Seit Montag, 18. Dezember, weiß Oliver Reiner zumindest auf mündlichem Wege, was die Uhr angeblich geschlagen haben soll. Da erhielt er auf hartnäckige Nachfragen hin eine Auskunft am Telefon, die er bis heute nicht so ganz glauben kann. Ohne weitere Begründung teilte man dem Geschäftsführer der Villa Leipzig mit, dass es für das kommende Jahr keine weitere Förderung der preisgekrönten Integrationsangebote seines Trägervereins an der Lessingstraße geben soll. Eine Auskunft, welche letztlich aus dem Hause von Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) stammen muss und die nun immer mehr Menschen auf die Barrikaden treibt. Leipziger Vereine und Persönlichkeiten schalten sich ein und verlangen die Revidierung dieser angeblichen Entscheidung.
Deutschkurse, gemeinsames Musizieren, die Vermittlung von Lernpaten, europäischer Freiwilligendienst – der Besteckkasten an der Villa in der Lessingstraße ist groß, um Menschen zusammenzubringen und Neuleipzigern den Start in ein neues Leben zu erleichtern. Und all das funktioniert so gut, dass es dafür im Dezember 2017 auch einen Preis gab. Die Europäische Bewegung Sachsen (EBS) verlieh dem soziokulturellen Zentrum im Rahmen ihres Festes zum 25. Jubiläum den Sächsischen Europapreis 2016 für die geleistete Arbeit – Pläne für die kommenden Jahre machten die Runde.
Seit Montag dieser Woche ist unklar, was mit den seit 2,5 Jahren aufgebauten Strukturen, den fünf Halbzeitstellen und der Arbeit von rund 100 Ehrenamtlichen Leipzigern werden soll. Einen Antrag auf die Fortsetzung der seit 2015 bestehenden Förderung der Integrationsangebote der „Villa“ legte Oliver Reiner fristgerecht Anfang September für das Jahr 2018 vor, dann geschah bis auf eine Empfangsbestätigung des Fortsetzungsantrages eine ganze Weil nichts. Wie eigentlich schon die vergangenen 2,5 Jahre – eine Evaluierung der Erfolge seines Hauses hat es nach Auskunft Reiners durch das Integrationsministerium Sachsen oder andere Stellen des Freistaates nie gegeben.
Auf welcher Basis demnach die Förderung eingestellt werden soll, ist vollkommen unklar, die bislang mündlich erteilte Auskunft dürfte zudem so keine Rechtskraft haben.
Ein laxes Nein am Telefon
Denn kurz vor Weihnachten wollte es der Geschäftsführer endlich wissen und fragte nach bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB), welche im Auftrag des Ministeriums die Gelder ausreicht, um irgendwie Planungssicherheit für das bereits in rund 14 Tagen anbrechende Jahr 2018 zu erhalten. Erst schriftlich, dann mündlich. Die am Montag erhaltene telefonische Auskunft seitens der SAB machte er auch aufgrund des so eingetretenen Zeitdrucks für sein Haus publik, noch immer fassungslos, wie er in einem Telefonat mit L-IZ.de erklärte.
Neben der fehlenden Kommunikation seit Monaten sei nun kurz vor dem Jahreswechsel ein Punkt erreicht, an dem man alle Vorbereitungen mitten im Lauf abstoppen muss. Die fehlende Begründung lässt den langjährigen Villa-Manager ratlos zurück. Während man offenbar im Ministerium glaubt, man verteile knappe Gelder wie Gnadenbrote an Projekte, ist die Arbeit in der Praxis ein fortlaufender Prozess mit vielen Involvierten und Betroffenen. Zudem gilt die Villa als hochvernetzt in Leipzig, weitere Projekte wie Musikangebote im Müzik-Stüdyo.74 im Leipziger Osten würden ebenfalls sterben.
