Die Entscheidung im künstlerischen Wettbewerb zum Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig ist gefallen. Nach zweitägigen Beratungen hat die 13-köpfige internationale Jury am Mittwoch, dem 2. Oktober 2024 ihre Wahl verkündet: Die Sieger kommen aus Leipzig selbst.
Durchgesetzt mit großer Mehrheit hat sich der gemeinschaftliche Entwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ von ZILA Architekt.innen, Architekten, Leipzig (Clemens Zirkelbach, Peter Ille, Dirk Lämmel und Alexej Kolyschkow), mit Bea Meyer, Künstlerin, Leipzig, und Michael Grzesiak, Architekt, Leipzig.
Der Siegerentwurf ist mit 35.000 Euro dotiert. Die Umsetzung auf dem innerstädtischen Wilhelm-Leuschner-Platz ist ab Oktober 2025 geplant. Dafür ist ein Gesamtbudget von bis zu fünf Millionen Euro vorgesehen.
Wie die Jury ihre Entscheidung begründet
Im Kommentar der Jury heißt es u.a.: „Der Entwurf Banner, Fahnen, Transparente überzeugt das Preisgericht durch seine zugleich abstrakte und konkrete Würdigung eines zentralen Elements von Protestbewegungen im Allgemeinen und der ‚Friedlichen Revolution‘ von 1989 im Besonderen. Die kraftvolle Inszenierung der 50 über den Platz verteilten Objekte, in den Boden gesteckte Banner, Fahnen und Transparente, überlässt den Betrachtenden Raum für Assoziation, Aneignung und Partizipation …“
Und: „Insgesamt ist der Entwurf ein hervorragender Beitrag zum Wettbewerb, der vom Preisgericht für sein schlüssiges Gesamtkonzept ausgezeichnet wird, das dauerhaft einen kraftvollen und inspirierenden Ort für die würdevolle Auseinandersetzung mit Kernfragen der Demokratie schafft.“
Insgesamt gab es 32 Vorschläge
Zu den drei besten Einreichungen gehörten nach Meinung der Jury außerdem die Entwürfe „Lichtermeer“ auf Platz 2 von RICHTER MUSIKOWSKI Architekten PartGmb, Architekten, Berlin (Christoph Richter und Jan Musikowski), mit GRIEGER HARZER DVORAK Landschaftsarchitekten, Berlin, und Anna Talens, Künstlerin, Berlin; sowie der Entwurf „Lichter Oktober – Parolen des Widerstands“ von Thomas Moecker, Künstler, Leipzig, mit Werner Klotz, Künstler, Berlin, und Anna Dilengite, Architektin, Leipzig.
Insgesamt hatten 32 Künstler/-innen und Architekt/-innen aus sechs Ländern ihre Vorschläge eingereicht. Im Auftrag des Leipziger Stadtrates hatte die Stiftung Friedliche Revolution das Verfahren unter Mitwirkung des erfahrenen Wettbewerbsbüros [phase eins] unter Leitung von Benjamin Hossbach transparent und unter möglichst breiter Beteiligung der Bürger/-innen sowie verschiedener Fachgremien moderiert.Öffentliche Präsentation ab 9. Oktober geplant
Im Beisein von Altbundespräsident Joachim Gauck wird am 9. Oktober in der Aula und Universitätskirche St. Pauli eine Ausstellung eröffnet. Diese wird alle Entwürfe zum Wettbewerb der Öffentlichkeit vorstellen und an besagtem Tag zwischen 13 und 20 Uhr geöffnet sein. Vom 4. bis 15. November bietet sich eine weitere Gelegenheit, sich die Entwürfe in der DenkmalWerkstatt der Stiftung Friedliche Revolution im Hansahaus (Grimmaische Straße 11–13) anzusehen.
Die jetzt ab Herbst 2025 geplante Errichtung des Denkmals auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz geht ursprünglich auf einen Beschluss des Deutschen Bundestags vom Dezember 2008 zurück. Ein im Juni 2009 gestartetes Wettbewerbsverfahren für Leipzig wurde dann aber fünf Jahre darauf vorerst auf Eis gelegt.
Ein Auftrag zum zweiten Anlauf durch den Stadtrat an die Stiftung Friedliche Revolution war 2021 erfolgt und 2022 endgültig gebilligt worden: Aus engstirnigen Vorgaben und Planungsfehlern, die das Projekt vor über zehn Jahren vorläufig zum Scheitern verurteilten, habe man diesmal gelernt. Seit März 2024 lief der künstlerische Wettbewerb.
Es gibt 3 Kommentare
Ich will es mal umgekehrt betrachten: dieses im Grunde uneigentliche Monument richtet wenig Schaden an. Eine Weg-Verbreiterung mit Sitzkanten hätte es vielleicht sowieso dort geben sollen. Die, vermutlich wetterfesten, Banner, Fahnen und Transparente, und hier wird es spannend, werden unter Umständen nicht leer bleiben. Was soll da – wenigstens anfangs – drauf? Was werden Sprayer draufsprühen?
Eines der schönsten je in Leipzig gezeigten Transparente stammt allerdings von 1964: “Die Beatels (sic!) und Chemie – sowas gab’s noch nie!” Paßt eigentlich gut. Oder wie wäre “Weg mit dem Nato-Raketenbeschluß!”, das wäre was von 1983? Oder “Helmut, nimm uns an die Hand – zeig uns den Weg ins Wirtschaftswunderland”, oder “Wie weit treibt die Treuhand das Spiel mit unseren Arbeitsplätzen?”, beides von 1990? Oder der Slogan, den sich Kanzleramtsminister Horst Teltschik Anfang Februar 1990 ausgedacht hatte und den die Leute von Karl Schumacher, Helmut Kohls Mann für Großveranstaltungen, ab 12.2.1990 in Leipzig realisiert hatten: “Kommt die DM bleiben wir – kommt sie nicht geh’n wir zu ihr!” – ich glaube letzterer Slogan ist weithin konsensfähig.
Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich kann gut auf diese ganze Einheits- und Erinnerungsdenkmal-Sache verzichten. Das Geld wäre anderswo sinnvoller investiert worden als in die retrospektive Selbstbeschäftigung (und Selbstbestätigung) der Bildungsbürgerelite.
Sollen die in dem Entwurf im Boden steckenden krummen Zweige in der Umsetzung Bäume vorstellen? Das wäre ein positiver Aspekt…