Unverhohlene Aggressionen, fremdenfeindliche Ressentiments in der Gesellschaft und hilfloses Taktieren der etablierten Politik: Vor wenigen Tagen erreichte den Autor dieses Artikels die selbstverfasste Nachricht eines Freundes, der sich ein Jahr vor der sächsischen Landtagswahl um die politische Situation sorgt.
Angriffe auf Migranten und Pressevertreter, wüste Drohungen, eine oft erschreckend passive Polizei, die gleichgültig oder überfordert scheint: Nicht erst die erschütternden Vorfälle von Dresden und jüngst Chemnitz haben symptomatisch eine Stimmung in der Gesellschaft aufgezeigt, die zunehmend von Nationalismus, Fremdenhass und Aggression geprägt ist.
Schienen derlei Einstellungen lange Zeit zumindest marginalisiert, brechen sie sich mit der gestiegenen Zuwanderung in den letzten Jahren wieder verstärkt Bahn, offenbaren eine Denkweise, die viele schon überwunden glaubten. Populisten haben leichtes Spiel, fischen ungeniert am rechten Rand nach Wählerstimmen und verstärken die Angst der Menschen vor… ja, wovor eigentlich?
Sachlichkeit und Fakten finden in der aufgewühlten Atmosphäre oft keinen Platz mehr, und Vertreter der etablierten Parteien reagieren vielfach ratlos oder ignorant gegenüber einem rechten Zeitgeist, der sich wie Mehltau in Teilen der Bevölkerung festgesetzt hat.
Vor gut einer Woche erreichte den Verfasser dieser Zeilen die Mail eines guten Freundes, der sich ein Jahr vor der Landtagswahl einige Gedanken gemacht und sie niedergeschrieben hat.
Nach Rücksprache mit dem Autor Danny Adelhöfer, der sich auch mit seiner Namensnennung einverstanden erklärt hat, geben wir dessen Schrift ungekürzt und vollumfänglich wieder, in der Hoffnung, möglichst viele Menschen zu erreichen und vielleicht eine Debatte anzustoßen.
Das Teilen und Weiterleiten der Nachricht ist ausdrücklich erwünscht.
Die Nachricht von Danny Adelhöfer komplett und im Wortlaut
Hallo zusammen,
in genau einem Jahr ist in Sachsen Landtagswahl, und die aktuellen Umfragen sehen so aus: http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/index.htm
Schon bei der Bundestagswahl letztes Jahr war die AfD sogar die stärkste Partei in Sachsen.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir machen diese Zahlen Angst.
Es ist nicht unrealistisch, dass wir nächstes Jahr in Sachsen eine Regierung mit der AfD haben werden. Die momentane Koalition aus CDU und SPD hat schon lange keine Mehrheit mehr. Auch für SPD/Grüne oder SPD/Grüne/Linke oder CDU/FDP oder CDU/Grüne reicht es längst nicht.
Die einzigen Möglichkeiten wären damit
- eine Regierung aus CDU und Linken (eine extrem unrealistische Kombination, hat es noch nie gegeben, außerdem reicht es dafür in der 2. Umfrage auch nicht, in der 1. nur ganz knapp),
- aus CDU/SPD/Grünen/FDP (eine Vierer-Koalition gab es auch noch nie und ist sicherlich nicht gerade stabil)
- aus CDU und AfD.
Auch wenn die CDU letztere Variante momentan noch offiziell ablehnt, halte ich es für die realistischste Variante. Hier in Sachsen steht die CDU ganz weit rechts und hat mit der AfD eine viel größere Schnittmenge als mit der Linken. Einzelne CDU-Vertreter haben sich auch schon so geäußert.
Und diese AfD ist eine Partei, die Behinderte, Homosexuelle und Roma zählen lassen will, die immer wieder den Holocaust relativiert, deren Besuchergruppen ihn in KZ-Gedenkstätten(!) auch gleich leugnen, die sich damit brüstet, bei den rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz dabei gewesen zu sein, die aufgrund eines einzelnen Totschlags alle Geflüchteten unter Generalverdacht stellt, die Menschen in Seenot ertrinken lassen will, die gemeinsame Sache mit rechtsradikalen Organisationen wie der Identitären Bewegung macht und so weiter und so fort. Niemand, der so etwas wie ein Herz hat, kann wollen, dass solche Menschen in Regierungsverantwortung kommen.
Und natürlich ist es nicht nur die AfD.
Die ganze Grundstimmung in Sachsen macht mir richtig Angst. Wie immer wieder neue Skandale über Polizei und Justiz bekannt werden, die eine starke Nähe zu Rechten offenbaren, wie ein Mob in Chemnitz durchdreht und Jagd auf alle anders Aussehenden macht, wie die Politik nichts macht, um diesem Mob Einhalt zu gebieten und stattdessen die Polizei in absoluter Unterzahl dahin geschickt wird und somit nur zuschauen kann, wie die Neonazis gegen alles hetzen, was ihnen nicht in den Kram passt, und bei Hitlergrüßen nicht einschreitet.