In der offiziellen Erklärung der Villa vom Dienstag heißt es: „Gestern erhielten wir die Nachricht, dass unsere integrativen Angebote, welche vom Land Sachsen bisher gefördert wurden, im neuen Jahr 2018 nicht mehr finanziert werden. Konkret handelt es sich um unsere Sprachangebote, die Musikangebote im Müzik-Stüdyo.74 im Leipziger Osten, VILLA Dining sowie andere Projektteile.“ All dies müsse man nun zum 15. Januar 2018 einstellen, wenn es bei der Entscheidung bleibt.
Reichlich konsterniert, wirbt das Haus nun um Spenden, was jedoch kaum eine eventuell ausbleibende Förderung der Arbeit substantiell ersetzen kann.
Kann #Sachsen Ministerin für #Integration @Koepping mal reagieren ? 100 Ehrenämtler in #Leipzig würden gern weitermachen in der @villa_le . #sogehtsächsisch
— Grit Krämer (@KraemerGrit) December 20, 2017
Solidarisierung im Netz
Welchen Stellenwert die Arbeit der Villa in Leipzig hat, ist zumindest den Aktiven in der Stadt mehr als klar. „Geht’s noch, da am grünen Tisch. Seit wann werden eigentlich Ehren- und Hauptamtliche dafür bestraft, dass sie überdurchschnittlich gut sind. Die Villa gehört mit ihren Ehrenamtlichen zu den Top-5-Angeboten für Geflüchtete in Leipzig. Dazu kommt, dass der Geschäftsführer Oliver Reiner zu den zivilgesellschaftlichen Bundesliga-Spielern gehört (die von der Aktion Mensch haben das verstanden). Ohne die Villa und ihre Impulse hätte es inhaltliche und organisatorische Fortschritte in der Arbeit mit und für Geflüchtete so in Leipzig nicht gegeben.“
Das schreibt am heutigen 20. Dezember der Peterskirchpfarrer Andreas Dohrn in einem „Gernot Hassknecht-Gedächtnis-Post“ auf seiner Facebookseite. Er erwarte zudem „gute Begründungen und eine Revision dieser nicht nachvollziehbaren Entscheidung“ noch vor Weihnachten.
Auf Twitter fragen unterdessen die ersten User Staatsministerin Petra Köpping und weitere SPD-Kollegen wie zum Beispiel die sächsische SPD-Generalsekretärin und Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe direkt wegen einer Erklärung zum Vorgang an, die gestern auf L-IZ.de verbreitete Erklärung der Villa rotiert längst überall im Netz auf Hochtouren.
Liebe @danielakolbe, lieber @dirkpanter und lieber @HolgerMannLE. Könnt ihr hier mal schauen, was das für Gründe hat und ob es nicht doch Möglichkeiten gibt, die Förderung für die wertvolle Integrationsarbeit fortsetzen zu können. https://t.co/xksh7dHph2
— Sebastian Feltel (@feltel) December 20, 2017
Noch keine Antworten vom Ministerium
Seit Dienstagmittag liegt zudem eine umfangreiche Presse-Anfrage der L-IZ.de beim Staatsministerium für Gleichstellung und Integration vor. Während der Druck aus Leipzig steigt und sich längst weitere Medien zugeschalten haben, versicherte man am heutigen Mittwoch, man werde sich in der L-IZ-Redaktion in dieser Sache noch vor Weihnachten zurückmelden.
In der Villa Leipzig und längst in weiteren integrativen Vereinen der Stadt dürfte man an den Antworten auf unsere Fragen sehr interessiert sein. Denn längst verdichten sich Informationen, dass es nicht die Villa allein betrifft, wenn es um rechtsgültige Bescheide für Förderungen geht, die bereits ab dem 1. Januar 2018 Gültigkeit haben sollen. Ersten Informationen nach könnten zudem nicht genügend Gelder zur Verfügung stehen, um bestehende erfolgreiche Projekte weiter zu unterstützen.
Wäre dies der Fall, würden sehenden Auges seit Jahren aufgebaute und vernetzte Integrationsstrukturen in Leipzig und Sachsen durch die CDU/SPD-Regierung schlicht zerstört werden.
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Na irgendwo Muß das Geld für die neuen Polizeipanzer mit den hübsch bestickten Sitzen doch herkommen. Da muß man schon Prioritäten setzen!