Wenn es nach der CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat geht, dann bekommt Leipzig einen neuen Kriminalitätsschwerpunkt. Und da muss natürlich eine Polizeiwache hin. Was die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat gleich mal zum Auftakt der neuen Wahlperiode beantragt. Und wenn es nach deren Vorsitzenden Michael Weickert ginge, dann käme für eine Polizeiwache am Lindenauer Markt direkt das „Interim“ infrage, wo bis jetzt der linke Landtagsabgeordnete Marco Böhme sein Abgeordnetenbüro hatte.

Böhme hat es ja bekanntlich nicht geschafft, wieder in den neuen Landtag einzuziehen. Womit die Finanzierung für das „Projekte- und Abgeordnetenbüro“ in der Demmeringstraße 32 infrage steht. Im Wahlkampf warb Böhme auch mit der Rettung dieses „offenen Stadtteilzentrum“ um Stimmen.

In der Praxis dieses „Interim“ wird deutlich, wie die Vorstellungen von Linken und CDU bei einem sicheren Stadtteil auseinander gehen. „Hier findet Politik auf Augenhöhe statt“, beschreibt die Linke die Funktion des „Interim“.

„Zahlreiche politische Gruppen und Initiativen nutzen Marcos Abgeordnetenbüro selbstverwaltet. Wir bieten u.a. kostenlose Sozialberatung, Mietrechtsberatung, und Sprachunterricht für Geflüchtete an. Bei uns können Menschen kopieren, (3D)drucken, Ausstellungen zeigen, PC-Arbeitsplätze nutzen, Zeitung lesen, Technik ausleihen sowie Räume für Veranstaltungen und Treffen buchen – kostenlos und selbstorganisiert.“

Eine abenteuerliche Begründung

Doch wo die Linke auf offene Räume setzt, gehört aus Sicht der CDU eine Polizeiwache hin.

So hat es deren Fraktion jetzt auch im Stadtrat beantragt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis zum II. Quartal 2025 die Einrichtung eines gemeinsamen Postens von Stadtordnungsdienst und Polizei am Lindenauer Markt zu prüfen. Hierbei soll mit der Polizeidirektion Leipzig und der ZFM zusammengearbeitet werden, um potenzielle Räumlichkeiten zu finden.“

Die Begründung für diesen Antrag liest sich dann trotzdem ziemlich abenteuerlich: „Der Lindenauer Markt stand in den letzten Jahren immer wieder in den Schlagzeilen, wegen Vorkommnissen am und um das Areal. Beispielsweise wurden im Mai dieses Jahres ein Wahlkampfstand der Partei Die LINKE attackiert. Im August 2023 endete eine Prügelei nach einem Diebstahl mit einem Haftbefehl. Die Meldung, dass Jugendliche auf dem Lindenauer Markt Schülerinnen und Schüler der Nachbarschaftsschule terrorisieren, sticht hierbei nochmal besonders negativ hervor.“

Da werden sich die Linken besonders freuen, dass sie hie als Opfer eines Überfalls erwähnt werden. Die Aufzählung hat aber nichts mit einer verlässlichen Statistik zu tun, sondern ist willkürlich aus ein paar Polizeimeldungen zusammengestellt.

Trotzdem tut die CDU-Fraktion so, als hätte ihr Vorstoß belastbare Gründe in einer zunehmenden Kriminalität am Lindenauer Markt: „Auch die Ergebnisse der letzten Sicherheitsbefragung zeichnen ein eindeutiges Bild. Zwischen 30 und 40 % der Anwohner Altlindenaus wünschen sich mehr Polizei und Stadtordnungsdienst in ihrem Kiez, ein Wert, der so in Leipzig kaum woanders erreicht wird.

Auch stellt Altlindenau die meisten Betroffenen von Fahrraddiebstählen. Mit 26 % der Befragten wurden in Altlindenau so viele Fahrräder von Anwohnern gestohlen, wie sonst nirgends. Das Sicherheitsgefühl sinkt mit Einbruch der Nachstunden massiv.“

Zum Wunsch nach mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt in den Ortsteilen. Grafik: Stadt Leipzig, Sicherheitsbefragung 2016
Der Wunsch nach mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt in den Ortsteilen. Grafik: Stadt Leipzig, Sicherheitsbefragung 2016

Die letzte ausgewertete Sicherheitsbefragung stammt aus dem Jahr 2016. Dass diese Zahlen auch 2024 noch gelten, darf man stark bezweifeln. Eigentlich wäre 2021 die nächste Sicherheitsbefragung dran gewesen, aber die fiel dann wegen Corona aus. 2023 brachte Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning tatsächlich die nächste Befragung zur Sicherheit in Leipzig auf den Weg, für die 6.000 Leipzigerinnen und Leipziger befragt werden sollten. Die Ergebnisse dieser Befragung liegen aber noch nicht vor.

