In Berlin wurde am 8. August geprobt, in Leipzig, Bonn, Jena und Köln am Samstag, 9. August: Der BUND hatte aufgerufen, schon einmal für die Anti-Kohle-Kette zu proben, die am 23. August in der Lausitz dann mit tausenden Teilnehmern Realität werden soll. Nicht nur in der Region Leipzig geraten immer wieder Dörfer in Gefahr, abgebaggert zu werden, weil neue Abraumfelder aufgeschlossen oder erweitert werden. In der Lausitz sind akut zwei sorbische Dörfer bedroht.

Zwischen Kerkwitz und Grabice wird die Menschenkette gegen Kohle stattfinden. Gerade erst hat die sächsische Landesregierung den Aufschluss von Nochten II genehmigt. Seit Jahren schon hat sich Sachsens Energiepolitik auf maximal mögliche Braunkohleförderung und die Kohleverstromung versteift, fährt hingegen gegen Windkraftanlagen immer größere Geschütze auf. Stets mit der Behauptung, Kohlestrom würde die Grundlast absichern oder gar noch billiger sein als Strom aus anderen Quellen. Was aber nur zutrifft, wenn man all die milliardenschweren Subventionen für Kohleabbau ignoriert.

Damit wird in Sachsen besonders scharf ein wirklich zukunftsfähiger Umbau der Energiewirtschaft ausgebremst, werden Beschlüsse gefasst, die Kohleabbau sogar über die derzeit geltenden Genehmigungen für Kraftwerke und Tagebaue über die Jahre 2030 und 2040 hinaus ermöglichen. Was für die Sachsen bedeutet, dass sie im Bundesvergleich das höchste CO2-Pro-Kopf-Aufkommen von 14 Tonnen im Jahr haben. Auch wenn gern von effizienten modernen Kohlekraftwerken gesprochen wird, bleibt Kohle der Brennstoff mit dem höchsten CO2-Wert in der Emission. Ein Unding in Zeiten des Klimawandels.

Selbst der jüngste Bericht der TU Dresden für das Sächsische Umweltministerium untermauerte, dass der Klimawandel in Sachsen längst spürbar ist – mit deutlich zunehmenden Starkregenereignissen in den Sommermonaten.

“Die Forschungsergebnisse der Experten vom Institut für Meteorologie um Prof. Christian Bernhofer zeigen vor allem eines: Sachsen ist einer der Top-Klimasünder im internationalen Vergleich und ist verpflichtet, etwas dagegen zu tun”, stellte dazu am 5. August Volkmar Zschocke, Vorsitzender der sächsischen Grünen, fest. Keine Überraschung, dass bei der Anti-Kohle-Kette-Probe am Samstag, 9. August, in Leipzig auch die Leipziger Spitzenkandidaten zur Landtagswahl mitmachten – Claudia Maicher und Jürgen Kasek. Unterstützt von Gisela Kallenbach, die den sächsischen Umweltminister als neugierige Landtagsabgeordnete immer wieder mit Fragen löcherte.
“Der von Prof. Bernhofer dargestellte Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur sowie die Zunahme von Starkregenereignissen im Freistaat, insbesondere im Sommer, verursachen große Schäden. Dies war erst in den vergangenen Tagen wieder deutlich zu sehen. Weiteres Zögern und Zaudern beim Klimaschutz kostet Geld”, benennt Zschocke ein Problem, das in der sächsischen Regierungspolitik nie mit ihrer Haltung zu den Kohlekonzernen zusammen gedacht wird. Denn Klimawandel heißt dann eben auch: Ein baldigst möglicher Umbau der Landwirtschaft für die neuen Bedingungen (der noch nicht einmal begonnen hat), und ein anderer als der bislang gepflegte reine technische Hochwasserschutz. Denn selbst wenn die gigantischen Deiche halten, vermelden die Kommunen (wie im Sommer 2013) nach der Flut wieder Milliardenschäden.

“Umweltminister Frank Kupfer (CDU) muss angesichts dieser Ergebnisse endlich anfangen zu denken und zu handeln. Dafür wird er bezahlt. Forschung und Anpassung an den Klimawandel sind wichtig, aber sie reichen bei weitem nicht aus. Wir müssen uns mit der klimaschädlichen Braunkohle auseinandersetzen”, forderte Zschocke. “Als reiches Industrieland muss Sachsen beim Klimaschutz vorangehen. Der Braunkohleausstieg ist auf diesem Weg der wichtigste Schritt. Der komplette Umstieg auf Erneuerbare Energien im Wärme- und Stromsektor ist technisch und ökonomisch möglich. Doch nur, wenn wir ihn auch politisch angehen, können wir auf europäischer und internationaler Ebene als glaubwürdige Partner auftreten. – Wir in Sachsen müssen von unseren 14 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr runter und zwar schnell. Die Menschen in den von Wetterextremen betroffenen Gebieten haben ein Recht auf Klimaschutz.”

