War das nun das Finale für das Umbauprojekt der Prager Straße am Völkerschlachtdenkmal, was da am Donnerstag, 21. November, als Shakespearsches Historiendrama im Stadtrat zu erleben war – oder doch nicht? Ist das Projekt jetzt gecancelt, weil der CDU-Antrag in allen Punkten eine Mehrheit bekam? Natürlich nicht. Selbst CDU-Stadträtin Dr. Sabine Heymann betonte, dass der Antrag am Gesamtprojekt eigentlich nichts ändert. Nur an den Fahrbahnmarkierungen. Auch wenn das im Antrag ganz anders klang.
Da steht nämlich im Änderungsantrag der CDU-Fraktion, den CDU-Stadtrat Falk Dossin versuchte zu begründen: „Auf die weiteren im Bau- und Finanzierungsbeschluss geplanten Eingriffe in den Straßenraum wird verzichtet. Die Anzahl der Fahrspuren von zwei je Richtung bleibt erhalten, wobei in den untermaßigen Bereichen die Markierung der zwei Spuren entfällt.“
Deutsche Sprache, schwere Sprache. Die Klitschko-Brüder haben einfach recht. Und dabei war Sabine Heymann federführend mit an der Formulierung dieses Antrags beteiligt. Und dieser Antragspunkt bekam am 21. November 33:31 Stimmen.
Gemeint aber waren eben nicht die „Eingriffe in den Straßenraum“, sondern die Fahrbahnaufteilungen. Also die Markierungen, nachdem der ganze Straßenabschnitt für 12,7 Millionen Euro umgebaut wurde. Und so betonte es ja auch CDU-Stadtrat Falk Dossin: Der CDU-Fraktion ging es lediglich um den Erhalt der Vierspurigkeit. Daran macht die Fraktion die Leistungsfähigkeit dieses Abschnitts der Prager Straße fest. Gegen die Aufweitung des Gleiskörpers der Straßenbahn hat sie nichts. Nur Fahrspuren sollen nicht wegfallen.
Verkehr als politisches Lagerthema
Das wurde am 21. November heftigst und theatralisch (bis zur Unterstellung der Unfähigkeit gegenüber den städtischen Planern) hin und her diskutiert. Bis hin zur durchaus stimmenden Feststellung von AfD-Stadtrat Udo Bütow, dass bei der Festlegung der Vorzugsvariante 2022 für diesen Straßenabschnitt nach politischen Lagern abgestimmt wurde.
Zur Wahrheit gehört: Das war auch am 21. November genauso. Und das hat nichts mit dem von Bütow behaupteten Pragmatismus seiner Fraktion zu tun. Denn längst ist jede Verkehrsdebatte auch im Leipziger Stadtrat eine Lagerdebatte – die einen wollen das, was berechtigterweise als Verkehrswende bezeichnet wird und vor allem die Förderung des Umweltverbundes (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr) beinhaltet (Stichwort: Nachhaltigkeitsszenario), die anderen wollen, dass sich am komfortablen Zustand des Straßennetzes für den Kfz-Verkehr nichts ändert. Jeder Einschnitt an der Stelle wird zum parteipolitischen Fingerhakeln.
Da wird dann gern heftig diskutiert über zunehmende Pendlerströme, gehemmten Lieferverkehr und Schleichverkehre durchs Wohngebiet. Voraussetzung: die Annahme, dass sich am heutigen Verkehrsverhalten der Leipziger nichts ändert.
Aber was wird nun tatsächlich passieren? Denn Fakt ist: Am Ende hat die Ratsversammlung die Vorlage des Planungsdezernats mit allen beschlossenen Änderungen mit 34:20:13 Stimmen beschlossen. Das heißt: 2025 wird dieser Straßenabschnitt so umgebaut, wie vom Mobilitäts- und Tiefbauamt geplant.
Gretchenfrage Radverkehr
Geprüft werden soll zwar auch der Änderungsantrag von FDP-Stadtrat Sven Morlok, einen Eingriff in die Sträucher an der Böschung zum Völkerdenkmal zu untersuchen, um eventuell doch den stadtauswärtigen Fuß- und Radweg auf ein 2,50 Meter breites Stück zu quetschen. Aber dafür gibt es weder die Genehmigung der Denkmalschutzbehörde noch eine Planung. Es wird maximal geprüft.
Während etwas anderes schon zwangsläufig kommt, denn dazu ist Leipzigs Straßenverkehrsbehörde verpflichtet: Das Schild, das die gemeinsame Nutzung dieses Gehweges auch für Radfahrer vorschreibt, wird abmontiert. Es ist gesetzlich einfach nicht mehr zulässig, Radfahrer auf diesen viel zu schmalen Gehweg zu lenken. Baubürgermeister Thomas Dienberg: „Es sind mehrere Widerspruchsverfahren dazu anhängig.“ Die Stadt muss hier reagieren.
