Am 23. Oktober ging es auch wieder um ein Streitthema, das den Stadtrat in diesem Jahr schon mehrfach beschäftigt hat: den geplanten Luxusbau in der Holbeinstraße 6a direkt am Ufer Weißen Elster. Die Anwohner hatten geklagt und im Sommer im Eilverfahren einen ersten Bescheid des Verwaltungsgerichts bekommen. Und der BUND Leipzig war in Widerspruch gegangen und bekam nun auch lauter unbefriedigende Antworten von der Stadtverwaltung.
Schon in der Anfrage an die Stadt hatte Melanie Lorenz vom BUND Leipzig sehr deutliche Worte gefunden: „Die Holbeinstr. 6a war bereits öfter Gegenstand von Stadtratsanfragen und Auseinandersetzungen, insbesondere deswegen, da im hinteren Teil des Grundstücks ein Neubau direkt am Ufer entstehen soll, der offenbar deutlich von der Eigenart der näheren Umgebung abweicht und darüber hinaus auch in den sensiblen Uferbereich unter Abweichung des Wassergesetzes eingegriffen wurde.
Inzwischen haben Anwohner vor dem Verwaltungsgericht Leipzig einen Eilantrag gestellt, der zwar zurückgewiesen wurde, aber erstaunliches zu Tage brachte. Aus dem Beschluss geht hervor, dass der Antrag der Nachbarn allein deswegen nicht erfolgreich ist, da diese nicht geltend machen können, im eigenen Recht verletzt zu sein.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss deutlich gemacht, dass das Vorhaben vom Maß der baulichen Nutzung bezogen auf die Eigenart der näheren Umgebung sehr stark abweicht, ohne dass die Stadt dies offenbar geprüft oder wahrgenommen hat. Auch gegenüber dem Verwaltungsgericht hat die Stadt bis auf eine Reproduktion des Gesetzestextes nichts vorgetragen, dass eine solche gravierende Abweichung rechtfertigen würde.
Inzwischen hat auch der BUND Sachsen als Umweltverband und Träger öffentlicher Belange Klage gegen die Erteilung einer Befreiung des Verbotes zur Bebauung im Gewässerrandstreifen nach dem Wasserhaushaltsgesetz eingereicht. In der Bürgerschaft gibt es aufgrund der Eigenheiten des Vorgehens erhebliche Zweifel, ob hier alles mit rechten Dingen vorgeht.“
Was wurde da eigentlich geprüft?
Aber die Antworten aus dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege räumten den Verdacht nicht aus. Im Gegenteil: Sie bestärken ihn noch. Jedenfalls was die Genehmigung zur Bebauung des Uferrandstreifens betrifft, der nach Sächsischem Wassergesetz nicht bebaut werden darf.
„Die wasserrechtliche Befreiung erfolgte nach hinreichender Prüfung der umweltfachlichen und -rechtlichen Belange in der notwendigen Qualität und Tiefe“, hatte das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege einfach hingeschrieben. Ein Satz, den Jürgen Kasek, der stellvertretend für Melanie Lorenz am 23. Oktober in der Ratsversammlung nachfragte, für völlig unzureichend hält. Und Baubürgermeister Thomas Dienberg konnte auch nur die Tiefe der Prüfung betonen, aber keine näheren Angaben machen.
Die nächste Frage von Melanie Lorenz war schon deutlich von Emotionen geprägt: „Wie will die Stadt dem Eindruck entgegenwirken, dass Belange des Umweltschutzes ständig nachrangig behandelt werden und dies auch, wenn im sensiblen Uferbereich überdimensionierte Vorhaben unter Verstoß gegen das Baugesetzbuch errichtet werden?“
Und genau auf diese Frage antwortete nun die Stadt in einer Weise, die deutlich macht, dass die Beschleunigung des Baurechts in Deutschland vor allem dazu führt, dass umweltrechtliche Belange nur noch eingeschränkt geprüft werden.
Oder mit den Worten aus der Antwort der Stadt: „Der Gesetzgeber hat abschließend das Zusammenspiel zwischen Baurecht und Umweltrecht geregelt. Es ist Wille des Gesetzgebers, dass die Belange des Umweltrechtes im Rahmen des präventiven Baugenehmigungsverfahrens nur eingeschränkt geprüft werden sollen.
Die nicht vom Prüfumfang im Baugenehmigungsverfahren erfassten Belange des Umweltrechtes sind durch den Bauherrn in eigener Verantwortung entsprechend den Fachgesetzen in Kontext mit den Fachbehörden zu beachten. Diese Verlagerung der Verantwortlichkeit geht mit der in der Politik mehrheitlich gewollten Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens sowie dem Abbau von Bürokratie einher.“
Im Grunde ist das eine Bestätigung des Verdachts.
Ist doch sowieso nur noch ein Kanal …
Im Widerspruchsbescheid der Stadt an den BUND Leipzig wurde das noch ein bisschen ausführlicher dargelegt. So wurde die Bebauung des Ufers schlichtweg – aber sehr ausführlich – damit begründet, dass die „Stadtelster“ an dieser Selle schon auf weiten Teilen bis ans Ufer zugebaut ist. Da spiele dieses „schmale“ Stück noch offene Ufers keine weitere Rolle mehr.
Oder ausführlich: „Die Wasserspeicherung im Gewässerrandstreifen spielt in Bezug auf die geringe Länge des Gewässerrandstreifens auf dem Grundstück eher eine untergeordnete Rolle. Eine Beeinträchtigung des Wasserabflusses ist nicht gegeben, da der Durchfluss der Weißen Elster im Wesentlichen schon durch die beidseits flussaufwärts gelegene bis unmittelbar ans Ufer reichende Bebauung entscheidend limitiert wird.
