Die Insolvenz der Imfarr hat schon einige Male in letzter Zeit für eine gewisse Aufregung in der Mediensuppe gesorgt. Meist mit sehr reißerischen Schlagzeilen. Und mit der Behauptung, die Stadt wäre dadurch in irgendeiner Weise geschädigt. Eine Aufregung, die am Abend des 21. November in der Ratsversammlung nicht einmal die vertretenen Fraktionen teilten, die sich zuvor bei anderen Themen heftig beharkt hatten. Am Freitag, dem 22. November, musste die Stadt nun die folgende Medienberichterstattung offiziell berichtigen.
„Aufgrund der Insolvenz der Imfarr Beteiligungs GmbH sind der Stadt Leipzig keine finanziellen Schäden rund um das Projekt am ehemaligen Eutritzscher Freiladebahnhof entstanden, entgegen anderslautender Berichterstattung in den Printmedien. Der Stadt fehlt hierdurch lediglich eine Absicherung“, teilte das Dezernat Stadtentwicklung und Bau mit.
Denn: „Vorhabenträger und somit Vertragspartner der Stadt beim Projekt ist die Leipzig 416 GmbH. Die Imfarr Beteiligungs GmbH wiederum hat sich mit einer sogenannten Patronatserklärung verpflichtet, die Leipzig 416 GmbH jederzeit mit ausreichend Kapital auszustatten, damit diese ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Stadt erfüllen kann. Richtig ist, dass die Stadt erst dann einen Anspruch und mithin einen Schaden hat, wenn die Leipzig 416 GmbH diesen nicht nachkommt. Diese zwingende Voraussetzung ist derzeit nicht erfüllt.
Abgesichert waren die Erschließungsverpflichtungen, mögliche Vertragsstrafen sowie die Rückkaufsverpflichtung der Leipzig 416 GmbH bei vertragswidrigen Grundstücksveräußerungen. Im Insolvenzverfahren anerkannt ist die bedingte Forderung für Erschließungsleistungen einzelner Bauabschnitte.“
Verlockende Zahlen
Aber wie kam es dann zur falschen Berichterstattung? Wohl durch sehr oberflächliches Überfliegen der Verwaltungsvorlage, die am Donnerstagabend von der Ratsversammlung einstimmig angenommen wurde. Darin verzichtete die Stadt auf ihre Forderung aus der Patronatserklärung gegenüber de Imfarr, um deren Sanierungsverfahren nicht zu blockieren.
„Bei Abgabe der Rückstehungserklärung verzichtet die Stadt Leipzig auf ihre Forderung aus der Patronatserklärung i.R.d. Insolvenzverfahrens der Imfarr. Gibt die Stadt Leipzig diese Erklärung nicht ab, kann der Sanierungsplan nicht durchgeführt werden und die Imfarr wird im Konkursverfahren abgewickelt“, heißt es in der Vorlage der Stadt.
Gebaut wurde ja noch nichts am Eutritzscher Freiladebahnhof. Bei den Patronatserklärungen geht es vor allem um die Erschließung des Geländes und die Ausstattung der Imfarr-Tochter Leipzig 416 GmbH mit dem nötigen Kapital.
Die Höhe dieser Summe bezifferte die Vorlage auch: „Am 23. Juli 2024 hat das Handelsgericht Wien das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Imfarr eröffnet und Herrn Dr. Riel zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Unternehmen wird derzeit im Sanierungsverfahren fortgeführt. Die Stadt Leipzig hat die Forderungen aus der Patronatserklärung mit einer Höhe von insgesamt ca. 33 Mio. EUR angemeldet. Der bestellte Insolvenzverwalter hat diese Forderungen im Umfang von 29,8 Mio. EUR anerkannt.“
Aber er hat der Stadt keine Erstattung in Höhe von 3 bis 5 Prozent dieser Summe angeboten. Denn „Vermögen“ in solcher Größenordnung steht gar nicht zur Verfügung.
