Es wird voraussichtlich streitbar am 21. November in der Ratsversammlung. Denn dann steht der „Bau- und Finanzierungsbeschluss Prager Straße von An der Tabaksmühle bis Friedhofsgärtnerei“ auf der Tagesordnung. Welche Bauvariante hier verwirklicht wird, hat der Stadtrat eigentlich schon 2022 beschlossen. Doch inzwischen machen eine Bürgerinitiative, die Präsidenten der Wirtschaftskammern und die CDU mobil. Mit einem Änderungsantrag will die CDU-Fraktion das Projekt am Donnerstag stoppen.

Und mit den neuen Mehrheiten im Stadtrat ist völlig offen, wie das Ganze diesmal ausgeht. Denn nicht einmal dann, wenn die CDU-Fraktion mit ihrem Änderungsantrag durchkommt, ist das Problem gelöst. Denn es sind nicht die geplanten Radfahrstreifen, die den Verzicht auf eine Fahrbahn erzwingen, sondern es ist die Verbreiterung des Gleiskörpers für die Straßenbahn.

Knapper Straßenraum

Schon jetzt sind die Fahrspuren für den Kfz-Verkehr zu schmal. Wenn die Gleistrasse breiter wird, kann der Sicherheitsabstand zur Straßenbahn nicht mehr gewährleistet werden. Bereits dadurch schmilzt der Platz für die Fahrspuren. Die verbleibende Fahrspur für den Kfz-Verkehr soll überhaupt erst einmal auf das Normmaß drei Meter gebracht werden. Übrig bleibt eine sowieso zu schmale Fahrspur, die sich deshalb anbietet, zum Radweg umgewidmet zu werden.

In einer Stellungnahme zur Petition, die am Donnerstag ebenfalls eine Rolle spielen wird, hat das Mobilitäts- und Tiefbauamt detailliert dargelegt, warum man die Vorzugsvariante mit Radstreifen und Baumerhalt gewählt hat. Die Argumente, die jetzt in der Petition, von den Kammern und im CDU-Antrag vorgebracht werden, sind nicht neu. Doch sie beschwören wie schon 2022 das Gespenst eines ausgebremsten Kfz-Verkehrs.

Die zweite Wortmeldung der Wirtschaftskammern

„Keine vollendeten Tatsachen schaffen“
+++ Zum Umbau der Prager Straße: „Beschlussvorlage nicht konsensfähig“ +++ Kammern offen für einen inhaltlichen und ergebnisoffenen Dialog und streben Kompromiss an +++

Leipzig, den 15. November 2024 – Die Präsidenten der IHK und HWK zu Leipzig äußern sich weiterhin ablehnend zum geplanten Umbau der Prager Straße. Der „Bau- und Finanzierungsbeschluss Prager Straße von An der Tabaksmühle bis Friedhofsgärtnerei“, der den Stadträten am 21. November zur Beschlussfassung vorgelegt werden soll, sei nicht konsensfähig. Es gelte, die Abstimmung auszusetzen und einen Kompromiss zu erarbeiten, „der den Namen verdient“, so HWK-Präsident Matthias Forßbohm.

Man müsse die Anliegen der Wirtschaft ernst nehmen. Das Argument, wonach eine weitere Runde im Stadtrat das Projekt um Jahre verzögere, sei nicht sachbezogen. „Man darf jetzt keine vollendeten Tatsachen schaffen, die dem Verkehr in der Stadt auf Jahrzehnte hinaus zum Nachteil gereicht“, so IHK-Präsident Kristian Kirpal. Er tritt dafür ein, die Verkehrssicherheit vornan zu stellen, keine neuen Nadelöhre zu schaffen – und eine Lösung zu entwickeln, die sich aufs Wesentliche konzentriert und den Anforderungen aller Verkehrsteilnehmer gerecht wird.

Die Hauptargumente gegen die aktuelle Planung sind:

• Die Prager Straße ist eine wichtige Magistrale für den Wirtschaftsverkehr mit Pendlern, Handwerkern, Logistikern und weiteren Unternehmen. Als leistungsfähige Hauptachse aus dem südöstlichen Raum ist sie bisher durchgehend vierspurig.

• Würden die Fahrspuren verringert, käme es zu einem Nadelöhr bei sonst hoher Leistungsfähigkeit und somit hoher Nutzungsbeanspruchung.

