Schon als Schüler war Bertrand Zunker aktiv und organisierte Demos gegen das antiquierte und kaputtgesparte sächsische Bildungssystem. Das war 2009. Und wer aufgepasst hat weiß, dass sich nichts geändert hat, dass alles nur noch schlimmer geworden ist. Und dass Mitwirkung staatlicherseits nicht gewollt ist. So erlebt er es nun auch beim Architekturwettbewerb für das neue Gebäude des Instituts für Länderkunde am Wilhelm-Leuschner-Platz. Für ihn ist der Siegerentwurf eine Katastrophe. Deshalb hat er eine Petition gestartet.

Die ist noch ganz jung, gerade ein dutzend Unterstützer hat sie gefunden, darunter aber auch gestandene Architekten, die den Siegerentwurf von Henchion Reuter Architekten für völlig unpassend halten, dem Platz an dieser Stelle ein Gesicht zu geben. Die Preisträgerentwürfe des Wettbewerbs sind aktuell in der 4. Etage des Neuen Rathauses zu besichtigen.

Eine Jury gab es natürlich, darin vertreten auch die Leipziger Stadtverwaltung und einige Stadträte.

Aber Zunker fehlt etwas. Er fühlt sich dabei an die langen Debatten um den Neubau des Paulinums erinnert. Der erste Entwurf zum Uni-Neubau hatte bei den Bürgern der Stadt blankes Entsetzen ausgelöst.

„Die Bürger der Stadt Leipzig sollen mitentscheiden: bei Architekturwettbewerben zum Wilhelm-Leuschner-Platz und auch bei anderen identitätsprägenden Bauvorhaben in der Stadt!“, fordert Zunker.

Und erläutert das Anliegen seiner Petition auch: „Es macht Architektur aus, dass alle Bürger sie täglich ansehen müssen und damit leben müssen. In ein Konzert muss niemand gehen, dem es nicht gefällt. Ein Haus belästigt hingegen unterschiedslos alle Menschen, wenn es hässlich ist. Architektur sollte deshalb nicht nur die Bedürfnisse von Investoren oder ‚Experten‘ befriedigen. Es ist wichtig und demokratisch, unseren Entscheidungsträgern auch die Ansichten von Laien nicht zu ersparen. Es gibt keinen Grund, bei einem so wichtigen Wettbewerb, mit dem das Gesicht der Stadt für Jahrzehnte geprägt wird und bei dem auch hohe Preisgelder vergeben werden, die Bevölkerung nicht zu berücksichtigen. Wir sind überzeugt, dass es bei großen Teilen der Leipziger einen Konsens gibt: Wir möchten unsere Stadt nicht für solche ideenlosen Nutzbauten hergeben! Menschenfreundliche Architektur bedeutet nicht nur, dass ein Gebäude praktikabel ist, sondern braucht auch eine Vielfalt von Materialien, Farben, Formen, Details und auch dekorativer Elemente.“

Und nicht nur an den Neubau der Universität am Augustusplatz erinnert er als ein gutes Beispiel für die positive Wirkung von Bürgerbeteiligung: „Erst nachdem der erste Wettbewerb nach Bürgerprotesten eingestampft wurde, entstanden die heutigen Gebäude, die der Geschichte, dem Platz und der Universität würdig sind.“

„Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz/Platz der Friedlichen Revolution ist schon einmal ein Wettbewerb am Widerwillen vieler Leipziger gescheitert: der Bau eines Einheits- und Freiheitsdenkmals. Bei der Freilegung des Pleißemühlgrabens sowie bei der künftigen Unterbringung des Naturkundemuseums gibt es ebenfalls Unmut über mangelnde Bürgerbeteiligung“, schreibt er und bringt die Forderung der Petition so auf den Punkt:

„Wir fordern für den Wilhelm-Leuschner-Platz:

Einbindung aller Bürger bei der Durchführung von Gestaltungswettbewerben!

Bindende Mitbestimmung aller Bürger bei der Auszeichnung oder Nicht-Auszeichnung von Wettbewerbs-Teilnehmern!“

Die Jury war aber am Ende stolz auf ihre Preisträgerauswahl.

Warum gefällt sie aber dem Petenten nicht? – „Die prämierten Entwürfe orientieren sich in keiner Weise an der Umgebung. Sie würdigen auch die Bedeutung des IfL nicht und lassen dessen künftigen Sitz neben der Stadtbibliothek wie deren Depot wirken. Die Entwürfe sind gestalterisch substanzlos und monoton. Sie lassen keine ästhetische Idee erahnen und sind daher einfach hässlich. Die Leistung der Architekten ist nicht preiswürdig. Wir fordern die betroffenen Büros daher auf, die Preisgelder nicht anzunehmen und ihre Entwürfe zurückzuziehen.“

Zur Petition im Netz

Architekturbüro Henchion Reuter Architekten gewinnt Wettbewerb um neues Gebäude des Leibniz-Instituts für Länderkunde

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