem, was ich im bisherigen Entwurf las und unter anderem jetzt in der 4. Klimakonferenz als Zielmarken präsentiert wurden. Doch längst noch nicht alles, was als Ziel präsentiert wurde, ist auch schon im bisherigen Entwurf schon eingeflossen.

„Parents for Future“ Leipzig bringen Klima-Botschaften an Ministerpräsident Kretschmer zur Post: Bettina van Suntum, Falk Zeuner, Steffen Peschel. Foto: „Parents for Future“ Leipzig
„Parents for Future“ Leipzig bringen Klima-Botschaften an Ministerpräsident Kretschmer zur Post: Bettina van Suntum, Falk Zeuner, Steffen Peschel. Foto: „Parents for Future“ Leipzig

… also doch ein paar Verbesserungen?

Wenn ich jetzt nur von dem ausgehe, was uns im Klimabeirat und in der Klimakonferenz in Worten präsentiert wurde und diese Zielstellungen dann auch in ernst zu nehmende Maßnahmen mit schneller Realisierung münden, dann sehe ich da sehr wohl eine große Verbesserung des neuen EKSP gegenüber dem alten.

Leipzig möchte die reinen Jahreszahlen als Zielmarken ergänzen um den CO2-Budgetansatz, wie er auch letztlich durch den Bundesverfassungsberichtsentscheid in der Klimaklage gegen die Bundesregierung bestätigt wurde. Das ist ein wesentlicher Unterschied, der auch, klar ausformuliert, zu einer tatsächlich notwendigen Entwicklung führen kann, vorausgesetzt alle Maßnahmen und auch die Bewertungen beim Klimavorbehalt der Ratsanträge würden sich 100-prozentig danach richten.

Wie bereits dieser Querverweis zeigt, wird Leipzig nicht deswegen ausreichend früh oder überhaupt klimaneutral, sondern nur dann, wenn alles Prozesse auf dieses Ziel ausrichten und dass das ESKP dieser Entwicklung den notwendigen Anschub geben würde, kann ich auch in den bisherigen Präsentationen noch nicht erkennen.

Gibt es Neuerungen im Programm, die wirklich etwas bringen, oder ist es doch wieder nur ein Papier, das den Leipziger/-innen einredet, es müsse sich nichts ändern?

Die Ausrichtung an einem maximal zur Verfügung stehenden CO2-Budget wäre eine wichtige Neuerung, wenn sie denn tatsächlich und stringent im EKSP verankert wird. Bisher gibt es dafür noch zu viele Widersprüche zwischen den einzelnen Aussagen. Wir sind als „Leipzig fürs Klima“ dafür angetreten proaktiv an der Ausgestaltung des EKSP mitzuwirken und bieten der Stadt Leipzig sehr umfangreich unsere Unterstützung an.

Das heißt, es ist ehrlich gesagt auch unser eigenes Ziel, das EKSP nicht nur zu einem Papier werden zu lassen, das nichts mit der Realität zu tun hat. Wir müssen uns auch daran messen lassen, weil wir den sprichwörtlichen Planeten B bekannterweise nicht haben. Ob das gelingt, bestimmen aber sehr viele an diesem Prozess Beteiligte, logischerweise auch die Stadtratsfraktionen, auch die haben keinen weiteren Planeten auf Tasche.

Und wo sehen Sie die größten Fehlstellen?

Ehrlich gesagt ist in den Maßnahmen bisher alles noch so sehr unkonkret, dass überall noch sehr viele Fehlstellen zu finden sind. Es gibt im aktuellen Stadium des EKSP wahrscheinlich keinen einzigen Punkt, der bereits als ausreichend bezeichnet werden kann.

Wie schätzen Sie das vorliegende Papier in Bezug auf die Pariser Klimaziele ein? Gibt es überhaupt einen Ansatz, sie für Leipzig zu erreichen? Oder sieht die Verwaltung einfach nicht die Konsequenz der notwendigen Veränderungen?

Ich denke und hoffe, die Stadtverwaltung sieht die Notwendigkeiten, das 1,5-Grad-Limit einzuhalten. Die klimatischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt gesellschaftlichen Folgen einer Überschreitung der Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad ist den Mitarbeiter/-innen des Klimaschutzreferats und auch Umweltbürgermeister Rosenthal bewusst. Die angekündigte Orientierung am maximal noch zur Verfügung CO2-Budget geht auch definitiv in die richtige Richtung.

