Ach sieh, das Gute liegt so nah? - Roland Mey, einst SPD-Stadtrat in Leipzig und beharrlicher Streiter für eine Würdigung der Opfer des 17. Juni 1953 - war verdattert. Wieder einmal, als er den Terminplan zu den bevorstehenden Gedenkfeiern anlässlich des 17. Juni 1953 las. Dass gefeiert wird, findet er gut. So muss es sein. Aber dass die Rathausspitze wieder einmal den Weg auf den Südfriedhof nicht findet, findet er beschämend.
Vor 60 Jahren fand in der DDR der erste Aufstand gegen die Diktaturen des kommunistischen Machtbereiches in Europa statt. Die Stadt Leipzig und das Bürgerkomitee Leipzig e. V. werden mit drei Veranstaltungen an dieses Ereignis erinnern. Mit einem Flyer wird zum 17. Juni 2013 eingeladen zu:
15.30 Uhr: Gedenkfeier mit Kranzniederlegung durch den Oberbürgermeister in der Straße des 17. Juni,
17.00 Uhr: Friedensgebet in der Nikolaikirche zu 60 Jahre Volksaufstand,
19.00 Uhr: Filmvorführung “Wir wollen freie Menschen sein” im Kinosaal der Gedenkstätte Museum in der “Runden Ecke”.
“Die Gedenkstätte mit Namenstafeln für die Leipziger Opfer des 17. Juni 1953 wird in der Einladung nicht erwähnt. Warum eigentlich?”, fragt Roland Mey, der in seiner aktiven Zeit als Stadtrat auch der Errichtung einer Gedenkstätte für die Opfer des 17. Juni 1953 in Leipzig zugestimmt hatte. Die Gedenkstätte gibt es bis heute nicht. Dass es die gestaltete Grabanlage auf dem Südfriedhof gibt, ist bislang nur ehrenamtlichem Engagement zu verdanken. Hingegen gibt es die Allee für die Funktionäre der DDR-Zeit auf dem Südfriedhof immer noch. Hier wäre Platz genug, tatsächlich eine Allee zum Gedenken aller Opfer von Gewaltherrschaften anzulegen. Doch dafür rührt sich kein Finger.
Wer die Gräber der Opfer von 1953 finden will, muss schon eine Weile suchen. “Diese Gedenk- und Grabstätte befindet sich auf dem Südfriedhof kaum auffindbar in unmittelbarer Nähe einer großen Kompostierungsanlage”, stellt Mey fest, und das sei augenscheinlich kein Ort für eine Kranzniederlegung durch den Oberbürgermeister der Stadt. “Noch nach 23-jährigem Ende der SED-Diktatur ruhen Täter bzw. deren Angehörige an repräsentativer Stelle im Ehrenhain des Südfriedhofes. Ihre Grabstätten werden dort noch immer auf Kosten der Steuerzahler aufwendig gepflegt. Dazu der bis heute nicht umgesetzte Stadtratsbeschluss vom 21. Oktober 1992 zur Umgestaltung dieses Ehrenhains. Nur wer das alles weiß, der versteht, warum der Oberbürgermeister die Toten des 17. Juni nicht an ihren Ruhestätten besuchen kann. Er müsste dafür den Kranz durch den Ehrenhain bis in die Nähe der Kompostierungsanlage tragen und dort hinter einem Gebüsch ablegen, was natürlich für einen Oberbürgermeister der Stadt Leipzig unzumutbar ist.”Nur scheinbar klingt das, was die Stadt Leipzig ihrer Einladung zu den Gedenkfeiern voranschickt, eindeutig und gesichert: “Seit 1945 gab es Widerstand gegen die Errichtung einer kommunistischen Diktatur im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands, der seinen ersten Höhepunkt vor 60 Jahren fand. Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der damaligen DDR zu Demonstrationen und Streiks von insgesamt mehr als einer Million Menschen. In Leipzig begannen die Arbeitsniederlegungen in einzelnen Betrieben – wie in Berlin – bereits am 16. Juni.