Das heißt: Spätestens wenn der neu gebaute Straßenabschnitt 2026 freigegeben wird, wird auch der Radverkehr auf die Fahrbahn gelenkt.
Und dann beginnt die nächste Diskussion. Denn die einen werden – wie Sabine Heymann andeutete – wollen, dass der Radstreifen dort dann nicht auf der Fahrbahn markiert wird. Und die Radfahrer und mehrere profilierte Verkehrsinitiativen (wie der ADFC) werden mit recht fordern, dass dort ein sicherer Radstreifen markiert wird. Die erste Variante bedeutet mehr Gefährdung für Radfahrer. Die zweite bedeutet: Stadtauswärtig wird es nur noch eine Kfz-Spur geben können.
Barrierefreiheit bedeutet Einspurigkeit
Berechtigterweise wies dazu die Fraktionsvorsitzende der Grünen Kristina Weyh darauf hin, dass ein Weglassen von Markierungen auf den Fahrbahnen keineswegs die Kapazität der Straße erhöht, sondern mehr Verunsicherung mit sich bringt. Und das an einer Stelle, die sowieso schon als Unfallschwerpunkt gilt und eigentlich entschärft werden soll.
Das heißt: Die Leipziger Straßenverkehrsbehörde wird gar nicht anders können, als hier trotzdem gesetzeskonforme Fahrbahnmarkierungen aufbringen zu lassen.
Und so ganz beiläufig wurde in der Diskussion auch auf den Ausbau der Straßenbahnhaltestelle Südfriedhof zur Barrierefreiheit hingewiesen, wogegen die CDU-Fraktion ja auch nichts hat. Aber das hat eben auch zur Folge, dass sich hier die Fahrbahn auf eine Fahrspur plus eine Radspur verengt. Auch hier ist eine gewünschte Vierspurigkeit gar nicht möglich.
Selbst im CDU-Änderungsantrag stand das genau so: „Für die Querung der Fußgänger im Eingangsbereich und Haltestellenbereich am Südfriedhof ist ein attraktiver und sicherer Raum zu gewährleisten.“ Und: „Für die Herstellung einer barrierefreien Bushaltestelle in stadtauswärtiger Richtung wird der gesamte Fußweg auf die erforderliche Höhe angehoben.“
Das klingt so schön verwaschen: „… ist ein attraktiver und sicherer Raum zu gewährleisten“. Nein: Dieser Raum muss – wie geplant – genau so gebaut werden, nicht „gewährleistet“. Und er wird so gebaut, denn an der Gesamtprojektierung – wir ja Sabine Heymann betonte – ändert sich ja nichts. Die Fördergelder sind zugesagt (unter anderem auch die für den Radweg), Stadt und LVB haben den Bau für 2025 eingeplant. Und jetzt dürfen sie auch bauen.
Und wenn alles fertig ist, werden gesetzeskonforme Fahrbahnmarkierungen aufgetragen. Und wenn die Stadt ihre Fürsorgepflicht dann nicht wahrnimmt, gibt es keinen markierten Radstreifen – bis zum ersten Unfall mit Radfahrerbeteiligung.
Die einzige Einsicht nach dieser sehr ausufernden und wild argumentierten Diskussion bleibt: Dieser Straßenabschnitt muss dringend umgebaut werden. Er wird auch umgebaut. Und hinterher wird die so viel beschworene Vierspurigkeit schon auf Grundlage der geltenden Gesetze so nicht mehr umsetzbar sein.
Es gibt 2 Kommentare
Die Feststellung von Bütow ist falsch. Wer wie abgestimmt hat, ist dokumentiert. Die SPD hatte 2022 eben nicht vollständig für die Umbauvariante gestimmt, die Freibeuter hingegen schon. Die Freibeuter waren 2022 das Zünglein an der Waage. Umso erschreckender, dass derjenige, der auch wegen seiner konsequenten Haltung zur Mobilitätsstrategie wieder in den Stadtrat gewählt wurde, diesmal so quergeschossen hat und das auch noch als “als Demokrat muss man sich dem Wählerwillen anpassen” verkauft. Morlok weiß doch genau, dass Grüne und Linke vor allem deshalb bei der Kommunalwahl Stimmen eingebüßt haben, weil es bundespolitische Entwicklungen gab. Wenn Verkehrswende nicht gewollt wäre, hätte die CDU sicherlich deutlich mehr Stimmen bekommen – immerhin hatte sie im Juni 2024 bundespolitisch einen Höhenflug. Die CDU Leipzig holte allerdings – wie die Linken – ihr zweitschlechtestes Ergebnis seit 1990. Die Grünen holten hingegen ihr zweitbestes Ergebnis seit 1990.
Die Vierspurigkeit wird nicht wegen der Markierung nicht mehr gegeben sein, sondern weil zwischen dem Bordstein an der Baumallee und dem Bordstein des separaten Gleiskörpers keine ausreichende Breite für 4 Fahrspuren besteht. Daran ändert auch keine Markierung etwas – ob sie nun kommt oder nicht.