• Weiterhin bestünde bei weniger Fahrspuren die Gefahr, das formulierte Ziel des Wirtschaftsverkehrsentwicklungsplans (WVEP), das heutige Geschwindigkeitsniveau im Wirtschaftsverkehr zu erhalten, unumkehrbar zu konterkarieren.

• Im WVEP soll auch das LKW-Vorrangnetz in Art und Führung definiert werden. Es ist zu erwarten, dass die Prager Straße Teil des Netzes ist, aber die notwendigen Anforderungen noch nicht definiert sind.

• Die Auswirkungen der aktuellen Planung auf den Wirtschaftsverkehr wurden nicht untersucht oder die Ergebnisse einer solchen Untersuchung nicht kommuniziert. Dies schafft Unsicherheiten bei den betroffenen Mitgliedsunternehmen und führt zu Widerständen.

• Die Variantenvielfalt bei der vorbereitenden Planung 2022 war bereits eingeschränkt und starr. Die lokalen Verkehrsströme und die notwendige Gleichbehandlung der einzelnen Verkehrsträger wurden nicht ausreichend berücksichtigt.

• Die Kammern sprachen sich als Kompromiss für die Variante 4 aus, bei der zumindest landwärts die Zahl der Fahrspuren erhalten bliebe. Diese Variante wurde nicht weiterverfolgt, ohne auf die Einwände der Kammern einzugehen.

• Die Führung der Rettungsdienste landwärts auf dem Radweg ist kritisch, da zum einen nicht sichergestellt ist, dass Fahrzeugführer nach links ausweichen und die Radspur genug Platz bietet, um z.B. an breiteren Lastenrädern sicher vorbeizufahren.

• Die fehlende Abbiegespur stadtwärts in die Kommandant-Prendel-Allee sowie die Fahrbahnverengung auf Höhe Friedhofsgärtnerei wirken sich negativ auf die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer und den Verkehrsfluss sowie die dort verkehrenden Buslinien aus.

• Die von den Kammern angemahnte Erweiterung der P+R-Kapazitäten in Probstheida und Meusdorf wurde weder umgesetzt noch geplant. Auch weitere Anreize fehlen, die erwarten lassen, dass der private Kfz-Verkehr zurückgeht.

Die Kammern sprechen sich dafür aus, den Umbau zügig umzusetzen und stehen für einen inhaltlichen und ergebnisoffenen Dialog zur Verfügung.

Das Zeitfenster schließt sich

Also alles noch einmal aufschnüren? Das dürfte dieses wichtige Bauprojekt um Jahre verzögern, obwohl dieses Nadelöhr aus ganz anderen Gründen dringend beseitigt werden muss, wie auch das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) in seiner Vorlage betont: „Die Maßnahme ist Bestandteil des Basismoduls Hauptachsen (Vorlage VII-DS-07679-DS01- NF04, Anlage 1 – Maßnahme i-19 Prager Straße, An der Tabaksmühle bis Friedhofsgärtnerei).“

An dieser Stelle kämen die neuen, breiteren Straßenbahnen nicht aneinander vorbei, die Gleise müssen also zwingend auseinander gelegt werden, sodass auf der hier verkehrenden Linie 15 ab 2026 die neuen Straßenbahnen auch durchgängig fahren können. Der Termin ist gesetzt. Ohne die Aufweitung kommen die neuen Straßenbahnen hier nicht aneinander vorbei.

Ein Punkt, den die CDU-Fraktion zumindest akzeptiert.

Für beide Verkehrsarten eigentlich zu schmal: der stadtauswärtige Fuß-/Radweg. Foto: Ralf Julke
Für beide Verkehrsarten ist er eigentlich zu schmal: der stadtauswärtige Fuß-/Radweg. Foto: Ralf Julke

Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion

„Es besteht Einverständnis darüber, dass der Einsatz der neuen Straßenbahnzüge auf der Prager Straße als Bestandteil des Basismoduls Hauptachsen zu gewährleisten ist“, schreibt die CDU-Fraktion in ihrem Änderungsantrag. Aber das bezieht sich nur auf den Teil des Projektes, in dem der Gleisabstand für die Straßenbahnen aufgeweitet werden soll: „Die notwendigen Gleiserweiterungen für den Einsatz der neuen Straßenbahnzüge werden realisiert.“

Doch schon in den nächsten Punkten werden alle anderen geplanten Veränderungen am Straßenraum gestrichen: „Auf die weiteren im Bau- und Finanzierungsbeschluss geplanten Eingriffe in den Straßenraum wird verzichtet. Die Anzahl der Fahrspuren von zwei je Richtung bleibt erhalten, wobei in den untermaßigen Bereichen die Markierung der zwei Spuren entfällt.“

Da werden die Leipziger Verkehrsplaner schon arg ins Grübeln kommen. Aber selbst der Vorschlag für die Radwege ist eher nach der Devise formuliert: Was lange so war, kann nicht schlecht sein. Oder in der Formulierung des CDU-Antrags: „Der Radweg stadteinwärts wird beibehalten, stadtauswärts teilen sich Fußgänger und Radfahrer den vorhandenen Geh- und Radweg.“

Staus und Schleichverkehre?