Am Morgen des 17. Juni marschierten Belegschaften von einigen Baustellen und Industriebetrieben ins Stadtzentrum. Wenige Stunden später zogen bereits mehrere zehntausend Menschen durch die Innenstadt. Nach friedlichem Beginn der Demonstrationen änderte sich das Bild im Verlauf des Tages. Mit dem Einsatz von Schusswaffen und der Verhängung des Ausnahmezustandes durch sowjetische Militärkommandanten wurden alle Hoffnungen auf Veränderungen zerstört. Neun Tote und mindestens 95 Verletzte waren im Bezirk Leipzig zu beklagen.”
Das klingt geradeso, als hätte da gleich im Mai 1945 eine Widerstandsbewegung begonnen, die in den Streiks vom 16. und 17. Juni 1953 einfach gipfelte. Und die Zahlen für die am 17. Mai Beteiligten sind reine Schätzungen, die zwischen 400.000 und 1,5 Millionen schwanken. Man kann sich Geschichte auch schön geradlinig denken. Und kurze Wege suchen zur Kranzniederlegung. Da braucht man dann den derzeitigen Zustand auf dem Südfriedhof nicht wahrzunehmen. Vielleicht ist es auch einfach eine moderne Art der Bequemlichkeit. An der Straße des 17. Juni stolpert man nicht über die unerledigten Aufgaben des Jahres 2013.
Eingeladen haben “anlässlich des 60. Jahrestages des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953” die Stadt Leipzig gemeinsam mit der Gedenkstätte Museum in der “Runden Ecke” und der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS).
Zur Kranzniederlegung am 17. Juni um 15:30 Uhr in der Straße des 17. Juni reden Oberbürgermeister Burkhard Jung, Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der “Runden Ecke”, Werner Schulz, Abgeordneter des Europäischen Parlaments und DDR-Bürgerrechtler, und Gisela Moltke als Zeitzeugin des 17. Juni 1953 in Leipzig. Die musikalische Umrahmung besorgen die Leipziger Blechbläsersolisten.
Ein Museumsgespräch zum Jahrestag des 17. Juni “Der Volksaufstand vor 60 Jahren” gibt es schon am Donnerstag, 13. Juni.
Ein Besuch auf dem Südfriedhof: Die Gedenkanlage für die Opfer der Gewaltherrschaft – und ein paar Namen zu viel
Das Wetter soll besser werden …
Vor 20 Jahren im Stadtrat (8): Ein noch immer nicht umgesetzter Beschluss
Es ist ein Stein gewordenes Stück Geschichte …
Vor 60 Jahren wurde die gesamte ehemalige DDR von einer Welle von Streiks erfasst. Leipzig gehörte zu den Zentren des Volksaufstands im Jahr 1953. In Gedenken an diesen bedeutenden Moment der DDR- und Leipziger Geschichte widmet das Stadtgeschichtliche Museum am Donnerstag, 13. Juni, um 18 Uhr sein Museumsgespräch dem Volksaufstand vom 17. Juni.
Durch einen Sammlungsaufruf im Jahr 2003 an die Leipziger Bevölkerung fanden viele historische Fotografien vom 17. Juni ihren Weg in das Museum. Diese beeindruckenden privaten Aufnahmen illustrieren das Gespräch, zeigen die demonstrierenden Menschen, brennende Gebäude, Soldaten und Panzer auf den Straßen der Stadt. Die Motive setzen sich zusammen zu einem fiktiven Rundgang und verfolgen den Weg der aufgebrachten Bevölkerung von der heutigen Straße des 17. Juni über den Brühl und Hauptbahnhof bis zum Markt.
Treffpunkt ist die Ausstellung Moderne Zeiten im 2. OG des Alten Rathauses. Der Eintritt ist frei.
www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de
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