Wenn so etwas auf dem Redaktionstisch landet, ist man natürlich erst einmal alarmiert: „Eklatanter Rechtsbruch und Verstoß gegen die Wasserrahmenrichtlinie an der Weißen Elster“, schrieb uns die Initiative Stadtnatur. „Das Amt für Umweltschutz Leipzig erlaubt naturfernen Gewässerausbau und Hafenneubau als genehmigungsfreie ‚Unterhaltungsmaßnahme zur angeblichen Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Weißen Elster‘ und ignoriert wichtige Aspekte des Naturschutz- und Wasserrechts bei Gewässerausbau und Neubau eines Bootshauses am Klingerweg im Überschwemmungsgebiet der Weißen Elster.“

Die Initiative Stadtnatur beantragte im August deshalb die Prüfung des Verwaltungshandelns bei der Landesdirektion Sachsen.

Würden Ämter so handeln, wäre das tatsächlich ein Skandal. Immerhin liegt das Stück Natur auch noch im Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald. Aber ein richtiger Hafenausbau im LSG? Das wollten wir dann doch genauer wissen. Zum Beispiel von der Landestalsperrenverwaltung (LTV), die hier ganz offensichtlich gebaut hat, was auch auf dem Foto der Initiative Stadtnatur wie ein kleines Hafenbecken aussah.

Von der Stadt bekam die Initiative selbst schon einen Hinweis, dass das wohl eher kein neues Hafenbecken wäre.

„Das Amt teilte daraufhin überraschenderweise mit, dass es sich bei der Neuschaffung des Gewässers um eine genehmigungsfreie Unterhaltungsmaßnahme der Landestalsperrenverwaltung (LTV) zur Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) handele. Das Amt für Umweltschutz kannte das Vorhaben zwar, war jedoch offensichtlich in keiner Weise tätig geworden, obwohl bereits damals erkennbar war, dass für den Ausbau ein wasserrechtliches Verfahren notwendig gewesen wäre“, so die Initiative Stadtnatur.

Welche Rolle spielt der Kanu-Stützpunkt?

Die sich auch über ein Bauvorhaben direkt daneben wunderte: „Im darauf folgenden Winter wurde direkt angrenzend der Neubau eines großen neuen Bootshauses begonnen. Da massive Schädigungen des Bodens, der Vegetation und der Schutzgebiete offensichtlich waren“, so die Initiative Stadtnatur.

Am 24. Mai wurde hier ganz offiziell der Grundstein für die Erweiterung des Bundes- und Landesstützpunkts Kanurennsport des SC DhfK gelegt. Darüber berichtete auch die LZ. Auch der liegt im Landschaftsschutzgebiet. Also gab es noch mehr Fragen. Auch an die Stadt. Zum Beispiel zu der nicht ganz unwichtigen Frage, ob es für den Neubau eigentlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung gab, wie sie die Initiative Stadtnatur als unbedingt notwendig ansah.

Aber dazu sei das Projekt dann wieder zu klein, teilte uns die Stadt mit. Fein gespickt mit lauter Paragrafen, die erläutern, warum eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht notwendig war: „Die Pflicht zur Prüfung zur Umweltverträglichkeit wird gem. §5 Umweltverträglichkeitsgesetz durch die becheiderlassende Behörde festgestellt.

Das Baugenehmigungsverfahren zum Bootshaus wurde im sog. Vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gem. § 63 Sächsische Bauordnung geprüft. Aufgrund des durch den Gesetzgeber vorgegeben Prüfverfahrens des § 63 SächsBO ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung gem. UVP-Gesetz nicht vorgesehen.

Hierbei ist der Prüfumfang auf die planungsrechtliche Beurteilung sowie das sogenannte aufgedrängte Fachrecht begrenzt. Die Prüfung durch das Amt für Umweltschutz gem. Anlage 1 zum UVPG ergab dennoch keine UVP-Pflicht des Vorhabens aufgrund der geringen Größe.

Das Vorhaben unterliegt demnach keiner Umweltverträglichkeitsprüfung.“

Fertiggestellte Ufertasche auf dem Gebiet der ehemaligen Rödel am Klingerweg. Foto: Initiative Stadtnatur
Die fertiggestellte Ufertasche auf dem Gebiet der ehemaligen Rödel am Klingerweg. Foto: Initiative Stadtnatur

Ausgleichsmaßnahmen vor Ort

Die Prüfung wurde also geprüft und für nicht notwendig empfunden. Trotzdem, so teilt die Stadt mit, wurden Ausgleichsmaßnahmen angewiesen. Und zwar vor Ort: „Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens wurden Kompensationsmaßnahmen festgesetzt.