Ich musste erst vor kurzem selber beobachten, wie eine schwarze Person von einem Weißen am Bahnhof in Radeberg aufs Übelste und grundlos rassistisch bepöbelt wurde. Es gibt unzählige Berichte darüber, dass sich Nicht-Weiße und z. B. auch Journalist/innen (Stichwort „Lügenpresse“) in gewissen Gegenden in Sachsen einfach nicht mehr sicher fühlen. Wir können das, denke ich, als Nicht-Betroffene nur sehr bedingt nachvollziehen, aber wir haben die Pflicht, diese Berichte ernst zu nehmen.
Und man kann überall um uns herum sehen, wozu der Rechtsruck führt. Es scheint tatsächlich wieder infrage zu stehen, ob man Menschen in Seenot retten sollte oder nicht. Die EU behindert Organisationen, die im Mittelmeer nach Schiffbrüchigen suchen und diese retten. Entsprechend sind die Zahlen der Toten dort massiv gestiegen. In Italien weigert sich der Innenminister vehement, dort überhaupt noch Geflüchtete an Land zu lassen, lieber werden volle Schiffe mit kranken Menschen tagelang ziellos auf dem Wasser schippern gelassen. In Polen und Ungarn wird die Pressefreiheit und Gewaltenteilung nach und nach abgeschafft. In Österreich wird die 60-Stunden-Woche eingeführt und Menschen mit Behinderung wird die Mindestsicherung reduziert. Überall dort sind Rechtsaußen-Parteien an der Macht.
Ich will nicht, dass das hier auch passiert. Und ich habe das Gefühl, dass wir alle endlich aktiv etwas dafür tun müssen um das zu verhindern. Es ist nur noch ein Jahr bis zur Landtagswahl. Und ich bin etwas ratlos, was man machen kann. Es wird nicht reichen, dann in einem Jahr sein Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Wenn die angeblich so große „schweigende Mehrheit“ weiter schweigt, dominieren die Lauten den Diskurs und werden sich auch durchsetzen.
Ich fürchte, auch Petitionen und dergleichen werden nichts bringen. Die unterschreibt man schnell und dann ist das Gewissen wieder rein, aber ändern tun sie nichts.
Was ich für sinnvoller halte: im „Real Life“ Präsenz zu zeigen. Auf Demonstrationen gehen, an Organisationen spenden, die sich gegen Rechts und für Menschlichkeit engagieren, klar und deutlich widersprechen, wenn irgendwo rassistische Vorurteile geäußert werden, auch und gerade in der Familie u. ä. Wenn ihr potenzielle AfD-Wähler/innen in eurem Umfeld habt, die ihr erreichen könnt, nutzt das. Gerade Letzteres fällt mir auch verdammt schwer, aber man muss sich irgendwie dazu durchringen. Rassistische Positionen dürfen sich nicht festsetzen. Leichter ist es immer, wenn man nicht alleine ist.
Genau darum hoffe ich auf euch. Vielleicht hat euch die Mail ja die Dringlichkeit etwas bewusster gemacht. Ich würde euch auf jeden Fall bitten, euch mal Gedanken darüber zu machen, was ihr beitragen könnt oder wollt. Wenn ihr Ideen habt, was man machen kann, meldet euch gerne bei mir.
Und um typischen Einwänden gleich mal vorwegzugreifen: Nein, es ist nicht nur Sachsen, solche Probleme gibt es überall in Deutschland. Aber hier sind sie sicherlich am stärksten. Nirgendwo sonst steht die AfD in Umfragen so gut da, und sämtliche Skandale der letzten Tage und Wochen haben sich hier abgespielt. Auch in Sachen rechte Straftaten steht Sachsen, bezogen auf die Bevölkerungszahl, ganz oben.
Es ist außerdem immer schwer, auf so etwas hinzuweisen, ohne a) „zu früh“ damit zu sein und damit als Verbreiter von Panikmache dazustehen, oder b) erst aktiv zu werden, wenn es schon zu spät ist. Die Geschichte lehrt uns, wozu das führen kann. Von „zu früh”“ kann definitiv keine Rede mehr sein, da bin ich mir 100 % sicher. Und das sehen auch Holocaust-Überlebende wie Esther Bejarano so („Der Satz ‚Wehret den Anfängen‘ ist längst überholt! Wir sind mittendrin!“).
Und da die meisten von euch sich ja sicherlich als eher „unpolitisch“ bezeichnen würden: Gegen Nazis und damit faschistische, rassistische Ideologie zu sein, hat nichts mit „links“ oder gar „linksextrem“ sein zu tun. Das muss einfach für alle selbstverständlich sein und die ganze Bundesrepublik Deutschland hat sich auf dem Konsens gegründet, so etwas wie 1933-45 nie wieder zuzulassen. Und nichts, wirklich nichts, spricht dagegen, dass sich die Geschichte wiederholen kann. Natürlich nicht 1:1 wie damals. Aber auch ein, zwei Stufen weniger scharf darf das niemals wieder passieren.