(…) Im maßgeblichen Bereich der Weißen Elster, genannt ‚Stadtelster‘, gibt es kaum noch Grundstücke, die nicht bis ans Ufer, entweder mit Gebäuden oder mit Ufermauern, bebaut sind. Von einem durchgehenden Gewässerrandstreifen, der die typische ökologische Funktion eines solchen erfüllen könnte, kann an dieser Stelle keine Rede mehr sein.“
Was ja wohl heißt: Die Bausünden der Vergangenheit begründen die Genehmigungen der Gegenwart. Aber es wird noch besser.
„Der Bereich zwischen der ‘Könneritzbrücke’ und der ‚Karlbrücke‘ unterliegt einem hohen Nutzungsdruck und ist stark urban geprägt. Zur fast vollständigen Bebauung der Uferbereiche beidseits des Flusses kommt die intensive Nutzung, insbesondere während der Sommermonate durch Freizeitsportler. Das Gewässer ähnelt daher im fragliche Bereich eher einem künstlichen Kanal als einem Fluss.“
Kaum noch eine bedeutende ökologische Funktion …
Das ist eine Schlussfolgerung, aus der ja hier die Stadt ableitet, dass deshalb auch die verbliebenen Uferreststücke nicht (mehr) geschützt sind.
Oder wieder aus dem Bescheid der Stadt zitiert: „Aufgrund des hohen Nutzungsdrucks der Stadtelster für den maßgeblichen Bereich kommt dem Uferbereich des Vorhabengrundstückes kaum noch eine bedeutende ökologische Funktion in Bezug auf Artenschutz zu, es handelt sich keineswegs um einen Bereich unberührter Natur.“ Und einen Biberbau hätte man vor Ort auch nicht gefunden.
Jürgen Kasek hakte bei dem Thema mehrfach nach. Denn es wird trotzdem nicht so recht ersichtlich, wie tief das Amt für Umweltschutz hier wirklich geprüft hat. Der komplette Bescheid liest sich nur so, als hätte man jedes Argument genutzt, das man zur Ablehnung des Widerspruchs des BUND Leipzig finden könnte. Eine wirkliche Argumentation zum Erhalt des Ufers findet man darin nicht.
Dafür die Kostennote über 1.000 Euro, die nach sächsischem Verwaltungsrecht jeder zu zahlen hat, dessen Widerspruch von einer Behörde abgelehnt wird. Ein Punkt, mit dem die fachliche Arbeit von Naturschutzverbänden massiv verteuert oder letztlich unmöglich gemacht wird.
Während die Stadt in der Stellungnahme ebenso im Sinne des Bauherrn argumentiert, für den es eine unbillige Härte sei, einen kleineren Baukörper zu planen, der außerhalb des Gewässerrandstreifens Platz finden könnte. Da könnte es ja nicht so schöne große Wohnungen geben, argumentiert die Stadt.
Obwohl sie zuvor darauf verwiesen hatte, dass in diesem Teil von Schleußig das Mietniveau sowieso schon hoch sei und vor allem Luxuswohnungen gebaut werden, wo noch ein bisschen Platz ist. Und das hat nun einmal nichts mit dem tatsächlich in Leipzig bestehenden Wohnungsmangel zu tun, der vor allem preiswerte Wohnungen für Familien betrifft.
Das Baudezernat prüft noch
Es stimmt schon, dass die Nachfragen von Jürgen Kasek letztlich schon in eine juristische Auswertung sowhöl der Eilentscheidung des Gerichts als auch des Bescheids des Amtes für Umweltschutz auszuarten drohten und Baubürgermeister Thomas Dienberg ziemlich nervten. Aber er gestand eben auch zu, dass die Einsprüche durchaus ihre Berechtigung haben könnten.
Der Bescheid des Gerichts ist ja noch nicht endgültig, die offizielle Verhandlung folgt noch. Und in dem Zusammenhang wolle sein Dezernat den Vorgang noch einmal prüfen, so Dienberg. In der Antwort an den BUND klang das schon an: „Hinsichtlich der Bedenken des Gerichts zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens wurde bereits eine interne Prüfung eingeleitet.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigten, dass es sich bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts um eine Eilentscheidung im vorläufigem Rechtsschutz handelt. Das heißt, eine abschließende Entscheidung im Rechtsbehelfs- bzw. Klageverfahren steht noch aus. Momentan liegt der Vorgang bei der Landesdirektion Sachsen.“
Das Gericht hatte nämlich moniert, dass der Baukörper möglicherweise eben doch nicht in die umgebende Bebauung passen könnte. Dazu sei das Prüfverfahren der Stadt nicht nachvollziehbar genug. Und es hatte – beinah nebenbei – angemerkt, dass die Stadt sowieso nicht viel Entscheidungsspielraum hat, weil es für dieses Gebiet in Schleußig keinen beschlossenen Bebauungsplan gibt, der zum Beispiel die weitere Verbauung der Ufer untersagt hätte. Das darf man durchaus als ein Versäumnis bezeichnen. Denn so kommt allein die Baunutzungsverordnung als Rahmensetzung infrage, über eine Zulässigkeit des Baus an dieser Stelle zu entscheiden.
Aber deutlich wird eben dabei, dass bei dieser Herangehensweise von Natur- und Gewässerschutz nicht viel übrig bleibt. Ob die Hauptverhandlung des Verwaltungsgerichts dann doch noch zu einer anderen Einschätzung kommt, bleibt abzuwarten.
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