Das Misstrauen in Demokratie, Protest und eine liberale und offene Gesellschaft ging ursprünglich nicht von der AfD aus. Wer in Sachsen lebt, weiß das. Schon Jahre zuvor hat gerade die regierende CDU den Generalverdacht gegen jede Art demokratischen Protests „von links“ genährt. Was mit ihrer mittlerweile fatalen Nähe zur CSU zu tun hat. Der „Extremismus“-Verdacht ging so weit, dass man Fördergeldanträge gleich mal mit einer Gesinnungsüberprüfung verbinden wollte. Aber das ist aus gutem Grund rechtlich nicht möglich.

Es ist nicht der Staat, der entscheiden darf, welcher gesellschaftlichen Strömung sich beantragende Vereine oder Initiativen zuordnen. Erst recht nicht, wenn sich die Staatspolitik sichtbar selbst radikalisiert und humanistische Standards gleich reihenweise über Bord schmeißt, weil die Regierenden glauben, sich so einem grummelnden Zeitgeist anpassen zu müssen.

In Sachsen kennt man die Folgen dieses staatlich gepflegten Misstrauens nun seit Jahren – fatal auch deshalb, weil dieselben Verantwortlichen die Augen für die rechtsradikalen Umtriebe regelrecht zudrückten. Laut Kurt Biedenkopf waren „seine Sachsen“ ja keine Nazis.

Sie veranstalten halt nur Nazi-Konzerte, zünden Asylbewerberheime an und haben als mörderisches Trio „NSU“ jahrelang die sächsische Einsamkeit zum Abtauchen genutzt.

Aufgearbeitet ist das alles nicht.

Aber es hatte Folgen.

Und mit der CSU, die innenpolitisch eine genauso forcierte Verdächtigungspolitik betreibt, ist diese Haltung auch längst auf Bundesebene vorgedrungen.

Am Donnerstag, 14. Juni, wurde nun ein juristisches Gutachten zur Verknüpfung staatlicher Förderleistungen mit „sicherheitsbehördlichen Überprüfungen“ der geförderten TrägerInnen und deren MitarbeiterInnen unter Einbeziehung von Verfassungsschutzbehörden veröffentlicht.

Dürfen ausgerechnet die heftig kritisierten deutschen Geheimdienste quasi Führungszeugnisse für Vereine ausstellen, die Fördergelder für demokratisches Unterfangen beantragen? Jene Geheimdienste, die schon jede Arbeit, die sich gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit richtet, als „links“ oder (noch schärfer) als „linksextrem“ einordnen, sodass solche demokratischen Initiativen immer wieder auch in diversen Verfassungsschutzberichten auftauchen, ohne dass es den geringsten Anhaltspunkt dafür gibt, ihnen Verfassungsfeindlichkeit zu unterstellen?

In Auftrag gegeben wurde das Gutachten gemeinsam vom Bundesverband Mobile Beratung e.V., dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD).

Und für Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus in der Grünen-Bundestagsfraktion, ist die Sachlage eindeutig: „Die Überprüfungen von Projekten zur Demokratiestärkung durch die Verfassungsschutzbehörden müssen umgehend beendet werden. Es ist der Demokratie nicht zuträglich, wie staatliche Stellen durch intransparente Verfahren und Grundrechtseingriffe zivilgesellschaftliche Projekte verunsichern.“

Über die staatliche Förderung habe einzig und allein das fachliche Knowhow zu entscheiden, stellt die Leipziger Abgeordnete fest, nicht die Verfassungsschutzbehörden.

„Die Bundesregierung muss ihre Förderzusagen ausschließlich an die mit den Bundesländern vereinbarten Qualitätsstandards und die eingereichten Antragskonzepte knüpfen und auch in den Ländern darauf hinwirken, dass über Geldzuweisungen im Demokratiebereich ohne die Verfassungsschutzbehörden entschieden wird“, formuliert Lazar diese Mindestdistanz staatlicher Behörden zu jenen Vereinen, die eben keine staatlichen Anhängsel sind, wenn sie für ein demokratischen Miteinander aktiv werden. Eigentlich dürfte nur maßgeblich sein: Will der Staat demokratische Initiativen fördern, ja oder nein? Und welche fachlichen Mindeststandards erwartet er, die dann auch Grundlage der Förderanträge sein sollen?

„Das juristische Gutachten zeigt auf, dass durch eine Überprüfung und Versagung von Förderung aufgrund einer Speicherung beim Verfassungsschutz die Grundrechte der Betroffenen verletzt werden. Die MitarbeiterInnen in Demokratieprojekten haben selbst keine Möglichkeit herauszufinden, ob sie überprüft werden, nach welchen Kriterien dies geschieht, welche Daten gespeichert wurden und welche Folgen dies für sie selbst, ihr Projekt und Partnerprojekte haben kann“, fasst Lazar zusammen. Die Kontrollsucht konservativer Politik darf nicht dazu führen, dass am Ende nur noch Projekte gefördert werden, die auch den Schlapphüten gefallen.

Die Grünen, so Lazar, forderten deshalb die Bundesregierung auf, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf der Basis von nachvollziehbaren Qualitätsstandards zu gründen statt die jahrelang gute Arbeit von Demokratieprojekten durch generelles Misstrauen zu erschweren.

„Die Bundesregierung darf ihre eigene Programmförderung nicht länger von Informationen von Verfassungsschutzbehörden abhängig machen“, stellt sie fest. „Das ist gerade vor dem Hintergrund des erstarkenden Rechtspopulismus und Rassismus in unserem Land überfällig. Jede Diffamierung dieses Engagements spielt denen in die Hände, die die Errungenschaften unserer offenen Gesellschaft abschaffen wollen.“

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