Zum Schluss noch ein Zitat des deutschen Theologen Martin Niemöller: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Und vom Dresdner Schriftsteller Erich Kästner: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr. Das ist der Schluß, den wir aus unseren Erfahrungen ziehen müssen … Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben.“
Viele Grüße,
Danny
Es gibt 15 Kommentare
Ich würde es nicht allein aufgeben nennen, sondern eher “In-Sicherheit-bringen”. Vielleicht ist es vielen Leuten, die die AfD wählen und unterstützen, nicht bewußt, aber wenn man genauer hinsieht, realisiert man schnell, dass damit auch eine Bewegung gewählt und unterstützt wird, welche den deutschen Staat stürzen und mit Gewalt gegen unliebsame Menschen vorgehen möchte und eine Diktatur errichten will. Das wird mal mehr, mal weniger explizit auch so geäußert. Wenn es irgendwo knallt, dann am ehesten wahrscheinlich in Ostdeutschland, und ich gebe es ganz offen zu: ich bevorzuge ein Leben in Frieden. Hier im Osten fühle ich mich – wegen meiner Landsleute! – schon lange nicht mehr sicher. Ich hab eben keinen Bock auf Gewalt, egal gegen wen. Aber das Aggressionslevel steigt permanent und ich hab immer das Gefühl, die Leute steigern sich in gewissen sozialen Netzwerken in ihren Echokammern da auch immer mehr herein. Für jemanden ohne Facebook und Co. fühlt sich all das mehr als eigenartig an. Und ich weiß nicht, ob wir ab September 2019 hier noch in Frieden leben können.
Wir haben uns entschieden, einen großen Teil des Beitrages von hier mal gedruckt in die LEIPZIGER ZEITUNG zu übernehmen. Denn “Aufgeben gilt nicht” 😉
Einverstanden. Auch wenn ich denke, dass sich die Abwanderungsbewegung der jungen Menschen weg aus dem Osten sowie der sich nun noch verbreiternde wirtschaftliche Abstand der neuen Bundesländer zum Westen sich nicht mehr aufhalten lassen werden. Aber die Bürger scheinen dies ja zu wünschen. Ich denke, viele Regionen in den alten Bundesländern werden dagegen von der Entwicklung profitieren. Es gibt also weitaus attraktivere mögliche Lebensschwerpunkte als den Osten, Regionen, welche wahrscheinlich auch langfristig stabil bleiben werden. Man muss ja noch was verdienen im Leben, um später ansatzweise sowas wie Rente zu haben. Hier im Osten ist das ja komplett aussichtslos. Gerade lief es so gut, da hab ich ja gedacht, nun wird’s was, aber das hat sich ja nun geändert und wird sich anscheinend noch weiter zum schlechten ändern.
Alles klar. Nun, ich bin da (Facebook) ja beruflich 😉 Zurück zu unserem hier: Ich würde die Verdrehungen etc. ja verbessern und dann als Artikel einstellen. Deal?
Lieber Michael Freitag, ich bin bewusst nicht bei Facebook. Es soll schlimm sein. Es sind diese Dynamiken und das fehlende Sich-im-Angesicht gegenüber stehen. In meinem Kommentar ist aber ein Tippfehler drin und ein Satz ist verdreht. Das muss noch korrigiert werden. Übrigens kann man vieles auch nachlesen. Die Bevölkerungsstatistiken findet man schnell im Internet. Ebenso bspw. zahlreiche Artikel schon aus dem Vorjahr zum Thema Wirtschaft, bspw. im Handelsblatt. Wichtig: mir geht es nicht um Wirtschaft um jeden Preis. Es muss auch nicht immer jeder Millionär werden. Aber ich denke auch an meine Arbeit. Ich muss auch von etwas leben und das verdiene ich durch arbeiten, und ich war eigentlich sehr froh, dass es wirtschaftlich für die neuen Bundesländer etwas besser lief. Und nun dies. Da kann man Zukunftssorgen bekommen! Dazu noch diese permanente Stimmung zwischen Wut und Hass und Meckern. Das ist zersetzend und destruktiv. Und es zerstört in meinen Augen das, was die Menschen eben Heimat nennen und eigentlich vorgeben, schützen wollen.
Ist okay, Mathias… ich bin ja auch nur sauer über all das, und wenn man sauer ist, kann das auch schnell besserwisserisch oder sonstwie klingen. Es ist eben traurig, wie so viel gerade kaputt geht. In Leipzig gibt es so viele nette Menschen, und es bewegt sich viel Gutes. Selbst im Umland passiert auch manch Positives. Meine Heimatstadt (nicht Leipzig) wird auch immer schöner. Und Gäste (aus dem Westen) staunen immer, wie schön es hier ist, aber fragen auch oft nach, wie es denn hier mit den Rechten sei… alles wird überlagert davon und dann machen die Wähler und Demonstranten das auch noch mit und bestärken die Entwicklung. Ich kenne kleine Städte im Osten, lebendig noch in den 90er Jahren, dass sind jetzt fast schon Geisterstädte. Die Läden geschlossen und nur noch alte Leute. Wenn das noch schlimmer wird in den Neuen Bundesländern… nehmen die Leute das wirklich in Kauf? Nur um ihren Unmut an der Wahlurne zu äußern? Traurig!