Stattdessen würde die Stadt, wenn sie ihre Forderung aufrechterhielte, geradezu Kleckerbeträge bekommen: „Nach Bewertung der Vermögensverhältnisse der Imfarr sowie der im Sanierungsverfahren angemeldeten Forderungen kommt der eingesetzte Insolvenzverwalter zu dem Ergebnis, dass bei Abwicklung der Imfarr im Konkursverfahren eine Befriedigungsquote von weniger als 1 % (zwischen 0,3 % und 0,8 %) zu erwarten wäre.“
Dafür das ganze Sanierungsverfahren zu blockieren, macht aus Sicht der Stadt wenig Sinn.
Deutliche Bedenken
„Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich durch die Abgabe der Rückstehungserklärung die Chancen der Stadt Leipzig auf Befriedigung ihrer Forderungen nur marginal verbessern würden. Der Sanierungsplan kann zudem nur durchgeführt werden, soweit alle Großgläubiger die Rückstehungserklärung abgeben. Es bestehen rechtliche Risiken bezüglich der Angemessenheit des Sanierungsplans.
Schließlich entfiele bei Durchführung des Sanierungsplans weitestgehend die gerichtliche Kontrolle, welche bei einem Konkursverfahren gewährleistet wäre. Insgesamt wird daher verwaltungsseitig eingeschätzt, dass die Abgabe der Rückstehungserklärung für die Stadt Leipzig nicht vorteilhaft ist, sodass der Beschlussvorschlag eine Nichtzustimmung vorsieht“, schreibt das Rechtsamt der Stadt.
Es äußert damit also auch deutliche Zweifel daran, dass das Sanierungsverfahren für die Imfarr so gelingt, wie es sich der Sanierer denkt.
Denn aus dessen Sanierungsplänen allein ergibt sich dann eine möglicherweise höhere Ausschüttung: „Nach Abschluss des Sanierungsverfahrens strebt der Insolvenzverwalter eine Befriedigungsquote von ca. 5 % zum 31.12.2027 an, realistischer erscheinen nach den Erfahrungswerten jedoch maximal 3 %. Inwieweit ein Sanierungsplan mit diesen Konditionen rechtlich angemessen ist, erscheint vor dem Hintergrund der aktuellen österreichischen Gerichtsentscheidungen zumindest zweifelhaft.“
Also auch hier noch einmal betont: Die Stadt schätzt die Sanierung der Imfarr sehr zurückhaltend ein.
Aber diese 3 bis 5 Prozent haben dann irgendwie das Munkeln im Medienwald ausgelöst, das die Stadt am Freitag dann offiziell dementieren musste: „Es ist nicht korrekt, dass der Insolvenzverwalter der Stadt 3 bis 5 Prozent der Forderungssumme angeboten und die Stadt auf dieses Geld verzichtet hätte. Richtig ist, dass die Stadt aufgefordert wurde, eine sogenannte Rückstehungserklärung abzugeben. Damit würde die Stadt auf ihre Forderung im Insolvenzverfahren verzichten. Der Stadtrat hat dies in seiner gestrigen Sitzung abgelehnt.“
Und zwar einstimmig.
Und dass es sich dabei eben nicht um städtische Gelder handelt, betonte das Rechtsamt in der Vorlage sogar noch einmal dezidiert: „Wie bereits ausgeführt, wird auf eine rein hypothetische Forderung verzichtet, welche zudem bei Durchführung des Insolvenzverfahrens (ohne Sanierungsplan) mit <1 % der Ursprungsforderung prognostiziert wird. Die vg. hypothetische Forderung ist im Haushalt nicht eingeplant.“
Bleibt am Ende zumindest die Hoffnung, dass die Leipzig 416 GmbH tatsächlich übe das nötige Kapital verfügt, um endlich losbauen zu können. Erst wenn sie den Verpflichtungen, die benötigten Infrastrukturen am Eutritzscher Freiladebahnhof zu bauen, nicht erfüllt, hat die Stadt tatsächlich eine Handlungsgrundlage. Vorher nicht.
Keine Kommentare bisher