Das, was spätestens seit der gespenstisch-nazistischen Rede Björn Höckes (AfD) in Dresden jeden beunruhigen sollte, ist die Parallelität heutigen Geschehens zu den Ereignissen in den Jahren vor der Nazi-Herrschaft. Natürlich wiederholen sich politische Abläufe nicht. Aber damals wie heute zerbrechen die politischen Bewegungen, die Bündnisse, die Kooperationen über Grenzen hinweg, die nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges versucht hatten, im Innern demokratische Verhältnisse aufzubauen, Pluralität zu entfalten und nach außen durch Völkerverständigung zukünftigen Kriegen vorzubeugen.
Damals wie heute treten rechtsgerichtete Gruppierungen auf, um völkisches Gedankengut zu revitalisieren, Nationalisierung der Politik voranzutreiben, kulturelle Vielfalt zu beschneiden und internationale Organisationen zu zerstören – und sich selbst als „die letzte evolutionäre, die letzte friedliche Chance für unser liebes Deutschland“ (so Höcke in Dresden) zu inszenieren. Begleitet wird dies von einer zunehmenden Appeasement-Mentalität, einer allgemeinen Beschwichtigung: Es wird schließlich nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird.
Oder wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zur Ablehnung eines NPD-Verbotes festgestellt hat: Die NPD strebt zwar „die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an“, sie „arbeitet planvoll und qualifiziert auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin“, aber „es fehlt … an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt.“ Auf Deutsch: Wir verbieten die NPD nicht, weil sie zu unbedeutend ist.
Wie aber kann man zu diesem Schluss kommen angesichts der Tatsache, dass es die NPD in Ostdeutschland seit 1990 geschafft hat, den Rechtsextremismus gesellschaftsfähig zu machen, und mit dem Auftreten der AfD als rechtspopulistischer Partei diesem verfassungsfeindlichen Gedankengut eine Aura von Legitimität verliehen wird? Die unbestreitbare derzeitige Schwäche der Parteiorganisation NPD korrespondiert unmittelbar mit einer stark gewordenen Verankerung völkischen und nationalistischem Gedankenguts in der Parteienlandschaft, hier vor allem in der AfD. D. h. das Gedankengut, das eigentlich zu einem Verbot der NPD hätte führen müssen, hat nunmehr in der AfD einen „Asylort“ gefunden und kann sich noch mehr verbreiten.
Björn Höcke (AfD) hat dies in erschreckender Weise in Dresden vorgeführt. Er hielt am vergangenen Dienstag eine Rede, die inhaltlich und rhetorisch hätte in den 20er Jahren im Münchner Hofbräuhaus gehalten werden können. Das ist ein fataler Aspekt dieses Appeasement-Urteils.
Die Appeasement-Anwälte sind in diesen Tagen aber auch noch in anderer Sache unterwegs. Am 20. Januar 2017 wird Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten in Washington DC vereidigt. Seit seiner Wahl wird landauf landab dafür geworben, dem neuen Präsidenten mit Offenheit zu begegnen. Er habe doch schließlich in einer freien und geheimen Wahl die Mehrheit der Wahlmänner und -frauen auf sich vereinigen können. Letzteres ist nicht zu bestreiten.
Aber wenn einer, der bis jetzt nur bewiesen hat, dass er für dieses Amt nicht nur nicht geeignet ist, sondern dass er die Grundlagen demokratischen Zusammenlebens zerstören will, in einer freien Wahl zum Präsidenten gewählt wird, dann wird aus ihm dadurch noch lange kein Demokrat. Adolf Hitler konnte zumindest bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges der Zustimmung einer erdrückenden Mehrheit im Volk sicher sein. Das aber änderte nichts am verbrecherischen Charakter seiner Politik. Darum ist es höchst beunruhigend, dass Donald Trump bis jetzt nichts von seinem Hass, seiner antidemokratischen Gesinnung, seinem proletenhaften Auftreten korrigiert hat.
Das, was eine demokratische Gesellschaft ausmacht, ist ihm fremd: Friedfertigkeit, Erhaltung des schwachen und gekränkten Lebens, Notwendigkeit der Diskussion und des Kompromisses (Carl Amery). Er behandelt die USA wie eine neu gewonnene Abteilung seines Firmenkonsortiums und meint das Land genauso autoritär führen zu können wie sein Immobilienimperium: in der Rücksichtslosigkeit eines Egomanen.
Trump erweist sich immer mehr als eine bizarr-fragile Persönlichkeit. Der ständig erhobene Zeigefinger einer unkontrolliert fuchtelnden rechten Hand macht deutlich, dass er seine aus Kenntnislosigkeit geborene Unsicherheit mit Drohgebärden zu kompensieren sucht. Die spürbare Dünnhäutigkeit seines Körpers entspricht seiner Unfähigkeit, Kritik zu ertragen. Furienhaft ging er auf seiner letzten Pressekonferenz mit dem wie zu einem Gewehrlauf gestreckten Arm auf Journalisten los, die ihn ohne Mühe aus der Fassung zu bringen vermochten.
Wie sollte diese auch einer bewahren können, der sich in seinen von Gold nur so strotzenden Tempel-Käfigen von ihm schmeichelnden Priesterinnen und Priestern umgibt. Es mag ja sein, dass Trump in den nächsten Wochen durch die eine oder andere Maßnahme einen „Erfolg“ verbuchen kann (oder zumindest sein Netzwerk dazu nutzt, einen solchen zu konstruieren). Aber jetzt schon ist klar, dass er das Zerstörungswerk, das die Republikanische Partei mit dem Kampf gegen die Clinton-Administration begonnen hat, mit Macht fortsetzt – und auf der Strecke wird das bleiben, was die USA immer ausgezeichnet hat: der Wille zur Freiheit, zur Demokratie, zur Integration, zur Pluralität.
Darum jetzt der Schulterschluss mit halbseidenen Autokraten in Regierungsverantwortung wie Putin und Netanjahu. Darum die alarmierend gefährliche Provokation, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen – die wahrscheinlich größte Kriegsgefahr, die Trump schon jetzt in Gang gesetzt hat (über diesen Weg versucht er, das Iran-Abkommen zu kippen). Darum die unerträgliche Machtarroganz gegenüber dem Nachbarn Mexiko: Erstens dem Land wirtschaftlich zu schaden, indem Produktionsstätten geschlossen werden sollen, und zweitens Mexiko zu zwingen, die Mauer, die Trump bauen lassen will, auch noch zu bezahlen. Darum seine Unterstützung für die Totengräber der Europäischen Union wie Le Pen, Wilders oder Farage.
Dass dieser Präsident von sich behauptet hat, dass er „mitten auf der Fifth Avenue in New York jemanden erschießen (könne), und … keinen einzigen Wähler verlieren (würde)“, war kein Ausrutscher im Wahlkampf. Trump hat mit jeder Äußerung nach dem 9. November 2016 unterstrichen, dass er in diesem gewaltschwangeren Geist „Politik“ machen will. Also sollten wir uns nichts vormachen: Er ist zu einer solchen fähig. Gleichzeitig aber sollten wir hoffen, dass nicht die USA ihre Würde, sondern ein würdeloser Präsident seine Wähler verliert. Für Appeasement besteht kein Anlass.
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