An der Friedrich-Bosse-Straße in Möckern soll ein neuer Wohnpark entstehen. Dafür muss ein Bebauungsplan erstellt werden. Das Gelände liegt direkt an der Weißen Elster. Und das rief nun in der letzten Ratsversammlung Linke und Grüne auf den Plan. Denn eines dürfe das auf keinen Fall werden, sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken, Franziska Riekewald: eine Gated Community. Hier sollte der Zugang zum Wasser für die Öffentlichkeit möglich sein.

Deswegen verfasste die Linksfraktion extra einen Antrag, auf den die Stadt dann eine ausführliche Stellungnahme schrieb – wohlwollend eigentlich, weil man dort das Anliegen nur zu gut versteht. Es gibt schon viel zu viele abgeschlossene Wohnanlagen auch an der Weißen Elster, wo das Ufer für die Öffentlichkeit nicht mehr erlebbar ist.

Aber die erste Prüfung der Stadt hat eben auch ergeben, dass es so, wie von der Linksfraktion gewünscht, nicht gehen wird. Das bestätigte Baubürgermeister Thomas Dienberg auch am 23. Oktober in der Ratsversammlung.

In der Stellungnahme des Stadtplanungsamtes klang das so: „Das Areal wurde bis 1991 als Färberei und chemische Reinigung genutzt und ist anschließend zunehmend brachgefallen. Ursprünglich war das Grundstück teilweise bis dicht an die Weiße Elster bebaut, aufgrund seiner Nutzung jedoch nie für die Öffentlichkeit zugänglich.

Mit der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 441 sollen die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines Wohnquartieres geschaffen werden. Den Freianlagen kommt an der Nahtstelle zwischen Stadt und Naturlandschaft der Elsteraue eine besondere Bedeutung zu.

Es handelt sich dabei um einen ökologisch sensiblen Bereich: mit dem FFH-Gebiet ‚Leipziger Auensystem‘, dem Europäischen Vogelschutzgebiet (SPA-Gebiet) ‚Leipziger Auwald‘, dem Landschaftsschutzgebiet (LSG) Leipziger Auensystem‘ und dem gesetzlich geschützten Biotop des Typs ‚naturnahe Bereiche fließender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden naturnahen Vegetation‘ sind mehrere naturschutzrechtlich schutzbedürftige Gebietscharakteristiken am Standort vorhanden.

Uferbereiche und ihre dazugehörigen Gewässerrandstreifen dienen grundsätzlich gemäß § 38 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) dem Schutz, der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer. Diese ökologischen Funktionen zielen darauf ab, dass die Gewässer Bestandteil des Naturhaushaltes und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen geschützt sind.

Dem Gewährleisten dieser Funktionen kommt eine Schlüsselrolle in der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie EU 2000/60/EG vom 23-10-2000) zu. Um die Umsetzung der Ziele zu unterstützen, dürfen Gewässerrandstreifen gemäß § 24 (3) Satz 1 Nr. 2 Sächsisches Wassergesetz (SächsWG) grundsätzlich nicht bebaut werden.“

Warum in der Holbeinstraße 6a nicht?

Da stutzt der Leser. Denn genau das hatte dieselbe Verwaltung beim Bauprojekt Holbeinstraße 6a in Schleußig regelrecht vom Tisch gewischt. Obwohl das Wassergesetz dort genau so gilt: Der Uferrandstreifen darf nicht bebaut werden. Und frühere Nachbarbebauungen hebeln das auch nicht aus.

An der Friedrich-Bosse-Straße verteidigt die Stadt nun den Uferschutz, macht nur ein kleines Zugeständnis: Man will prüfen, wie das Anlegen der Linken dennoch irgendwie erfüllt werden kann.

