Der tragische Unfall am Peterssteinweg am 4. Juli 2024 wird so schnell nicht vergessen. Kurz nach dem Unfall färbte die Stadt die Radweiche dort in Verkehrsrot ein, um sie für Kfz-Fahrer besser sichtbar zu machen. Doch macht diese Maßnahme das Radfahren an dieser Stelle sicherer? Das bezweifelte zumindest die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat und schrieb einen Antrag mit einer langen Liste von Vorschlägen, was alles geändert werden könnte. Vielleicht sogar auch müsste.

„Der Impuls für diesen Antrag beruht auf konkreten Vorschlägen, die die Eltern der im Juli dieses Jahres verunglückten Radfahrerin an uns herangetragen haben“, schrieb die Linksfraktion in ihrem Antrag dazu, der in der nächsten Ratsversammlung zum Aufruf kommen sollte.

„Die Karl-Liebknecht-Straße ist eine zentrale Achse für viele Radfahrer/-innen, auf der die Sicherheit und Gestaltung der Radwege noch viele Schwachstellen hat. Der tragische Unfall vom 04. Juli zeigt einmal mehr, dass das Risiko für den Radverkehr besonders hoch ist, wenn er nicht konsequent vom Autoverkehr getrennt ist.

Dort, wo Trennungen nicht einfach möglich sind, soll durch Überarbeitung der Ampelschaltungen, Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung und deutlichere Kennzeichnung der Radwege nachgebessert werden. Hier ist vor allem ein konsistentes Vorgehen auf einer so zentralen Achse notwendig, denn der Wechsel von verkehrssicheren Bereichen zu unsicheren, erhöht das Unfallrisiko.“

Es gibt noch mehr Konfliktstellen auf der KarLi

Es ist nicht die einzige unsichere Stelle auf der Linie Peterssteinweg/Karl-Liebknecht-Straße. Auch der Knoten mit der Härtelstraße hat sich in der letzten Zeit zu einem Problem, entwickelt. Weshalb hie in der vergangene Woche der westliche Radstreifen noch einmal in einem längeren Abschnitt in Verkehrsrot eingefärbt wurde.

Neu in Verkehrsrot eingefärbt: Radstreifen an der Ecke Peterssteinweg/Straße des 17. Juni. Foto: Ralf Julke
Neu in Verkehrsrot eingefärbt: Radstreifen an der Ecke Peterssteinweg/Straße des 17. Juni. Foto: Ralf Julke

Aber wie kann man künftig solche tragischen Unfälle wie am 4. Juli an der Fahrradweiche am Peterssteinweg verhindern? Die Liste, welche die Linksfraktion vorschlug, war entsprechend lang: „Im Lichte des tragischen Radunfalls am Wilhelm-Leuschner-Platz sind folgende Aspekte durch die Straßenverkehrsbehörde zu überprüfen und einer Lösung zuzuführen, damit die gesamte Führung für den Radverkehr auf der Karl-Liebknecht-Straße über den Peterssteinweg bis in die Innenstadt sicherer für den Radverkehr wird:

1. Grundsätzlich ist durch kleinere baulichen Maßnahmen und Temporegulierung zu gewährleisten, dass der KFZ-Verkehr an allen Fahrradweichen (Radfahrstreifen in Mittellage) in seiner Geschwindigkeit zum Langsamfahren gezwungen wird.

2. Der Bereich zum Kreuzen der Fahrradweiche ist auf ein absolutes Mindestmaß zu reduzieren.

3. Neben der Fahrradweiche am Wilhelm-Leuschner-Platz muss auch die Fahrradweiche an der Kreuzung Karl-Liebknecht-Straße/Richard-Lehmann-Straße vor der HTWK rot eingefärbt werden. Ebenso sollte geprüft werden, ob durch physische Schutzelemente (z.B. Leitschwellen oder Minibaken) der Radverkehr in Mittellage besser geschützt werden kann.

4. Wie gerade neu an den Kreuzungen Karl-Liebknecht-Straße/Kurt-Eisner und Karl-Liebknecht-Straße/Richard-Lehmann umgesetzt, muss auch am Südplatz in stadteinwärtiger Richtung eine eigenständige Radverkehrsführung angeboten werden.

5. An der Haltestelle Connewitzer Kreuz in stadtauswärtiger Richtung ist eine separate Führungsform für den Radverkehr zu prüfen.

6. Die neuen aufgeweiteten Radaufstellstreifen und indirekten Linksabbieger an den Kreuzungen Karl-Liebknecht-Straße/Kurt-Eisner und Karl-Liebknecht-Straße/Richard-Lehmann sind ebenfalls rot einzufärben und mit zusätzlichen Piktogrammen zu versehen.

7. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sollten auf der gesamten Karli auf Grundlage der letzten StVO-Novelle die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit geprüft werden (z.B. aufgrund von Unfallschwerpunkten, Spielplätzen, viel genutzten Schulwegen, 500 m Lückenschluss).

8. Die Querung des Radverkehrs auf Höhe der Härtelstraße und Straße des 17. Juni ist komplett zu überarbeiten. Hier braucht es auch einen Signalgeber für den Radverkehr zum Überqueren der Karl-Liebknecht-Straße, damit die beiden Fahrradstraßen sicher verknüpft werden.