In der Lausitz ist es vor allem der schwedische Konzern Vattenfall, der noch weit über das Jahr 2050 hinaus Kohle abbauen und verstromen will. Das Zögern des Konzerns, aus seinen Kohlekraftwerken auszusteigen, war nur kurz. Denn in der Europapolitik setzten sich die Kohlelobbyisten durch und verhinderten die notwendige Verknappung der CO2-Zertifikate. Nur durch deren Verknappung und Verteuerung würde sich der Preis für den Umweltschaden, den das Kohlendioxid anrichtet, auch im (Kohle-)Strompreis niederschlagen: Er wäre nicht mehr der billigste Strom am Markt, die Rentabilität der Kohlekraftwerke würde sich verschlechtern. Doch derzeit ist Kohleverstromung sogar die lukrativste Art, am Strommarkt Geld zu verdienen. Erst recht, seit die ersten Atomkraftwerke vom Netz gegangen sind. Die wichtigsten Grundlagen der Energiewende wurden auf den Kopf gestellt.

Und die Bedrohung für Dörfer in Mitteldeutschland lebt erneut auf. Nicht nur in der Lausitz. Im Leipziger Südraum ist Pödelwitz bedroht, im Raum Lützen sind acht Dörfer durch das geplante Kraftwerk Profen der Mibrag bedroht.

Zwar hatte sich der BUND Leipzig so viele Teilnehmer an der Probe-Anti-Kohle-Kette gewünscht, dass man vom Leipziger Markt bis zum Augustusplatz gestanden und Flagge gezeigt hätte. Ganz so viele Aktivisten fanden sich dann bei schwül-warmen 27 Grad dann doch nicht zur Probe ein. Aber immerhin kam man von der Petersstraße bis zu Sport-Scheck. Torben Ibs vom BUND Leipzig zeichnete zum Auftakt noch einmal die Vision, die eigentlich hinter der Energiewende steht – eine neue Energielandschaft mit vielen kleinen, dezentralen Energieerzeugern, die vor allem alternative Energiequellen nutzen. Während Politiker gern über Grundlast und ihre Sicherung schwadronieren, haben die großen Konzerne als erste begriffen, dass das Ganze natürlich ein Konzept ist, dass ihr Jahrzehnte lang gepflegtes Monopol bei der Stromerzeugung bricht. Wenn jedes Dorf und jedes Stadtwerk eigene Energie produziert, wenn es intelligente Speicher und Netze gibt, braucht es nicht mehr die großen, zentralen Kraftwerkkolosse, die den Markt dominieren.

“Besonders die schwarz-gelbe Landesregierung in Sachsen verfolgt mit dem geplanten Ausbau der Braunkohle und gleichzeitigen Behinderung der Erneuerbaren Energie etwa durch die Mindestabstände bei Windrädern eine rückwärtsgewandte Energiepolitik”, kritisierte Ibs. “Dass für die Energiegewinnung aus Braunkohle, dem klimaschädlichsten Energieträger überhaupt, weiterhin Menschen umgesiedelt werden sollen, um Dörfer, Kirchen und Kulturlandschaften zu zerstören, ist ein Skandal und einem demokratischen Rechtsstaat unwürdig.”

Sachsen hätte beim Umbau der Energielandschaft durchaus den Vorreiter spielen können. Auch an den Hochschulen gibt es wichtige Forschungsprojekte zum Thema. Doch die bisherige Regierung hat lieber alte Politik gemacht mit den ihr politisch vertrauten Strukturen.

Deswegen sieht der BUND auch bei der kommenden Landtagswahl die Chance, dass die Wähler sich mit ihrer Stimme entscheiden können für eine andere Energiepolitik.

Der 23. August in der Lausitz jedenfalls soll ein Zeichen setzen. Für die Leipziger Teilnehmer fährt am 23. August gegen 9 Uhr ein Zug vom Hauptbahnhof ab.

Anmelden kann man sich dafür unter www.bund-leipzig.de/menschenkette. Ticketpreis: 9 Euro.

Mehr Informationen zur Antikohle-Kette:
www.humanchain.org/de/menschenkette/strecke

Die Positionen der Parteien zur Landtagswahl zum Thema Kohle hat auch die Verbraucherzentrale in ihren Wahlprüfsteinen abgefragt:
www.verbraucherzentrale-sachsen.de/landtagswahl

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