Diese Vorschläge begründet die CDU-Fraktion so: „Nicht vermittelbar ist die Reduzierung der zwei Fahrbahnen auf dann nur noch eine Fahrbahn für den motorisierten Verkehr. Insbesondere diese Straße ist durch Ein- und Auspendler stark frequentiert. Die aktuelle Verkehrsbelastung verlangt nach dem Regelwerk eine Zweispurigkeit.

Weiterhin besteht die Gefahr, dass bei Staus in den Stoßzeiten Schleichverkehre zunehmen, welche die umliegenden Wohngebiete belasten.

Auch wenn die Fahrbahnbreite eingeschränkt wird, ist grundsätzlich zweispuriger Verkehr möglich. In der Regel können sich zwei Pkws nebeneinander aufstellen. Vergleichbar der Berliner Straße würde an den untermaßigen Stellen auf die Einzeichnung von Spuren zu verzichten sein, damit die Verkehrsteilnehmer die Straßenaufteilung achtsam selbst vornehmen.

Für den Radverkehr ist besonders stadtauswärts ein attraktives Angebot in der Naunhofer Straße zu schaffen, um auch anstehenden Klagen gegen die Benutzungspflicht der Fuß-/Radweges entgegenzuwirken.“

Auch das eine alte CDU-Position: den Radverkehr überhaupt aus den Hauptstraßen herauszunehmen und auf Nebenstraßen zu verlagern. Was dann freilich wieder wenig mit dem ganz realen Verhalten von Radfahrern zu tun hat, die sich – genauso wie Autofahrer – nicht unbedingt nötigen lassen, große Umwege zu fahren, wenn eine Hauptmagistrale direkt in Richtung Innenstadt führt. Sicherer würde das den Radverkehr an dieser Stelle auf jeden Fall nicht machen.

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Es gibt 8 Kommentare

@Rudi:
” Wir haben heute Orte im Umland, die haben 3, 4 oder noch mehr Fahrten/Stunde direkt in Leipzigs Innenstadt.”
Das dürften nur Halle, Markkleeberg und Böhlen sein. Oder irre ich mich da.

@György
Das sehe ich doch wie Sie. Auch ich bin für den geplanten Ausbau.
Dies sprach ich nur an, weil der CDU-Antrag nun dieses Argument (P+R) nutzte.
Ich finde es unredlich, neben diesem Riesenvorhaben dann auf einmal zu sagen, für diesen P+R-Parkplatz, der zum Konzept gehört, sind keine Ressourcen vorhanden.
Damit hat die Stadt zudem der CDU wunderbare Argumente geliefert.

@radograph
Das ist tatsächlich ein berechtigter Hinweis; bei so viel Kfz/Tag sind die wenigen Parkplätze eher ein Homöopathikum.
Trotzdem ist es äußerst schwach, dass nicht mal diese angekündigten Stellflächen geschaffen wurden.

Der Ausbau von alternativen Verkehrsmitteln zum MIV ist in Leipzig halt schwierig.
Ein Status quo soll aus Sicht der KfZ-Lobby unbedingt erhalten werden.

Mal am Rand:
Wenn ich als Pendler weiß, dass die Straßen nur begrenzt Platz für sämtliche PKW zur gleichen Zeit bieten, dann passe ich vielleicht meine Fahrzeiten an.
Allein am Wirtschaftsverkehr krankt diese Straße bestimmt nicht.

@Christian
aber gerade die Vorzugsvariante für den Umbau der Prager Straße tut doch genau das: er nützt allen Verkehrsarten des Umweltverbundes:
– breitere und in Zukunft einheitlich breite Fahrzeuge für den ÖPNV
– endlich separierte Streifen für den Radverkehr
– Fußverkehr endlich ohne Störung durch den Radverkehr

Zumal wird mit dem “Liniennetz der Zukunft” die Kapatität von Tram und Bus leipzigweit um bis zu 20% erhöht! Da tut sich einiges.

