Eine bessere Welt nicht nur zu denken, sondern auch zu erstreiten hat sich Katja Splichal mit ihren Freundinnen aufgemacht und sich neben "Leipzig - Souverän genug für Vielfalt!" auch bei "Putinmyass - To Russia With Love" engagiert. Im November bieten die Zeitenradrückwärtsdreher von Compact die Vorlage ein Signal zu geben, dass Leisewegducken schon immer auch Zustimmen war. Hier der zweite Teil des Interviews.
Was habt Ihr aber nun geplant um Eure Compact-konträre Position in die Öffentlichkeit zu bringen, um “denen” nicht das Feld zu überlassen durch unterlassen?
Obwohl noch nicht alles festgezurrt ist, stehen die Eckpfeiler zweier Aktionstage am 22. und 23. November. Am Freitag wird es eine Konferenz geben, die sich der brennenden Themen der sogenannten “Souveränitätskonferenz” annimmt und eine pluralistischere Sichtweise auf die Themen der Neuen Rechten einnehmen wird. Es wird Demonstrationen in Schkeuditz und Leipzig geben, eine politische Kundgebung auf dem Augustusplatz, eine Mahnwache zum Gedenken an die Opfer der Verfolgung Homosexueller in Russland und auf der Welt, dazu Videoinstallationen, die gerade in Zusammenarbeit mit der Russischen Organisation “Error404 – Russlands verlorene Kinder” und einigen Aktivisten aus Moskau entstehen.
Uns ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig, denen eine Stimme zu geben, die im öffentlichen Diskurs in Russland nicht mehr vorkommen dürfen und hier einer Bühne bedürfen, gehört werden müssen. Hinschauen und zuhören, das ist im Wesentlichen alles, was wir im Moment tun können – das und nicht aufhören, uns zu empören, wenn Minderheiten drangsaliert werden.
Sobald die Programmpunkte für die beiden Tage verbindlich stehen und alle involvierten Organisationen wie RosaLinde Leipzig e.V., der LSVD, Frauenkultur Leipzig e.V., J.u.n.g.S. Leipzig, das Referent für Gleichstellung und Lebensweisenpolitik des StuRa und viele andere ihr “Okay” gegeben haben, werden wir unter http://souverän-genug-für-vielfalt.de über alle Hintergründe, Aktionen und Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden berichten.
Wie können sich Menschen engagieren? Nicht nur in Leipzig, auch überhaupt.
Ich fürchte, unsere Möglichkeiten, aktiv etwas an den Zuständen zu ändern, sind sehr begrenzt. Von irgendwelchen Boykotten, beispielsweise der Winterspiele in Sochi nächstes Jahr, halte ich nichts, denn sie verhindern eine aktive Auseinandersetzung mit den Missständen vor Ort und unterbreiten in aller Regel keine Gegenvorschläge, keine Alternativen. Das allergrößte Pfund, mit dem wir wuchern können, ist eine breite mediale Präsenz, ein Angebot zum Austausch, das Sichtbarkeit schafft und vielleicht den Druck auf die Offiziellen im eigenen Land erhöht. Wir müssen über ein Asyl-Angebot für Homo- und Transsexuelle verhandeln und wir müssen unsere Regierung zwingen, konsequent Stellung zu beziehen im Kampf für Menschenrechte. Beck und Westerwelle reichen uns nicht.
Überall auf der Welt hat sich die Selbstmordrate unter Jugendlichen mit nicht-heteronormativen Gefühlen und Lebensweise drastisch erhöht und das darf uns in unserem relativen Gleichstellungsparadies hier nicht egal sein. Das erste, was der Community hilft, ist es, als solche wahrgenommen zu werden, in den Medien vorzukommen, Vernetzung zu erfahren und Widmung zu erleben.