Lieber J, dann habe ich die Perspektive deiner Kommentare tatsächlich mißverstanden, tut mir leid. Denn die Beobachtungen darin stimmen, leider!
Trotzdem will ich “denen” nicht meine Heimat überlassen. Sie sind nicht die Mehrheit, bei weitem nicht. Sie schreien am lautesten.
Mit der Zustimmung von J. würde ich mich freuen, wenn wir den langen Kommentar als Leserbeitrag nochmals prominenter auf der L-IZ.de veröffentlichen könnten. Also als eigenen Artikel/Kommentar.
A) weil er eine gute Debattengrundlage für gleich mehrere Themen bietet. Und b) weil ich den Ton herzerfrischend finde, nach drei Tagen (zuviel) an durch die Themenlage erzwungenem Facebookkonsum ^^
Ja? Es fragt der M.F.
J., würdest du jetzt vor mir stehen, ich würd dich knuddeln wollen.^^
Ernsthaft, sehr schön geschrieben. Und da ich nächstes Jahr vom Westen in den Osten ziehe (jaja, ich mach gern alles andersrum als andere^^), würd ich persönlich mich freuen, wenn du da bleibst. Wirklich. Überlass “denen” nicht einfach deine Heimat.
Lieber Mathias, das ist es was ich meine. Sie haben nichts, aber auch gar nichts verstanden von dem, was ich schrieb und wie es gemeint ist. Ich bin selber ostdeutsch. Aber dies ist nicht mehr meine Heimat, denn ich werde hier nicht mal mehr verstanden. Viele werden hier schon lange nicht mehr verstanden und auch nicht mehr gehört. Und dann hören sie auf zu reden und nur noch die lauten und einfachen Stimmen bleiben. Viele andere gehen dann einfach in die innere oder äußere Emigration. Gut ist das für nichts und für niemanden. Man kann eben nur fortgehen, zum Glück ist die Welt groß.
Was hat J. treffend auf den Punkt gebracht? Alle Ossis sind Rassisten? Schade, das hier so ein pauschaler und besserwisserischer Ton herrscht.
Und was soll bitte eine Partei extra nur für Ossis bringen? Das wäre nur neue Ausgrenzung.
Danke J.. Sehr gut beschrieben und es gibt eigentlich nichts hinzuzufügen.
Auch ich bin vor nun bald 20 Jahren aus Leipzig “in den Westen” gegangen, werde in nicht allzu ferner Zukunft Halbzeit haben, d.h. die Hälfte meines Lebens in L. und den Rest “im Westen” verbracht zu haben. Dies hatte damals hauptsächlich 2 Gründe: a) ich wollte mich mit meinem guten Abschluß (Berufsausbildung) nicht unter Tarif bezahlen lassen und noch viel wichtiger b) mir war Leipzig zu eng geworden, ich wollte raus und andere Horizonte/Menschen/Umgebungen kennenlernen. Trotzdem ist der Stand damals wie heute der, dass ich mir weiterhin vorstellen kann “irgendwann” wieder zurückzukommen. Auch bei mir kamen viele Gespräche in den ganzen Jahren an den Punkt und zu der Frage meiner Herkunft, welche irgendwie nie jemand richtig vermutet/geraten hat.
Was ich allerdings nie gemacht habe und auch nie machen werde, ist meine Herkunft zu leugnen oder zu kaschieren. Warum auch??? Meine Antwort war seit jeher: Ich komme aus . . . . . Leipzig. Nix weiter. Keine Ahnung warum “Sachsen” dabei nie eine Rolle spielte. Am Anfang war es mir vielleicht zu schawmmig als Begrifflichkeit, später wurde es auch nicht besser und nach diversen Vorfällen während der Zeit gab es auch keinen Grund. Vielmehr war “Leipzig” für mich Statement genug.
Auch habe ich kein Problem damit offen mit meiner Herkunft als “Ostdeutscher” umzugehen, allein schon aus Gründen der Erziehung, Prägung, Ausbildung usw.. Meint jemand sich darüber evtl. lustig machen zu müssen, oder lässt irgendeinen sinnfreien (ernstgemeinten) Spruch ab, so bin ich da nie auf den Mund gefallen gewesen.
Dies nur, weil J. es in seinen Kommentaren hier kurz angerissen hatte und alles anderes ist von ihm bereits treffend auf den Punkt gebracht worden.
Natürlich gibt es diese Probleme und jene Probleme, aber, liebe Ostdeutsche, was tut Ihr denn selber dagegen?
