Da hat Leipzig nun seit 2012 so eine Art ganz offizielles Instrumentarium zur Bürgerbeteiligung - und trotzdem haben viele Bürger das Gefühl, dass sie keinen Einfluss auf die Stadtpolitik nehmen können. Andere haben sich emsig eingebracht in Projekte. Aber ist das 2012 Beschlossene tatsächlich schon der Stein der Weisen? Aus Grünen-Sicht nicht. Sie beantragen auch eine Prüfung des Ganzen. Vielleicht ist's ja doch nur ein Feigenblatt.

„Nach mehr als zwei Jahren ist es aus unserer Sicht an der Zeit, diese Leitlinien und die seitdem stattgefundenen Bürgerbeteiligungsverfahren sowie das Beteiligungsprojekt unter der Dachmarke ‘Leipzig weiter denken’ einer gründlichen Evaluation zu unterziehen, denn neben guten Erfahrungen sind auch Fehlschläge zu verbuchen”, erklärt dazu Tim Elschner, Stadtrat und Sprecher für Transparenz und Bürgerbeteiligung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Immerhin sind drei Jahre lang Erfahrungen gesammelt worden. Das ist nun wirklich ein Zeitraum, in dem die Angebote für die Bürgerbeteiligung in Leipzig professionalisiert werden können. Und zwar so, dass sie automatisch greifen, wenn Bürgermeinung eingeholt werden muss. Oder sollte. Denn gesetzlich vorgeschrieben sind nur die alten, bürokratischen Öffentlichkeitsbeteiligungen – mit Anhörungen ausgewählter Verbände, Auslegungen in abgelegenen Amtsstuben und Ankündigungen in Amtsblättern, die meist keiner liest.

Leipzig ist darüber hinausgegangen, weil gerade bei Großprojekten im Stadtraum längst klar ist, dass es ohne Einbindung der betroffenen Anwohner und einen regen Austausch über die wirklich auch vor Ort akzeptierten Lösungen nicht geht – exemplarisch nicht nur in “Leipzig weiter denken” durchexerziert, sondern auch in der Bürgerbeteiligung zur “KarLi” oder zu den Straßenbahn-Trassenvarianten in Probstheida.

Zwei neue Anträge für mehr Transparenz

Um die Sache aber für die Leipziger transparenter zu machen und auch zu fest verankerten Instrumenten, hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nun zwei Anträge mit den Titeln „Fortschreibung der „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung in der Stadt Leipzig“ – Bürgerbeteiligungssatzung“ und „frühzeitige Informationen durch Einrichtung einer zentralen Vorhabenliste“ ins Verfahren eingereicht.

Sie waren auch Kernpunkte des bündnisgrünen Kommunalwahlprogrammes von 2014.

Der Hintergrund:

Die „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung in der Stadt Leipzig“ wurden seit 2009 auf Grundlage eines Stadtratsbeschlusses in öffentlichen Diskussionen und vom Arbeitskreis Bürgerbeteiligung des „Forums Bürgerstadt Leipzig“ entwickelt. Im Juli 2012 gab der Oberbürgermeister dem Stadtrat die Ergebnisse als Informationsvorlage „Bürgerbeteiligung – weiteres Vorgehen“ zur Kenntnis. Gleichzeitig initiierte der Oberbürgermeister das Beteiligungsprojekt „Leipzig weiter denken“.

