Drei Gedanken zum Abgesang von Legida/Pegida: 1. Legida/Pegida haben sich selbst zerlegt. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das Betrugsmanöver der rechten Rattenfänger durchschaut. Nicht Sorgen und Ängste „des Volkes“ sind Ausgangspunkt der sogenannten „Bewegung“. Vielmehr versuchte nach dem Niedergang der NPD ein Rechtskartell in Sachsen wieder Fuß zu fassen. In Leipzig konnte dieser Versuch im Keim erstickt werden – wenn auch der zeitliche, kräftemäßige und finanzielle Aufwand für den Einzelnen wie für die Stadtgesellschaft höchst ärgerlich sind.
Dennoch: der Einsatz hat sich gelohnt und war notwendig. Allen, die dazu beigetragen haben, dass Legida/Pegida in Leipzig keine Chancen haben, sei sehr herzlich gedankt. Die Menschen- und Lichterkette um den Ring am kommenden Montag nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche soll noch einmal verdeutlichen: Wir wollen in dieser Stadt in Frieden zusammenleben.
2. Leider wurden die eindrucksvollen Demonstrationen und Kundgebungen der unterschiedlichen Initiativen für ein weltoffenes Leipzig in den vergangenen Wochen von Gewaltakten sogenannter autonomer Gruppen oder Einzelpersonen überschattet. Diese Gruppen müssen endlich einsehen: Ihre verwerflichen Gewaltaktionen können keine politische Rechtfertigung finden. Denn was sie anrichten ist weder „links“ noch dient es den Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Die Gewaltakte sind kriminelle Taten und müssen strafrechtlich verfolgt werden.
Wer für mehr Demokratie und Freiheit, wer für das friedliche Zusammenleben der Verschiedenen, wer für eine menschenwürdige Aufnahme der Asylbewerber eintritt, kann dies nur gewaltfrei tun. Darum hat es zu keinem Zeitpunkt und darf es keinerlei gemeinsames Wirken mit diesen Gruppierungen geben.
3. Jetzt bleibt die Aufgabe, Tag für Tag sehr konkret für die Ziele einzutreten, die uns in den vergangenen Wochen zusammengeführt haben: das Grundrecht auf Asyl, eine Willkommenskultur für Menschen, die bei uns Zuflucht und ein neues Zuhause suchen; eine multikulturelles und multireligiöses Zusammenleben; eine demokratische Streitkultur; eine aktive Teilnahme aller an der gesellschaftlichen Entwicklung. Für diese Ziele und Aufgaben gilt es auch diejenigen zu gewinnen, die gehofft hatten, Legida/Pegida würden sich für ihre Interessen, für ihre Sorgen und Ängste einsetzen.
Sie gilt es davon zu überzeugen: ein angstfreies Zusammenleben erreiche ich nicht über Ausgrenzung, sondern nur mit den Menschen, denen ich mit Vorbehalten begegne. Und schließlich haben wir zu bedenken: Die monatelange Hetze von Legida/Pegida gegen Asylbewerber als Sozialschmarotzer, die zunehmenden Anfeindungen, denen Menschen ausgesetzt sind, die rein äußerlich als Ausländer erkennbar sind, und die allzu zaghaften Reaktionen vieler Politiker gerade in Dresden auf Legida/Pegida haben jetzt schon großen Schaden angerichtet.
Denn viele Ausländer haben das Gefühl vermittelt bekommen: Ohne euch wäre alles viel leichter. Diese Sündenbockmentalität muss schnellstens überwunden werden.
Es gibt 2 Kommentare
Hallo Herr Wolff,
vielen Dank für die Zeilen, die auch mir aus dem Herzen sprechen.
Viele meiner Freunde hatten ihre Wiege in anderen Ländern stehen. Ich persönlich kann mich darüber nur wundern, wie man auf den Gedanken kommen kann, Menschen (und das ist der Kerngedanke, wir sind alle nur Menschen), die aus anderen Ländern kommen, deren Eltern aus anderen Ländern kommen, die eine andere Sprache sprechen, die homosexuell sind, einem anderen Glauben angehören etc. herabwürdigen kann. Meine Freunde suche ich mir nach Sympathie und nach nichts anderem aus.
Keiner aus dem “braunen” Umfeld kann sich rühmen, auf etwas stolz zu sein, worauf er keinen Einfluss hatte – ich zumindest kann mich nicht erinnern, durch gute Taten oder irgendeine andere Art von Belohnung Deutsche geworden zu sein… Genausogut wäre ich auf jedes Land stolz, was ich als meine Heimat betrachte und lade jeden anderen gerne ein, im “meinem” Land zu leben und willkommen zu sein. Wie furchtbar muss es sein, aus einem Land aus politischen oder sozialen Gründen zu fliehen und gleich zu hören: “Ausländer raus”???
Gerne erinnere ich mich an ein Bild in der ehemaligen Mensa der Uni, das zwei Eier zeigte, eins weiß, das andere braun, darunter der Spruch: “Ich bin anders!” – “Ich auch!”
Also, bitte lernt eure Mitmenschen erst kennen, bevor ihr sie ablehnt, alles andere ist ein Armutszeugnis.
Mir ist es beim Beginn dieser Pegida-/Legida-Aktionen schlecht geworden, weil ich zu der Zeit gerade ein Buch (Bernd-Lutz Lange, “Davidstern und Weihnachtsbaum – Erinnerungen von Überlebenden”) las, in dem Leipziger Juden zu Anfang des Dritten Reiches zitiert wurden, einer sagte über die braunen Horden sinngemäß: “Das sind irregeleitete Menschen, das hört schon von selbst wieder auf…”
Wer für mehr Demokratie und Freiheit, wer für das friedliche Zusammenleben der Verschiedenen, wer für eine menschenwürdige Aufnahme der Asylbewerber eintritt, kann dies nur gewaltfrei tun. Darum hat es zu keinem Zeitpunkt und darf es keinerlei gemeinsames Wirken mit diesen Gruppierungen geben.
Auch Sie Herr Pfarrer i.R. haben es leider versäumt rechtzeitig vor diesen “Kräften” zu warnen, für die gleich nach der Wiedervereinigung Quartiere zur Verfügung gestellt wurden. Nun werden auch Sie die Geister nicht mehr los, die man doch lautstark gerufen hat. Alles schon vergessen? Nicht immer nur auf andere zeigen, denn der liebe Gott sieht alles!
Ich habe mir übrigens (telefonisch) viel Mühe gegeben, um Sie zu sensibilisieren darüber nachzudenken, dass es doch um wesentlich mehr Themen und Probleme geht, als um Asylpolitik. Ihre Reaktion hat mit gezeigt, dass Sie nur einen Weg kennen. Dabei sind doch die Wege des Herrn unergründlich.
Sehr sachliche Gespräche habe ich diesbezüglich übrigens mit obersten Kreisen der Kirchen in Sachsen geführt (u,a, in Meißen). Ich war darüber erstaunt, aber nicht verwundert. Auch mein Buch durfte ich dem Bischoff empfehlen.
Fazit: Etwas mehr Fingerspitzengefühl würde auch Ihnen gut tun.