Während die Redakteure in den autoverliebten großen Zeitungen seit Monaten versuchen, Fridays For Future für erledigt und ausgepowert zu erklären, suchen die jungen Leute die ganze Zeit nach neuen Wegen, sich trotz der Corona-Allgemeinverfügungen zu vernetzen und neue, kluge Ideen zu entwickeln, wie man trotz Corona für einen Bewusstseinswandel in Sachen Klima kämpfen kann. Das war auch durchaus eine knifflige Frage, wie man einen FFF-Sachsenkongress organisieren kann. Der findet jetzt in Wurzen statt.
„Vor einem halben Jahr ganz selbstverständlich, jetzt etwas unwirklich. Ein Kongress mit über 30 Menschen. Kann solch ein Projekt in Zeiten von steigenden Infektionszahlen gelingen?“, fragte sich die Leipziger Organisationsgruppe von FFF. Die Antwort lautet: Ja, mit vier Unterkünften und einem Park ist das möglich.
„Doch das ist nur ein Teil der Antwort. Schließlich geht es nicht darum, was getan werden kann, sondern was getan werden muss“, so die große Frage der Organisatoren. „Wie schon das jüngste Gespräch diverser FFF-Aktivistinnen mit Angela Merkel zeigt: nach fast zwei Jahren Klimastreik hat die Politik noch so gut wie nichts verstanden.“
Auch die sächsischen FFF-Gruppen sind restlos enttäuscht über das, was politisch passiert: „Ein Zufriedengeben mit der Richtung in die sich die Welt, auch Sachsen, entwickelt, scheint verrückter als so manche Verschwörungstheorien. Während Wissenschaftler über 5-Grad-Szenarien sprechen, reden wir über Wege dies zu verhindern.“
Aus zwölf sächsischen Ortsgruppen reisen Aktivist/-innen in das an der Mulde gelegene Wurzen. Die Unterschiede zwischen den jungen Teilnehmer/-innen könnten wohl kaum größer sein. Wie wohl ein 24-jähriger Student aus einer Großstadt mit einer 15-jährigen Schülerin aus einer gering besiedelten Region umgeht?
„Doch anstatt diese Unterschiede zu verheimlichen, wollen wir sie zelebrieren. Am Ende sind es die gleichen Themen, die uns alle beschäftigen: ein sozial gerechter ÖPNV, ein frühzeitiger Kohleausstieg, mehr Jugendpartizipation landesweit und vieles mehr“, so die Organisatoren.
„Für mich ist der Sachsenkongress eine tolle Gelegenheit um besonders meine Freund/-innen, die nicht aus Leipzig, sondern aus Kleinstädten kommen, näher kennenzulernen und zu verstehen, was sie bedrückt. Wenn wir über Klimagerechtigkeit sprechen, fokussieren wir uns häufig auf das Ungleichgewicht zwischen globalem Norden und Süden. Auf einer anderen Ebene ist mir jedoch auch der Konflikt von Stadt und Land bewusst.
Ich komme aktuell problemlos an alles, was ich brauche, auch ohne Führerschein, so einfach ginge das in einem Dorf im Vogtland wohl nicht. Seit Jahrzehnten scheitert die Politik daran, hierfür eine gerechte Lösung zu finden, vielleicht müssen wir es tun“, erklärt Ita, Abiturientin und Aktivistin bei FFF Leipzig.
Der Sachsenkongress von Fridays For Future
Der SacKo erstreckt sich über vier Tage. Passend zu FFF startete der Kongress am Freitag, 21. August, mit einer Kundgebung und anschließend einer Demonstration, die 17 Uhr am Bahnhof begann und am Domplatz endete. Sie griff das Motto „Wald statt Asphalt“ auf, unter welchem diverse Gruppen deutschlandweit für ein Fortbestehen des Danneröder Forstes kämpfen. Darauf wurden in einem Plenum der konkreten Ablauf und die Themen des SacKo beschlossen.
Am Samstag und Sonntag, 22. und 23. August, finden die konkreten Veranstaltungen statt. Workshops von Wissenschaftler/-innen oder eigenständigen Aktivist/-innen vermitteln den Teilnehmern mehr über Kampagnenarbeit, die Kooperation mit der Gewerkschaft ver.di und was ÖPNV für uns bedeutet, die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen oder aktivistisch-kommunale Arbeit im Angesicht der Energiewende. Zwischendrin werden zur Auflockerungen Stadtführungen durch Wurzen, Spiele im Freien, Artspaces und verschiedene weitere Optionen angeboten.
Der Montag, 24. August, dient dann als Tag der Reflexion und Abreise. Was hat das Wochenende gebracht und wie soll es nun weitergehen? Folgt ein zweiter Sachsenkongress? Welche Kampagnen wird FFF Sachsen weiterführen oder neu starten? Wie unterstützen wir kleine Ortsgruppen besser? Diese und weitere Fragen werden hoffentlich geklärt.
Matti (18, Abiturient und Hauptorganisator des Kongresses) beschreibt seine Erfahrung beim Erarbeiten des Programmes: „Für mich waren drei Punkte extrem wichtig: Inklusion, gutes Essen und Sicherheit. Ich habe bewusst alle essentiellen Veranstaltungen auf das Wochenende gelegt, um auch Berufstätigen die Chance zu geben mitzuentscheiden. Nicht alle von uns haben aktuell Sommerferien und selbst dann genügend Geld um in diesen keinen Ferienjob nachgehen zu müssen.
Doch egal wie viele Menschen kommen können, mit leeren Magen lässt sich schlecht arbeiten, weshalb wir eigenständig und möglichst klimafreundlich selber kochen. Das gesamte Essen wird vegan sein. Ein dritter Punkt ist leider besonders in Wurzen noch wichtig. Einige der Räume, die wir nutzen, wurden bereits von Rechtsradikalen beschädigt. Ich habe deshalb keine Veranstaltungen nach 20 Uhr gelegt und toleriere es auch nicht, wenn nach dieser Uhrzeit Teilnehmende alleine in Wurzen unterwegs sind. Sicherheit geht vor!“
Auch die Mitstreiter/-innen von „health for future Leipzig“ wenden sich mit einem dringenden Appell an die Ratsfraktionen
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