In einer Neufassung ihres Antrags ging die Linke auf die Bedenken der Stadt ein und beantragte jetzt: „Das öffentliche Interesse am Zugang zur Weißen Elster wird festgestellt. Diesem wird mit einer öffentlich zugänglichen, terrassierten Treppenanlage oberhalb des Gewässerrandstreifens, an der Böschung hinab zwischen Haus 1 und 2 im westlichen Teil des Grundstückes, Rechnung getragen. Als Ausführungsvergleich können die Treppenanlagen am Karl-Heine-Kanal Höhe Helmholtzschule herangezogen werden.“

Denn wenn man das gesamte Baugebiet als Erholungsraum für die Öffentlichkeit zugänglich macht, sollte es auch irgendwie einen Ausblick auf den Fluss geben.

Oder mit der Begründung der Linksfraktion, die keineswegs vergessen hat, dass die Stadt in der Holbeinstraße völlig anders argumentiert hat: „Wir unterstützen grundsätzlich die Schutzbestimmungen in der direkten Uferlage und an Gewässerrandstreifen, verstehen aber eine Unzugänglichkeit des Gewässers für die Bewohner*innen der umliegenden Quartiere als unbillige Härte.

Eine Zugänglichkeit könnte im Einklang naturschutzrechtlicher Bestimmungen gewährleistet werden. Besondere Umstände sind insofern gegeben, als zwar im fußläufigen Umkreis Zugänge zur Weißen Elster vorhanden sind, diese aber keinerlei Qualitäten auf Hinblick der Zugänglichkeit besitzen.

Wir möchten außerdem an das Bauprojekt Holbeinstraße 6a erinnern, indem ebenfalls unbillige Härte für den Eigentümer ausgesprochen worden ist und auf die genannten Schutzbestimmungen von Uferlagen verzichtet wurde. An der Friedrich-Bosse-Straße könne man nun die Chance nutzen, für die Öffentlichkeit einen weiteren qualitätsvollen Aufenthaltsbereich zu schaffen, der auch auf Hinblick der neu veröffentlichten Erfrischungskarte Leipzig einen neuen attraktiven Erholungsort bietet.“

Ein grüner Formulierungsvorschlag

Der Formulierungsvorschlag war trotzdem schon sehr weit führend, weshalb die Grünen-Fraktion einen anderen Beschlusstext vorschlug: „Das öffentliche Interesse am Zugang zur Weißen Elster wird festgestellt. Die konkrete Planung eines Weges und Aufenthaltsbereichs an der Weißen Elster erfolgt in Abstimmung mit dem Vorhabenträger unter Wahrung naturschutzrechtlicher Regelungen zum Schutz des Gewässerrandstreifens.“

Aber auch die Grünen betonten: „Der Änderungsantrag zielt darauf ab, ein öffentliches Wegerecht zu sichern und das öffentliche Interesse am Zugang zur Weißen Elster festzustellen. Die konkrete Umsetzung über eine Treppenanlage oder einen unversiegelten Aufenthaltsbereich, der in einen Weg am Gewässer integriert wird, sollte nicht im Detail vorgegeben werden, sondern in der weiteren Planung entwickelt werden. Der Schutz des Gewässerrandstreifens sollte dabei zwingend beachtet werden.“

Und genauso wie die beiden Fraktionen sah es dann am 23. Oktober auch die Stadtratsmehrheit. Der erste Beschlusspunkt der Linken, dass der Wohnpark nicht durch eine Einfriedung verschlossen werden darf, bekam 32:17 Stimmen bei 10 Enthaltungen.

Den zweiten Beschlusspunkt hatte Franziska Riekewald von den Grünen übernommen – siehe oben. Der bekam dann eine Zustimmung von 35:27 Stimmen bei einer Enthaltung. Der Uferrandstreifen bleibt geschützt – die Stadt ist aber aufgefordert, eine Gestaltung zu finden, die den Fluss an dieser Stelle für die Öffentlichkeit erlebbar macht.

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Das ist doch mal ein sinnvoller Kompromis, gerade im Interesse der Bewohner in der Fr-Bosse Str. und Schumannstr. Jetzt müssen diese und der SBB Nordwest nur noch aufmerksam sein, damit die entsprechende Festlegung auch ausgeführt wird

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