Egal in welcher Form, ob mit dem Unterzeichnen von Petitionen, der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, der Unterstützung der Belange in Sozialen Netzwerken, wir müssen das Vorgehen gegen Diskriminierung zu unserem Anliegen machen – jemand Anderes tut es nicht für uns. Niemand hindert uns, Mahnwachen vor Russischen Botschaften und Konsulaten abzuhalten, einen offenen Brief zu verfassen, einen Aufkleber auf unser Fahrrad zu pappen oder eine Regenbogenfahne an Putins Facebook-Seite zu pinnen. Das sind Kleinigkeiten, aber ein paar Millionen Kleinigkeiten weltweit helfen mit, hunderttausend Betroffenen zu zeigen, dass Sie nicht allein sind. Auf unserer Facebook-Seite informieren wir regelmäßig über Wissenswertes und auch Schönes aus Russland sowie über die Aktionstage im November. Save the date! Knapp 800 Leute sind schon angemeldet und irgendetwas sagt mir, dass wir gut 1.000 werden können!
Wovor haben die Organisatoren der CompactShow eigentlich Angst? Oder ist’s das große Geldverdienen mit den Ängsten der Menschen?
Tanners Interview mit Katja Splichal (Leipzig – Souverän genug für Vielfalt!): Die meinen das ernst! Teil 1
Da denkt der aufgeklärte Leipziger …
Ich glaube nicht, dass Angst das bestimmende Thema ist, und wenn doch, dann nur die Angst vor Bedeutungslosigkeit. Es muss heutzutage, mit all der Diversität, den vielen aufgeklärten Menschen und einer von den sozialen Medien geprägten Aufmerksamkeitsökonomie schon schwierig sein, überhaupt noch Gehör zu finden. Für Menschen mit einem starken Bedürfnis nach Wahrgenommenwerden und Zugehörigkeit bleibt da eigentlich nur der Weg in die permanente Provokation, um überhaupt stattzufinden.
Sarrazin, Elsässer, Hermann.. das sind ja keine Idioten sondern nur arme Suppen. Das sind Leute, die nur stattfinden, solange sie andere ablehnen und ihre eigenes “Richtigsein” immer wieder betonen können, das sind Leute, die nur in einem Diskurs des Abgestoßenseins stattfinden und sich dennoch die Mühe machen, ihre Ansichten unter dem Deckmantel einer ehrlichen Besorgnis um “unser schönes Europa” zu verpacken. Wieso ist Europa eigentlich weniger schön, wenn wir Menschen nicht mehr nach Nationalitäten unterscheiden? Kann keiner der Referenten und keiner der Teilnehmer erklären, scheint aber dennoch ein zentrales Thema der publizistischen Aktivitäten, der Zeitschrift und der Konferenz zu sein. Mehr Deutsche, mehr Franzosen, mehr Russen – aber bitte immer nur bis zur Staatsgrenze, denn danach sind es ja “nicht-traditionelle Zuziehende” – kann man sich getrost an den Kopf fassen, denke ich.
Wie soll die Welt aussehen, in der Du gerne leben würdest und die es sich – auch ganz privat – zu erstreiten lohnt?
Ein weites Feld. Aber in aller Kürze: Eine Welt, für die es sich zu streiten lohnt, ist eine, in der gestritten wird! Mir sind solche Anlässe eigentlich heimlich ganz recht, denn sie bieten uns die Möglichkeit, mit viel mehr Menschen in Austausch zu kommen und darüber zu reden, wie wir für uns und die, die nach uns kommen (also all die Kinder, die in Europa fehlen werden, weil es die Homoehe gibt.. – schmunzel!) eine Welt gestalten, die Teilhabe, Selbstbestimmtheit, Verantwortung, Gesundheit, Liebe und Hoffnung ermöglichen. Klingt wie eso-liberalistisches Gequake, ist aber mein voller Ernst: wer sich selbst als Teil eines guten Ganzen begreift, wird alles tun, dieses Ganze zu erhalten – und wer das Ganze und seine vielfältigen Teile ablehnt, der hält eben Konferenzen ab, die beworben werden mit “nur so kann Europa überleben.” Ich wünschte, das wäre plakative Überzeichnung, ist aber leider ein Zitat.
Danke für Deine Antworten.
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