Ein völlig durchschnittlicher Ortsteil

Weshalb sich die vom CDU-Antrag erwähnten 30 bis 40 Prozent nach einem Wunsch nach mehr Polizei und Stadtordnungsdienst auf die Befragung von 2016 beziehen. Aber die nächste Behauptung ist dann schlichtweg falsch: „Ein Wert, der so in Leipzig kaum woanders erreicht wird.“

Wer auf die zugehörige Karte in der Befragung von 2016 schaut, sieht, dass ein Wert von 30 bis 40 Prozent eher Durchschnitt war. Im Südwesten, Westen und Osten der Stadt reihen sich die Ortsteile, wo über 50 Prozent der Befragten sich mehr Polizeipräsenz wünschen. Ein deutliches Bild: Die Bewohner der Ortsteile am Stadtrand wünschten sich deutlich mehr Polizeipräsenz als die im Stadtinneren.

Der Lindenauer Markt bzw. Altlindenau fällt auch bei den registrierten Straftaten nur durchschnittlich auf. Hier gab es 2021 das letzte Handout für die Stadträte, wo Altlindenau mit einer Häufigkeitszahl von 13.137 Straftaten auf 100.000 Einwohner ebenfalls nur einen für Leipzig durchschnittlichen Wert erreichte. Und die meisten Straftaten waren: Diebstähle, unter anderem die im Antrag erwähnten Fahrraddiebstähle.

Es gibt eine ganze Reihe anderer Ortsteile, die eine wesentlich höhere Belastung mit Straftaten aufweisen – zum Beispiel fast alle Zentrum-Ortsteile (bis auf das Waldstraßenviertel), wo noch viel mehr Diebstähle registriert werden. Deutlich höhere Zahlen haben auch Neustadt-Neuschönefeld, Volkmarsdorf und Reudnitz-Thonberg, aber auch Möckern, Lützschena-Stahmeln und Seehausen.

Die Argumentation der CDU-Fraktion ist also gewaltig schief. Aber so konstruiert man eben – gefühlte – Kriminalitätsschwerpunkte. Und begründet damit dann die Forderung nach einer weiteren Polizeiwache.

„Sich jetzt auf die Suche und Machbarkeit einer Präsenz von Polizei und Stadtordnungsdienst zu konzentrieren, scheint hierbei nur nötig. Immerhin stellt der Lindenauer Markt auch einen Ort dar, der durch Straßenbahn- und Buslinien, Kultureinrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten hochfrequentiert ist.

Die daraus zwangsläufig entstehenden Sicherheitsbedürfnisse von Besuchern und Anwohnern sind am besten mit einem Stadtordnungsdienst- und Polizeiposten am Lindenauer Markt abzuhelfen“, schließt die CDU-Fraktion die Begründung ihres Antrags.

Den Vorschlag, dafür dann gleich mal das „Interim“ zu nehmen, hat CDU-Fraktionsvorsitzer Michael Weickert dann am 14. September auf Instagram nachgelegt.

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Keine Kommentare bisher

Kann mir kaum vorstellen, dass die Überforderung der Quatsch-Polizei durch einen weiteren Polizeiposten verringert wird. Wollte die aus öffentlichen Geldern finanzierten Unordnungshüter schon mehrfach auf gestohlene Fahrräder und E-Bikes hinweisen und bin leider immer gescheitert.

U.A. an falsch angegebenen E-Mail-Adressen des Polizeireviers auf deren Webseite. “Die E.-Mailadresse ist persönlich. Bitte die E-Mail Adresse nicht für derartige Informationen, Anzeigen oder Ähnlichen (sic!) nutzen.”, am Urlaub des Bürgerpolizisten “Danke für die Informationr. Leider bin ich erst heute wieder im Dienst und kann mich dieser Sache annehmen”

oder an anderem Quatsch. Und die CDU will, dass ich noch mehr Steuern für noch mehr Nonsens bezahlen soll? – Ach, lasst mal gut sein, ihr blöden Angstmacher.

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