Ich fände es gut, wenn hier jemand eine ostdeutsche Partei gründen würde, wenn Euch doch die “etablierten Parteien” so zum Halse raus hängen. Eine Partei, die dafür kämpft, dass sich hier im Osten für Soziales mehr eingesetzt wird. Die dafür kämpft, dass Kindergärten, Schulen und Jugendklubs mehr Geld und mehr Personal bekommen. Die dafür kämpft, dass Altenflegepersonal ein angemessenes Gehalt bekommt, die sich aber auch dafür einsetzt, dass man Menschen (auch aus dem Ausland, wenn sie hierher kommen wollen) fördert, die eine Ausbildung wollen. Gleiches gilt für die Menschen aus dem Gesundheitswesen. Das sind doch gute, sinnvolle Dinge, für die man sich einsetzen kann?
Ihr ostdeutschen Bürger könntet auch für mehr Integration kämpfen. Ihr könntet Anerkennung fordern für Eure Lebensleistungen. Ihr könntet Euch zusammenreißen und gemeinsam dafür kämpfen, dass die Renten in Ost und West endlich gleich sein werden (nach meinem letzten Stand sind sie es nicht, oder?). Vor allem könntet Ihr, anstatt immerzu Angst zu haben vor irgendeiner mysteriösen Islamisierung, losgehen und Euch einfach so mal mit Geflüchteten unterhalten. Es gibt soviele Projekte und Vereine, wo genau Ihr was tun könntet. Einfach mal mit denen reden. Aber in den Vereinen höre ich immer nur, es gäbe zu wenig Leute, die sich ehrenamtlich engagieren. Wahrscheinlich ist es leichter, auf dem Sofa sitzen zu bleiben und zu meckern.
Wenn Ihr ostdeutschen Bürger wirklich mehr Polizisten wollt (und soweit ich weiß, wurden in der Tat viele Stellen eingespart in den vergangenen Jahren), dann geht los und gründet Eure eigene Partei und setzt Euch ein für mehr Stellen bei der Polizei. Sicher gibt es Menschen, die das blöd finden werden, aber dieses Recht steht Euch doch zu, solches zu fordern.
Aber lasst die Rassisten und Radikalen aus Eurer Partei. Denn der Hass und die Wut bringen Euch nicht weiter, sondern schaffen nur neue Probleme für Euch.
Ja, Ihr macht Euch selber gerade ganz viel kaputt. In meinen Augen zerstört Ihr dadurch, dass Ihr eine Partei von Rassisten und Antidemokraten wählt, Eure eigene Heimat.
Ich habe eben nachgesehen. Sachsen ist jetzt schon eines der Bundesländer mit den meisten alten Leuten. Denkt Ihr ernsthaft, die wenigen jungen Leute bleiben jetzt noch hier? Ich kenne jetzt schon viele, die genau wegen Euch und Eures Hasses hier vor Jahren bereits weggezogen sind. Leipzig ist ja immer letztlich nur eine Ausnahme, eine Insel in einer lebensfeindlichen Umgebung. Meint Ihr ernsthaft, wir kommen zurück irgendwann? Sachsen wird in der Konsequenz noch weitaus mehr überaltern. Und es wird niemanden geben, der Euch alte Leute pflegen wird. Eure Dörfer und kleinen Städte werden jetzt erst recht aussterben.
Es wird eine Spirale sein, die Ihr gerade antreibt, die Eure Heimat bedeutungslos und wirtschaftsschwach machen wird. Ich bin kein Freund einer grenzenlos wachsenden Wirtschaft auf den Rücken von Mensch und Natur, aber was Euch erwartet, wird das Gegenteil sein und das ist auch nicht gut. Was denkt Ihr denn, die Bäcker, Fleischer, kleinen Händler, kleine Firmen werden dann eben auch zu machen, einerseits wegen Nachwuchsmangel, andererseits weil ja auch die Kunden sterben irgendwann. Und die großen Firmen? Die eröffnen vermutlich eher da Standorte, wo es Arbeitskräfte gibt.
Laut dem Freistaat Sachsen lag das Durchschnittsalter 2016 bei 46,7 Jahren, Tendenz steigend. Leute, nach der Nummer die Ihr Euch nächstes Jahr bei der Wahl leisten werdet, wird es wahrscheinlich ein Durchschnittsalter von 60 Jahren werden demnächst.
Und warum? Aus reiner Angst und Kopflosigkeit und weil Ihr nicht nachdenkt und einer rechtsradikalen, in großen Zügen auch noch westdeutschen Partei (Höcke ist aus Westfalen, Gauland ist zwar Chemnitzer aber in Hessen aufgewachsen, von Storch ist eine Adelige aus Schleswig-Holstein, Alice Weidel kommt aus Gütersloh) hinterher hoppelt und weil Ihr offenbar nicht in der Lage seid, selber vom Sofa hoch zu kommen und sich konstruktiv für Eure Heimat einzusetzen.