Folgende Fragen will die  Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Evalutionsverfahren klären lassen:

  • Wie gelingt die Umsetzung der Leitlinien zur Bürgerbeteiligung er den gesetzlichen Rahmen hinaus im konkreten Fall?
  • Welche Schwächen offenbaren die derzeitigen Leitlinien zur Bürgerbeteiligung?
  • Wird frühzeitig, verständlich und transparent über ein Beteiligungsverfahren informiert?
  • Werden Handlungsspielräume und Beteiligungsgegenstände zu Beginn klar kommuniziert?
  • Wie ergebnisoffen sind Beteiligungsverfahren?
  • Wie kann die Planung von Beteiligungskonzepten im Hinblick auf Mehrarbeit in den Fachämtern (Personalbesatz), zeitliche Verzögerungen im Ablauf und unter dem Gesichtspunkt von entstehenden Beteiligungskosten optimiert werden?
  • Wie können Beteiligungsinteressierte und bislang nicht erreichte Bevölkerungsgruppen dauerhaft und mehrstufig in den Prozess eingebunden werden?
  • Ist die Rolle der Koordinierungsstelle genügend verdeutlicht?

Das sind alles schon Fragen, die in einem Prüfbericht auftauchen sollten (neudeutsch: Evaluation). Denn wenn man weiß, was gut funktioniert hat und was nicht, kann man den Umgang mit Bügerbeteiligung ja neu steuern und auch noch verbessern. Ist ja nicht so, dass Leipzig seitdem bundesweit berühmt geworden ist für seine besonders exzellente Bürgerbeteiligung. Alle Kommunen arbeiten an dem Thema, wohl wissend, dass es genug Akteure im Land gibt, die das Thema Transparenz und ehrliche Politik allerweilen torpedieren.

So spricht sich die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen – aufbauend auf den geforderten Evaluationsbericht – für ein partizipatives, mehrstufiges und ergebnisoffenes Beteiligungsverfahren aus, um die „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung in der Stadt Leipzig“ fortzuschreiben und eine Bürgerbeteiligungssatzung zu erarbeiten.

Die aktuelle Bürgerbeteiligung ist noch nicht bindend

“Die Leitlinien wurden damals als Dienstanweisung des Oberbürgermeisters formuliert”, erinnert sich Tim Elschner. ” Eine empfehlende Handlungsanweisung ohne bindenden Charakter. Deshalb werben wir für eine Bürgerbeteiligungssatzung, die objektives Recht und zu einer größeren Verbindlichkeit führen würde. Außerdem wollen wir, dass neben einer Bürgerbeteiligungssatzung diesmal auch die Leitlinien zur Bürgerbeteiligung von der Ratsversammlung beschlossen werden. Denn damit würden Oberbürgermeister und Stadtrat den Leipzigerinnen und Leipzigern gegenüber signalisieren, dass zum Thema Bürgerbeteiligung nun endlich ein von allen Akteuren getragener Grundkonsens gefunden wurde, denn diesen, das zeigt die Erfahrung leider auch, gibt es bislang noch nicht.”

Die Grünen-Fraktion spricht sich deshalb auch für eine zentrale Vorhabenliste ähnlich dem Heidelberger Vorbild aus.

“Denn obwohl die Stadt Leipzig bereits in vielfältiger Weise Informationen über Vorhaben öffentlich darstellt, ist es oft schwierig, sich frühzeitig zu informieren”, findet Elschner. “Eine zentrale Vorhabenliste würde eine neue Form von Transparenz und Sichtbarkeit produzieren, indem sie frühzeitig, übersichtlich, verbindlich und barrierefrei durch Kurzdarstellungen Bürgerinnen und Bürger aber auch städtische Gremien über gesamtstädtische oder stadtteilbezogene Vorhaben informiert. Der Clou dabei: In Heidelberg werden zentrale Überlegungen zu geplanten Vorhaben spätestens drei Monate vor der Erstberatung in den städtischen Gremien öffentlich gemacht. Sicherlich: Leipzig ist einiges größer als Heidelberg, doch bei vorhandenem politischen Willen und einer offenen Stadtverwaltung, wäre die Idee der zentralen Vorhabenliste auch auf unsere Stadt übertragbar. Da bin ich mir sicher!“

Grünen-Antrag zur Fortschreibung der “Leitlinien zur Bürgerbeteiligung in der Stadt Leipzig” als pdf zum Download.

Grünen-Antrag zur zentralen Vorhabenliste als pdf zum Download.

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