Für die Eingriffe in das bereits anthropogen stark überprägte sowie bislang vorrangig von Sportlern und Besuchern genutzte Plangebiet (insbes. Beachvolleyballanlage, Mehrzweckhartplatz, Intensivrasen, Schotterflächen, Wege, in geringem Umfang auch Hecken/Gebüsche in Form überwiegend nicht standortgerechter Gehölze) wurden auf dem Gelände des SC DHfK selbst Kompensationsmaßnahmen festgesetzt (u.a.: Anlage von Hecken/Gebüschen in Form einheimischer, standortgerechter Gehölze).“

Womit noch die Frage offen blieb, ob der gleich daneben angelegte Wasserbereich nun etwas mit dem Kanu-Stützpunkt zu tun hat oder nicht.

Nein, antwortete uns die Stadt: „Seitens der Stadt Leipzig teilen wir mit, dass eine geplante Nutzung als Hafenanlage hier nicht bekannt ist.“ Aber worum handelt es sich dann, wenn es kein Hafenbecken ist, wie die Initiative Stadtnatur vermutete?

„Seitens der Stadt wurde durch den Gewässerunterhalter eine Gewässerunterhaltung angezeigt. Die Arbeiten wurden durch eine ökologische Baubegleitung überwacht. Für Maßnahmen der Gewässerunterhaltung ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich“, teilt uns die Verwaltung mit.

Eine Wiedergutmachung für das Hochwasser von 2013

Also blieb die Landestalsperrenverwaltung anzufragen. Und die erklärte dann ganz ohne Paragrafen, dass man hier ganz bewusst ein Stück der ehemaligen Rödel wieder geöffnet hatte, um eine wertvolle Ufertasche für die Weiße Elster zu schaffen. Den genau an dieser Stelle mündete bis vor 100 Jahren die dann zugeschüttete Rödel in die Weiße Elster.

Und diese Gelegenheit nutzte die Talsperrenverwaltung (LTV) 2023, um eine Ufertasche für die Weiße Elster anzulegen.

„Durch die Landestalsperrenverwaltung Sachsen wurde in Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Bereich der Mündung des ehemaligen Gewässers ‘Rödel’ auf den Gewässerflurstücken des Freistaates Sachsen im Jahr 2023 mit der Wiederherstellung einer gewässerökologisch wertvollen Ufertasche an der ‚Weißen Elster‘ begonnen. Ufertaschen beeinflussen einen Gewässerabschnitt positiv, da sich hier verschiedenste Flora- und Fauna-Individuen ansiedeln können“, teilte uns die LTV auf Nachfrage mit.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung musste es für die Maßnahme ebenfalls nicht geben, so die LTV: „Es handelt sich um eine Gewässerunterhaltungsmaßnahme, welche beim zuständigen Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig angezeigt wurde und von der unteren Wasserbehörde, der unteren Naturschutzbehörde und der unteren Bodenschutzbehörde fachlich begleitet wird. Gewässerunterhaltungsmaßnahmen sind nicht genehmigungspflichtig.“

Nur findet man normalerweise die aktuellen Maßnahmen der LTV auf einer Maßnahmenkarte auf deren Website. Warum gerade diese ökologische Maßnahme dort nicht verzeichnet war, wunderte uns natürlich.

Die Erklärung der LTV: „Gewässerunterhaltungsmaßnahmen werden nicht auf den Maßnahmekarten für Hochwasserschutzprojekte dargestellt.“ Und: „Die Landestalsperrenverwaltung führt jedes Jahr in ganz Sachsen eine Vielzahl an Maßnahmen, z. B. im Hochwasserschutz, in der Gewässerentwicklung oder in der Instandhaltung von Stauanlagen durch. Aus Kapazitätsgründen ist es nicht möglich, alle dieser Maßnahmen durch Pressemitteilungen oder andere Informationsmaterialien der Öffentlichkeit genauer vorzustellen. Es erfolgt eine Priorisierung.“

Deshalb gab es auch keine offizielle Pressemitteilung zu dieser Maßnahme, obwohl sie ja die Gewässerqualität der Weißen Elster an dieser Stelle verbessern soll. Aber da wir schon mal dabei waren, wollten wir trotzdem wissen, was so eine Maßnahme kostet. Die LTV: „Die Sedimentberäumungsmaßnahme der Landestalsperrenverwaltung kostete 175.000 Euro und wurde mit Mitteln der Schadensbeseitigung nach dem Hochwasser 2013 finanziert.“

„Es sind keinerlei naturnahe Elemente wie z.B. eine geschwungene Uferlinie, Gehölzanpflanzungen oder Ufervegetation vorhanden. Es handelt sich im Prinzip um einen neuen Hafen für das Bootshaus“, hatte die Initiative Stadtnatur vermutet. Die LTV sagt, dass es nicht so ist. Die Landesdirektion prüft.

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