Ich schreibe hier westdeutsche Partei, weil Ihr, die Ostdeutschen, ja immer so oft auf Eurer ostdeutschen Identität beharrt. Angefangen mit der Ostalgie, lustigen DDR-Produkten die man noch immer in Souvenirläden kaufen kann und weil Ihr vom Neid zerfressen seid gegenüber den Westdeutschen (was komplett unbegründet ist, denn ich weiß, dass im Westen die Straßen auch nicht mit Gold gepflastert sind). Und ich finde es witzig, dass ausgerechnet Ihr, die Ihr immer das Volk sein wollt und auf die Wessis schimpft, in einer solchen populistischen Partei, die so offensichtlich mit Euren Gefühlen, vor allem Euren Ängsten spielt wie auf einem Klavier, dass Ihr die nun wählt und damit nur Euch selbst wahrscheinlich schadet.
Wo sehe ich Euch und Euer Sachsen, Euer Ostdeutschland in vielleicht zehn Jahren? Der Altersdurchschnitt bei 60 Jahren. Wüst gefallene Dörfer. Bis auf wenige große Städte wird es einen weiteren Bevölkerungsrückgang geben. Dadurch wird auch die regionale Wirtschaft geschwächt werden. Internationale Großkonzerne werden ihre Filialen hier schließen und irgendwo neu eröffnen, wo es Menschen gibt unter 60 Jahren. Oder sie werden vollautomatisierte Fabrikanlagen mit Robotern bauen, nur ein Mensch wird dort ab und zu kommen um die Anlagen zu überwachen. Es wird viele Altersheime geben, die aber aufgrund des Personalmangels nicht besonders gut sein werden. Gut möglich, dass man versuchen wird, aus Polen Arbeitskräfte abzuwerben, aber das wird nicht reichen. Es gibt bereits jetzt Pflege-Roboter, der Euch dann ab und zu im Bett wenden wird, damit Ihr Euch nicht wund liegen werdet. Es wird, wie bereits jetzt in Mecklenburg-Vorpommern, ein paar Nazidörfer mehr geben, die dort ihre eigenen Parallelwelten aufbauen werden.
Nun ja, ein Positives hat diese erschreckende Zukunftsvision: viele bedrohte Tiere und Pflanzen werden wieder Platz haben in Ostdeutschland. Wenn nicht irgendwelche Agrar-Großkonzerne die Chance ergreifen und das nun günstige Ackerland in großem Stil aufkaufen, um dort Mais- und Rapsmonokulturen auf großen Feldschlägen anzubauen: zur Gewinnung von Energie. Vielleicht kaufen sie dann auch die Wälder, um dort Nadelholzplantagen aufzuforsten zur Energiegewinnung. Andere Firmen nutzen die Situation dann vielleicht auch aus, um Bodenschätze wie Kohle abzubauen, noch mehr als jetzt. Übrigens brauchen die dafür vielleicht nicht mal Arbeitskräfte, es gibt bereits jetzt Traktoren, die per GPS ferngesteuert werden. In den Wäldern ersetzen Harvester Forstarbeiter. Sicher wird es auch im Tagebau Maschinen und Roboter geben. Und Leute wie ich, halbwegs junge Leute, die dagegen kämpfen würden, dass das Land, ja, die Heimat (!) zerstört wird durch sowas, wird es hier nicht mehr geben oder in nur noch so kleiner Menge, dass sie allein nicht gegen die Entwicklung ankommen werden.
Aber was sollen wir hier? Ich werde hier beschimpft von Euch als linksgrünversifft. Und mit Euch reden kann man auch nicht, auf Argumente wird mir entgegnet, das wären alles Lügen und auf Facebook, da (!) hätte jemand geschrieben! Und auf Youtube gibt es ein Video, welches beweist… Leute, ich kann auch auf Facebook irgendwas schreiben oder Verschwörungstheorien auf Youtube veröffentlichen. Und nein, es gibt keine Lügenpresse. Es gibt viele Zeitungen, Zeitschriften, Sender, Journalisten, die durchaus unterschiedliches berichten und beleuchten und auch gegeneinander argumentieren, Ihr müsst Euch nur mal die Mühe machen, Euch hinzusetzen und alles zu lesen und zu durchdenken.
Stattdessen marschiert Ihr mit Fußball-Hooligans durch Chemnitz und Dresden und schreit Lügenpresse. Nicht Euer Ernst, oder?
Nein. Ich hab nicht mal mehr Angst vor Euch. Ich bin hier geboren in Ostdeutschland, aufgewachsen, habe fast mein ganzes Leben hier verbracht und eigentlich wäre es schön, hier zu bleiben und hier zu arbeiten, mich hier weiter zu engagieren, aber es ekelt mich. All das widert mich an. Ich möchte nicht in einem Land leben voller Haß, Angst, Missgunst unter der Regierung mit einer Partei, welche Minderheiten wie Ausländer, Homosexuelle und allein erziehende Frauen allein schon im Wahlprogramm (ich hab es gelesen!) diskriminiert, welche aber ansonsten keine Lösungen für die Probleme des 21. Jahrhunderts hat.