9. Die beiden Ampelanlagen an der Dimitroffstraße in Höhe der Polizei und die Ampel am Ring sollten so geschalten werden, dass durch eine Vorsprungschaltung der Radverkehr nicht zeitgleich mit dem abbiegenden Kfz-Verkehr auf der Fahrradweiche in Konflikt gerät.

Ebenso sollte den Autofahrenden nicht durch ein zeitgleiches Grünsignal am Ring suggeriert werden, die Spur schnell wechseln zu müssen. Durch eine bedarfsgerechte und verkehrssichere Schaltung könnte hier viel getan werden, indem die unterschiedlichen Verkehrsmodi nicht zur gleichen Zeit am selben Ort fahren müssen.“

Sicherheitsdefizite sollen geprüft werden

Auf diesen Antrag hat jetzt das Amt für Mobilität und Tiefbau entsprechend ausführlich Stellung genommen. Denn: Beauftragen kann der Stadtrat die Stadt eigentlich nicht, so konkrete Änderungen im Straßenraum vorzunehmen. Dazu liegt die Hoheit bei der Stadt.

Aber dort sieht man durchaus das Problem und will prüfen, welche Sicherheitsdefizite es entlang der Karl-Liebknecht-Straße/Peterssteinweg gibt und diese Defizite zu beheben.

„Der tragische Verkehrsunfall am Peterssteinweg, zu dem noch kein abschließender Bericht der Polizei zu den Unfallursachen vorliegt, hat nicht nur und unabhängig der Ursachen betroffen gemacht, sondern die Verwaltung hat auch erste Maßnahmen ergriffen, die Verkehrsorganisation zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen“, befürwortet das Mobilitäts- und Tiefbauamt das Anliegen des Linke-Antrags.

„Die Roteinfärbung am Peterssteinweg ist als erster Schritt dafür zu sehen. Wenn der abschließende Unfallbericht vorliegt und analysiert wurde, werden weitere Maßnahmen geprüft und umgesetzt.“

Der Unfall mit der von einem Lkw überrollten Radfahrerin war auch deshalb so erschreckend, weil es an Leipziger Radweichen nach Auskunft des Amtes für Mobilität und Tiefbau zuvor nur einen solchen Unfall gab: „Mit Ausnahme des Unfalls am Peterssteinweg wurden in den letzten Jahren auch nur ein weiterer Unfall mit Radfahrerbeteiligung (Sachschaden) an den ca. 50 Radfahrstreifen in Mittellage (RiM) polizeilich registriert. Häufig werden jedoch subjektiv gefühlte Sicherheit und die tatsächlich quantifizierbare Sicherheit unterschiedlich wahrgenommen.“

Radwege in Mittellage im Fokus

Das Amt plant deshalb, nach und nach alle Radwege in Mittellage im Stadtgebiet (wie auch den von der Linksfraktion angeführten Radweg in Mittellage an der Kreuzung Karl-Liebknecht-Straß /Richard-Lehmann-Straße) rot einzufärben, um die Aufmerksamkeit stärker auf Radfahrerinnen und Radfahrer in diesem Bereich zu lenken.

Nur das mit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Karl-Liebknecht-Straße (die im Stadtrat schon mehrfach beantragt wurde) gehe so einfach nicht, betont das Amt: „Für Geschwindigkeitsbegrenzungen müssen die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen vorliegen. Die Novelle der StVO, die einen größeren Handlungsspielraum für Geschwindigkeitsbegrenzungen beinhaltet, wurde bisher noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist daher noch nicht rechtskräftig.

Unfallschwerpunkte, deren Ursachen auf zu hohe Geschwindigkeiten zurückzuführen sind, sind in der Karl-Liebknecht-Straße nicht vorhanden und können daher als Anordnungsgrund nicht herangezogen werden.“

An einer entscheidenden Stelle hängt die Lösung für sichere Radwege an der KarLi hingegen noch von einer Baumaßnahme der LVB ab: „Im Rahmen der Gleisbaumaßnahme Karl-Liebknecht-Straße der Leipziger Verkehrsbetriebe werden am Südplatz durchgängige Radverkehrsanlagen eingeordnet und die Steuerung der Signalanlage entsprechend überarbeitet.“

Problemfall Connewitzer Kreuz

Und ganz schwer tut sich die Stadt nach wie vor mit der völlig überdimensionierten Straßenkreuzung am Connewitzer Kreuz, wo die Schaffung eines stadteinwärts führenden Radstreifens das Ergebnis jahrelanger Bemühungen im Stadtrat war.

Aber weitere sinnvolle Lösungen hat das Verkehrsdezernat noch nicht in petto: „Ob weitere Maßnahmen, wie bauliche Schutzelemente zur Abgrenzung vom Kfz-Verkehr, eine Reduzierung des zu kreuzenden Abschnitts des RiM, die Roteinfärbung von ARAS oder Anpassungen bzw. Erweiterungen der Radverkehrsführungen am Connewitzer Kreuz und in Höhe Härtelstraße erforderlich sind, wird geprüft.“

Wobei die Prüfungen deshalb so nötig sind und so lange dauern, weil die Verantwortlichen vor Ort immer konkret versuchen herauszufinden, welche baulichen Mängel eigentlich die Unfallgefahr erst schaffen – und dann nach verkehrstechnischen Lösungen suchen, um diese Mängel möglichst zu beseitigen.

Den Abschluss der Prüfungen sagt das Verkehrsdezernat bis zum zweiten Quartal 2025 zu.

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