Ich finde es unredlich, immer zu fordern, der ÖPNV solle zuerst ausgebaut werden, und andererseits dann bei Abwägungen pro Auto und kontra Umweltverbund zu argumentieren.

Einen Acker als Park-&-Ride-Platz zuzubauen wird sicher nicht die Lösung zur Entlastung der Prager Straße sein. Die markierte Teifläche soll, so ich mich richtig an die Präsentation in SBB erinnere, nur eine zweistellige Zahl von Stellplätzen bieten können. Bei Querschnittsbelastungen von 20000-24000 KFZ/Tag je nach Abschnitt wird eine Entlastung um max. 200 Fahrten/Tag kaum spürbar sein. Angebots- und Taktverdichtungen im ÖPNV-Angebot (inkl. Bike & Ride) auf den Einpendlerrelationen sowie verbesserte Radverkehrsbedingungen im Binnenbereich haben deutlich größeres Potential.

Es ist unseriös stets darauf zu verweisen, dass man erstmal den ÖPNV ausbauen sollte, bevor man Straßen unbauen kann.
Es ist 2013 mit dem S-Bahnnetz ein Milliardenprojekt in Betrieb gegangen. Wir haben heute Orte im Umland, die haben 3, 4 oder noch mehr Fahrten/Stunde direkt in Leipzigs Innenstadt. Man tut aber gern so, als hätte sich seit 30 Jahren nichts getan.
Sehr schön auch immer wieder die Leute, die mit dem Auto einmal quer durch Leipzig fahren statt auf den Autobahnen ringsrum und sich dann darüber aufregen, dass es so lange dauert.

Ich halte es taktisch für unschlau, die Leistungsfähigkeit der Prager Straße – nachvollziehbarerweise – zu begrenzen, stattdessen auf den ÖPNV und seine periphere Infrastruktur zu verweisen, aber dann diese nicht im selben Atemzug entsprechend anzupassen.
Da muss man priorisieren und so planen, dass das dann ungefähr zeitgleich oder sogar davor geschieht!

Wer dann nicht umsteigt, sich in den Stau stellt und rumschimpft, ist dann selbst schuld.

Es ist das gleiche Dilemma wie beim Deutschlandticket:
Man senkt die Schwelle zum Mitfahren, aber das ÖPNV-System ist technisch noch gar nicht so weit, um das alles tragen zu können.
Wien hat das z.B. anders gemacht.

@Christian
> “Dafür sind zurzeit weder personelle noch finanzielle Kapazitäten vorhanden.”
Da braucht man sich tatsächlich über Kritik nicht wundern und schießt sich als Stadt selbst ins Knie.”

Und was wäre Ihre Lösung? Warten, bis man die finanziellen und personellen Ressourcen hat?

Btw: Der P + R- Platz hat m.E. eine eher geringe Priorität was die Einpendlerströme betrifft. Wenn wir realistisch sind, steigt kaum ein Pendler an einem P+R-Platz auf die Öffentlichen um. Im Wesentlichen aus Bequemlichkeit, aber auch aufgrund fehlenden Parkdrucks.

Interessant: einen WVEP kenne ich gar nicht.
Steht da drin, wie die jetzigen Verkehrsflächen zukünftig für den Wirtschaftsverkehr aufgeteilt werden sollen?
Denn es müssen ja immer mehr Autos und PKW fahren, schon allein wegen der Pendler in den Speckgürteln…

Was ich tatsächlich eklatant schlimm und armselig finde, ist folgender Wortlaut aus der Vorlage VII-DS-09870-NF-01 zum P+R-Platz:

“Die Untersuchungen für einen P+R-Platz in Meusdorf haben ergeben, dass dafür ausschließlich eine Fläche sinnvoll erscheint. Diese befindet sich auf einem Feld südlich der Haltestelle Roseggerstraße nordöstlich der Prager Straße. Für die Herstellung eines P+R Platzes auf dieser Fläche wäre zunächst Baurecht zu schaffen und Grunderwerb zu tätigen. Hierfür wäre eine Änderung des bestehenden Flächennutzungsplans und ein Bebauungsplan erforderlich.
Dafür sind zurzeit weder personelle noch finanzielle Kapazitäten vorhanden.”

Da braucht man sich tatsächlich über Kritik nicht wundern und schießt sich als Stadt selbst ins Knie.

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