Es bleiben aber schon in diesen Grundlagen noch viele Fragen offen. Es macht zum Beispiel einen sehr großen Unterschied, ob man ein CO2-Budget als Orientierung wählt, das zu nur 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit das Limit von 1,5 Grad einhält oder eines, das eher zu 67-prozentiger Wahrscheinlichkeit unter 1,5 Grad Erderhitzung bleibt.

Hinzu kommt die Frage, für welchen Anteil am Treibhausgasausstoß pro Kopf sich die Stadt Leipzig auch selbst in die Verantwortung nimmt. Laut den aktuell präsentierten Vorhaben gibt es einen sehr großen Bereich, der in der Verantwortung von u. a. „Bund, Wirtschaft, Gesellschaft“ liege. Im Detail nachvollziehbar ist auch das nicht, weil ein Großteil der zugrunde liegenden Daten nicht transparent oder klar verwiesen sind.

Postkarte „Waterfront“. Grafik: Parents for Future Leipzig
Postkarte „Waterfront“. Grafik: Parents for Future Leipzig

Haben wir jetzt überhaupt die Chance, ein Klimaschutzprogramm zu bekommen, das Leipzig auf den richtigen Weg bringt? Oder ist zu befürchten, dass wir wieder nur ein mutloses Papier im Stadtrat zum Beschluss bekommen?

Ja, wir haben noch eine Chance auf ein richtiges Klimaschutzprogramm.

Was müsste eigentlich an wesentlichen Weichenstellungen passieren, um Leipzig auf Kurs zu bringen?

Die wesentlichen Brocken müssen in den Bereichen der Wärmewende, der Energiewende und der Verkehrswende geschehen. Das hat die Stadt Leipzig auch so benannt. Wesentlich in der Weichenstellung ist, möglichst schnell möglichst viel Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Für besonders wichtig halte ich aber auch einen intensiven Einsatz im Bereich Aufklärung und Kommunikation.

Sind die Beharrungskräfte zu groß, sodass es wieder nur ein Papier wird, zu dem der nächste OBM 2030 dann auch wieder sagen wird: Die Ziele haben wir leider weit verfehlt?

Dafür fehlt mir auch die Kristallkugel für die Zukunft. 😉

Das Programm ist ja mehr oder weniger auch die Handlungsgrundlage für den Titel Klimaschutzkommune, den Leipzig immer wieder bekommt, obwohl es seine eigenen Klimaschutzziele weit verfehlt. Sollte Leipzig nicht ehrlicherweise auf diese Titeljagd verzichten?

Bedauerlicherweise sind die Kriterien, wonach der Titel Europäische Klimaschutzkommune vergeben wird, nicht transparent oder sogar geheim. Wenn dieser Titel einer von mehreren Gründen ist, weshalb die Stadtverwaltung ihre internen und externen Prozesse optimiert und verbessert, ist daran erst einmal nichts auszusetzen. Warum sich die Stadtverwaltung mit dieser Auszeichnung derart schmückt, bleibt aber leider auch mir vollkommen verborgen, weil die Kriterien unbekannt sind.

Ganz ehrlich, was bringt es, wenn wir uns irgendwelche Zertifikate ausdenken, mit denen wir uns nur einem von uns ausgesuchten Rahmen vergleichen? Im weltweiten Ländervergleich steht eine durchschnittliche Deutsche oder ein durchschnittlicher Deutscher sehr weit oben.

Das heißt im Umkehrschluss, dass alle Kommunen in Deutschland in einem weltweiten Klimaschutzranking sehr, sehr weit unten stehen und die allermeisten Städte und Gemeinden auf der Welt mit ordentlich Abstand vor uns liegen. Wenn Leipzig also dieses Zertifikat in Gold hat, dann hat eine Stadt in Uganda ein Zertifikat in Kryptonit?

Werden die Parents for Future noch eigene Vorschläge vorstellen, wie Leipzig wirklich zur Klimaschutzkommune werden kann?

Wir werden als Teil von Leipzig fürs Klima weiterhin den gesamten Prozess begleiten und dabei auch weiter eigene Vorschläge bzw. Forderungen stellen. Die im Januar diesen Jahres gestellten Forderungen der Leipziger Klimabewegung haben nach wie vor Bestand und nicht ihre Gültigkeit verloren.

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