Und wenn ich fortgehe zu den anderen, die schon alle gegangen sind, vielleicht werde ich dann auch auf die Frage, wo ich herkäme, antworten: aus Braunschweig.
Also ich kann es nicht mal mehr Angst nennen. Mich widert diese Entwicklung an. Aber so neu ist das alles nicht. Nach der Wende, als ich noch in die Schule ging, tauchten doch die ersten jugendlichen Nazis auf. Leise raunte man “dort in dem Nachbarort gibt es so welche” und dass man von denen besser Abstand halten soll.
Natürlich war damals nicht alles in Ordnung, aber ich denke, es wird nie einen Zustand geben, wo irgendwo auf der Welt durchgängig alles in Ordnung sein kann. Dafür sind Menschen zu vielfältig, für einen klemmt es immer, wo es aber für andere passt. Es gab viele Betriebe, die zumachten, es gab viele Arbeitslose. Und ja, auch persönliche Verwandte von mir gingen in den Westen, aber sie machten dort ihr Glück. Und es geht ihnen sehr gut dort und sie werden ganz sicher niemals wieder in den Osten zurück kehren.
Viel lief durcheinander in den 90er Jahren, aber im Großen und Ganzen lebten wir alle und kämpften uns durch. Viele, die ich kannte, lebten Jahre als Arbeitslose, manche kamen dann in eine ABM, aber im Großen und Ganzen ist niemand verhungert. Es gab immer einen Weg und es ging stets doch voran, auch wenn es nicht leicht war. Aber auch gab es permanent die beständige Bedrohung von rechts im Hintergrundrauschen.
Bekannte, die wegen ihres Erscheinungsbild besonders attraktive Ziele für Nazis in den 90er waren, erzählten mir von Überfällen durch Nazis in Leipzig. So schlimm, dass sie ein Notfall-Telefon eingerichtet hatten. Es hat die Öffentlichkeit schlicht nicht interessiert, dass Menschen, einfach weil sie nicht einer Norm entsprechen, die irgendweche radikalen Rechten für sich festgelegt haben, terrorisiert worden sind.
Weitere Verwandte von mir zogen in den Westen. Sie leben dort bis heute und dies nicht schlecht. Sie fühlen sich wohl dort und verschweigen vor anderen, dass sie eigentlich mal aus dem Osten kamen. Sie schämen sich sogar dafür.
Irgendwann zog ich nach Leipzig. Und ich hatte Arbeit hier. Auch bei mir war nicht immer alles in Ordnung. Ich war mal ein paar Jahre arbeitslos bzw. war mein Gehalt so niedrig, dass ich HartzIV dazu bekam. Eine kurze Zeit ging ich sogar mal zur Tafel, aber ich tat es nicht unbedingt nur aus Not, sondern weil es für mich eine willkommene Hilfe war, über die ich sehr glücklich war. Ich war auch sehr froh, dass ich in einem Land lebe, in dem man, wenn man ohne Arbeit ist, eine Unterstützung bekommt vom Staat, bis man wieder in Arbeit ist. Es war für mich weder eine Bürde noch irgendein Makel. Andere waren auch arbeitlos, nun, es war eben nicht einfach. Wieder zogen einige aus meiner Familie und meinem Bekanntenkreis in den Westen, ich hielt dem Osten noch immer die Treue und in der Tat fand ich doch immer wieder Arbeit in dieser großen Stadt Leipzig. Damals saßen die Nazis in der Odermannstraße und ich kannte Menschen dort, die die Feiern dieser Rechten nachts als sehr unangenehm empfanden. Soweit ich es mitbekam, war man sehr froh, als die wegzogen.
