Kein Mensch braucht die Kohle unter den Dörfern, die jetzt noch am Rand der Tagebaue bedroht sind. Und dennoch machen die Kohlekonzerne Druck, auch für diese Kohle Abbaurechte zu bekommen – und staatliche Behörden machen eifrig mit. Ein Bündnis der Dörfer will sich jetzt gegen diese Bedrohung wehren.
Keyenberg, Pödelwitz, Proschim. „Alle Dörfer bleiben!“, so lautet der Name und die zentrale Forderung des neuen, deutschlandweiten Bündnisses, in dem Betroffene aller Braunkohle-Reviere und die Klimagerechtigkeitsbewegung gemeinsam gegen Zwangsumsiedlung und Klimazerstörung kämpfen. Noch während der Verhandlungen der Kohlekommission in Berlin kündigen sie an, gemeinsam für den Erhalt aller Dörfer und Siedlungen in den drei Braunkohleregionen Rheinland, Leipziger Land und Lausitz einzutreten.
„Wir schließen uns zusammen, tragen unseren Protest auf die Straßen und setzen uns dafür ein, dass unsere Dörfer lebenswert bleiben, statt für den Braunkohleabbau zerstört zu werden“, so David Dresen aus Kuckum im Rheinland. Karin Noack aus Proschim in der Lausitz ergänzt: „Unsere Dörfer sind über Jahrhunderte gewachsen und können nicht ersetzt werden. Schon jetzt bürden wir den nächsten Generationen mit den Folgen der Braunkohle eine Menge auf. Jetzt noch weitere Dörfer zu zerstören ist nicht akzeptabel.“
Jens Hausner, Tagebau-Betroffener aus dem sächsischen Pödelwitz weiter: „Sogar die Kirchen werden abgerissen, und die Bauern verlieren ihre Höfe. Und all das nur, damit die Kohlekonzerne mehr Gewinn machen. Es reicht, wir nehmen das nicht hin. Wir kämpfen mit den Menschen in den anderen Revieren dafür, dass alle Dörfer bleiben.“
Für die nächsten Wochen und Monate sind Protestaktionen und eine Stärkung der Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen und Gruppen in den Braunkohlerevieren geplant. Am 1. Dezember wird das Bündnis bei den Demonstrationen für einen Kohleausstieg in Köln und Berlin vertreten sein und am 23. März 2019 lädt „Alle Dörfer bleiben!“ zu einem Sternmarsch der Dörfer im Raum Garzweiler im Rheinland ein.
„Die Kohlekommission tagt derzeit in Berlin und hat die Möglichkeit, einen schnellen Ausstieg aus der Kohle zu beschließen, um die Dörfer und Landschaften zu schützen und zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze beizutragen“, so Johanna Winter, die in der Bewegung für Klimagerechtigkeit aktiv ist.
„Doch die Industrie-Lobbyisten in der Kommission mauern. Bei einem schlechten Ergebnis sind sie verantwortlich für die Zerstörung von Wohnort, Gemeinschaft und Geschichte tausender weiterer Leute hier in Deutschland und für die Vernichtung der Lebensgrundlagen von noch mehr Menschen in den Ländern des Globalen Südens, die heute schon die Folgen der Klimakatastrophe erfahren müssen.“
Das Bündnis geht aus einer Gruppe von Betroffenen des Tagebaus Garzweiler im Rheinland hervor, denen Zwangsumsiedlung oder Grubenrandlage drohen, sowie Aktiven der Bewegung für Klimagerechtigkeit. Die Gruppe hatte in Kooperation mit dem Klimacamp im August eine Veranstaltungsreihe rund um den lokalen Widerstand gegen die Braunkohle organisiert.
Nach den erfolgreichen Protesten im Hambacher Wald initiierte sie gemeinsam mit dem Naturführer Michael Zobel, der in den vergangenen Jahren zigtausende Menschen durch den Wald führte, die „Dorf- und Waldspaziergänge“ im Raum Garzweiler. Bereits am ersten Termin im Oktober kamen nach kurzfristiger Ankündigung über 900 Menschen in das von der Abbaggerung bedrohte Keyenberg.
Auch im Leipziger Revier rund um das Dorf Pödelwitz hat sich im letzten Jahr der Widerstand verstärkt, denn hier plant der MIBRAG-Konzern sogar eine Tagebauerweiterung. Die Bürgerinitiative „Pro Pödelwitz“ lud dort das „Klimacamp Leipziger Land“ in ihr malerisches, im Prozess der Umsiedlung befindliches Dorf ein. Über 1.000 Menschen folgten dem Aufruf und lebten 10 Tage lang Seite an Seite mit den Anwohnenden – man feierte ein Dorffest, es gab zahlreiche Bildungsveranstaltungen und auch ungehorsame Protestaktionen.
Eine Muntermacher-LZ Nr. 61 für aufmerksame Zeitgenossen
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