Als die “Flüchtlingswelle” kam, wurde dann, besonders im Internet, so getan, als würden hier Billionen notleidender Menschen kommen. Und es wurde getan, als würde dies das Ende der Zivilisation bedeuten. Nun, viel passierte in meinem persönlichen Umfeld nicht. In einer großen Stadt wie Leipzig mit sovielen Touristen und Durchreisenden: woher soll man denn da wissen, wer geflüchtet ist oder wer nur zu Besuch ist? Irgendwann standen und saßen da, wo es kostenloses WLAN gibt, Menschen, die durchaus Flüchtlinge gewesen sein könnten. Ich dachte nur, dass sie clever sind. Beim einkaufen sah man später hin und wieder welche, oder auch im Park. Familien mit Kindern, die spielten. Ab und zu jüngere Männer in Gruppen, die sich in der Gegend umsahen. In meinem Sportverein kamen auch hin und wieder welche vorbei. Ich bin nicht sicher, aber in meiner Straße könnten auch welche leben, aber sie sind so unscheinbar und unauffällig. Ich habe wirklich nichts negatives von irgendwelchen Flüchtlingen erlebt. Hin und wieder erzählte eine Bekannte, irgendein Flüchtling hätte sie angesprochen, aber es waren immer nur unbeholfene, schüchterne Kontaktanbahnungen. Man liest in der Zeitung hin und wieder was, aber mir erscheint es als völlig logisch, dass es in einer großen Stadt hin und wieder leider Verbrechen gibt, und ich finde es nachvollziehbar, dass es auch unter Geflüchteten Menschen gibt, die eine Straftat begehen. Aber weil von den Geflüchteten einige Straftaten begehen, kann man doch unmöglich auf die anderen schließen, die absolut unauffällig und ruhig hier leben, so zurückgezogen, dass ich sie nur ganz selten aus dem Nachbarhaus zum Supermarkt huschen sehe. Ich habe einmal einen Flüchtling kennen gelernt, der hat hier angefangen zu studieren und sprach bestens deutsch. Sicher gibt es auch andere, die hierher kommen und wo sie herkamen, Schlimmes erlebt haben. Die vielleicht auch schon Jahre ihres Lebens von Ort zu Ort getrieben werden und umherziehen und nirgens ankommen. Die Bürokratie ist nicht nur für uns oft überwältigend und erdrückend, Flüchtlinge, die oft auch noch Probleme haben mit der deutschen Sprache, haben noch mehr Bürokratie, Regelungen und Gesetze, die sie beachten müssen. Das dann ein junger Mensch von denen verzweifelt und dem Alkohol verfällt, oder Drogen nimmt, dann abstürzt ins Bodenlose und als gefallene, kriminelle Existenz durch die Welt zieht, also das wundert mich nicht. Ich will Kriminelle auch nicht in Schutz nehmen, aber für mich sieht es so aus: sie sind die logische Folge einer problematischen Situation in unserer Welt, und es bringt nichts, aber auch gar nichts, die Folgen nur zu verschieben oder zu verdrängen von einem Land ins andere, und die Gründe standhaft zu ignorieren und von sich zu weisen, zu sagen, irgendwer anders soll sich kümmern.
Denn das sagen ja inzwischen fast alle. Ein wenig wie bei einer Küche in einer WG, wo sich niemand zuständig fühlt, mal aufzuräumen. So kommt mir die gesamte westliche Welt vor.
Dabei könnte man auch hier vor Ort doch vieles Konstruktives tun und Positives erwirken. Ich halte es schon für eine sogenannte Win-Win-Situation, wenn sich wir alle, die Gesellschaft, zusammenreißen, uns um Menschen kümmern, die vor Krieg flüchten, uns auch um die kümmern, die hier verzweifeln und gleichzeitig bekommen wir dafür neue Nachbarn. Ich erinnere mich an eine Frau aus einem angeblich sicheren Herkunftsland, von dort geflüchtet, sie wollte hier Altenpflegerin werden und hatte schon eine Ausbildung begonnen, musste aber wieder fort. Ein Irrsinn, ein paar Tage später erzählte mir eine deutsche Altenpfegerin, dass sie einfach keine Leute finden. Sicher wird es immer mal jemanden geben, der kriminell wird, aber Leute: das war schon immer so, egal zu welcher Zeit. Natürlich kann man sich aber auch für alte Leute oder Jugendliche einsetzen, ich finde, Hauptsache ist doch, man tut was, anstatt nur zu meckern.
Ich denke, eine Situation ist ja auch immer das, was man draus macht.
Zur Zeit ist es so: ich als weißer Mann werde in Leipziger Straßen von Menschen mit dunklerer Hautfarbe ängstlich angesehen. Ein kleiner Junge in einer Haltestelle drückte sich in die Ecke als ich dort vorbei ging.
Das kann nicht sein. Ich möchte nicht in einem Land leben, wo Menschen vor mir Angst haben, weil ich eine weiße Hautfarbe habe.
Vor allem wird diese Angst bei denen Folgen haben, doch auch für uns, denn aktuell bauen wir die Gräben von morgen, die uns Menschen hier in diesem Land und in ganz Europa in Zukunft noch weiter trennen werden. Und solche Gräben werden irgendwann wahrscheinlich Schützengräben sein.
Ja, das ist wirklich alles sehr beunruhigend. Es ist wahrscheinlich wiemit der Angst, nach einem Unfall Erste Hilfe leisten zu müssen. Aus Angst, etwas falsch zu machen, macht man lieber gar nichts. Dabei soll ja ALLES besser sein als nichtstun. Und diese ganzen Diskussionen um Begriffe (Nazis oder Neonazis, Hetzjagd oder Bedrohung) halten auch nur auf und geben den Menschenfeinden einen gefährlichen Vorsprung. Wir brauchen dringend mehr Haltung und vor allem Selbstbewusstsein, auch zu unserer Überzeugung zu stehen.
Ich weiß zwar auch noch nicht genau was, aber ja. Tun müssen wir wohl was. Am besten Gestern.