Nein, in Anger-Crottendorf ist der Parkdruck nicht höher als in anderen Ortsteilen. Aber hier ist die Stadt seit den intensiven Diskussionen um ein Parkraumkonzept schon viel, viel weiter, was die Suche nach einer Lösung des Parkraumproblems betrifft. Angefangen hatte es mit einem Riesenproblem an Falschparkerei. Und so beschäftigen sich die Stadtratsfraktionen nun seit geraumer Zeit mit der Suche nach Lösungen für die Probleme der Autobesitzer.

Im August scheiterte die CDU-Fraktion mit einem Vorstoß für eine Quartiersgarage in der Eisenbahnstraße. Am 19. September stand nun ein (neu gefasster) SPD-Antrag auf der Tagesordnung, in dem es ganz zentral hieß: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, im Rahmen der Erstellung des Langfristkonzepts Ruhender Verkehr mögliche stadtweite Bedarfe und Potenziale für Quartiersgaragen/Quartiers-Hubs zu untersuchen und die Prüfergebnisse im Langfristkonzept festzuhalten.“

Und nicht nur das, wie SPD-Stadträtin Anja Feichtinger ausführte. Man hatte schon eine Idee, wie in Anger-Crottendorf kurzfristig so ein Parkhaus umsetzbar wäre.

Das steckte in Antragspunkt 3: „Als erstes Pilotprojekt setzt der Oberbürgermeister eine Quartiersgarage im Stadtteil Anger-Crottendorf auf dem Gelände der neu zu errichtenden Rettungswache in der Theodor-Neubauer-Straße 37 (Flurstücke 25/1;25/2;25/3, Gemarkung Crottendorf) um. Dazu legt der Oberbürgermeister dem Stadtrat und Stadtbezirksbeirat Ost ein Umsetzungskonzept – basierend auf der bereits erstellten Machbarkeitsstudie – bis zum 31.12.2024 vor.“

Ein ganz kritischer Punkt, wie der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter anmerkte, denn damit würde sich die Stadt verpflichten, letztlich selbst ein Parkhaus zu bauen – und das würde mit einem heftigen Betrag im ohnehin schon knappen Leipziger Haushalt aufschlagen.

Und es wäre auch das erste Mal, dass die Stadt selbst ein solches Parkhaus baut – mit dem Risiko, auf den Kosten dann sitzen zu bleiben. Denn bislang sind Quartiersgaragen und Quartiers-Parkhäuser kein Erfolgskonzept in Leipzig. Die Bewohner der Ortsteile parken lieber im engen Straßenraum, als für viel Geld einen Stellplatz im Parkhaus anzumieten.

Auch eine Quartiersgarage muss sich rechnen

So gesehen war der Vorstoß schon skurril. Und Baubürgermeister Thomas Dienberg warnte zumindest vorsichtig, dass bei so einem Projekt die Wirtschaftlichkeit zwingend zu berücksichtigen sei. Denn es gab ja schon mehrere interessierte Investoren, die solche Quartiersparkhäuser bauen wollten – sie nahmen aber fast alle Abstand von dem Projekt, weil sie die Parkhäuser nicht wirtschaftlich hätten betreiben können.

Wobei aus SPD-Sicht noch ein paar andere Vorteile zu bedenken wären bei so einem Parkhaus: „Im öffentlichen Raum gibt es mehr ruhenden Verkehr, als Platz dafür da ist. Eine Möglichkeit, diese Problemlage zu lösen, ist die Errichtung von Quartiersgaragen. Gerade mit Blick auf die wachsende Anzahl an E-Fahrzeugen in der Stadt muss auch Ladeinfrastruktur geschaffen werden. Dies ist unkomplizierter an einem Standort möglich als im gesamten Verkehrsraum.

Quartiersgaragen können zur Steigerung der Aufenthaltsqualität in den Quartieren beitragen, weil Straßenraum vom ruhenden Verkehr befreit wird und somit für Schanigärten oder Urban Gardening genutzt werden könnte.

Für das Pilotprojekt gibt es bereits eine Machbarkeitsstudie von Januar 2023, welche die Stadt Leipzig erstellt hat. Nach dieser Studie ist die Umsetzung am genannten Standort möglich. Es fehlt jedoch in der Stadtverwaltung an einer organisatorischen Zuordnung im Fachdezernat.

Darüber hinaus kann die Quartiersgarage, die durch den avisierten Schulneubau wegfallenden Stellplätze kompensieren und die Aufenthaltsqualität im Quartier erhöhen. Dritte, wie Leipziger Verkehrsbetriebe, Stadtwerke Leipzig und private Bauunternehmen können in das Projekt einbezogen werden.“

Aber wie gesagt: Die Stadt hier quasi als Projektträger einzusetzen, ist hochproblematisch und wirtschaftlich nicht kalkulierbar.

Keine Steuermittel für Quartiersgaragen

Was also tun? Franziska Riekewald, Fraktionsvorsitzende der Linken, stellte dann konsequenterweise gleich den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung. Der schon sehr deutlich formulierte, dass sich die Stadt auf ein Abenteuer Parkhaus nicht einlassen will: „Zu Beschlusspunkt 3 wird ein Alternativvorschlag formuliert, da die Stadt selbst aus Steuermitteln keine Quartiersgaragen für private Kfz errichtet und betreibt. Zum konkreten Standort am Polygraphplatz befindet sich die Verwaltung bereits mit möglichen Investoren zur Herstellung und Betreibung der Quartiersgarage bzw. Quartiers-Hub in Gesprächen.“

In der Stellungnahme aus dem Baudezernat wurde das auch noch konkretisiert: „Zum beantragten Beschlusspunkt 3 unterbreitet die Verwaltung einen Alternativvorschlag. Am genannten Standort könnten die Rahmenbedingungen für die Errichtung eines Quartiers-Hubs vorliegen. Eine durchgeführte Parkraumanalyse im betreffenden Gebiet hat einen mittleren bis hohen Parkdruck analysiert.

Insbesondere abends und nachts ist die Auslastung am höchsten. Es gibt kaum Stellplatzreserven. Mit dem zukünftigen Wegfall von bestehenden Garagen im Zuge eines Schulneubaus wird die Situation noch verschärft. Demzufolge wird die Errichtung eines ‘Quartiers-Hubs’ in Anger-Crottendorf seitens der Stadt unterstützt und hierzu laufen auch bereits Abstimmungen mit unterschiedlichen Akteuren.

Bevor eine konkrete Planung vorgenommen werden kann, sind noch weitere Fragestellungen, insbesondere zum Bau und Betrieb eines solchen Quartiers-Hubs zu klären. Prinzipiell muss ein wirtschaftlicher Bau und Betrieb der Anlage gegeben sein. Errichtung und Unterhaltung von Stellplätzen für private Kfz können und sollen, mit Ausnahme von Stellplatzablösemitteln, nicht aus Haushaltsmitteln der Stadt subventioniert werden.

Es wird derzeit zusammen mit möglichen Akteuren geprüft, ob in einem Quartiers-Hub verschiedene Mobilitätsangebote (u. a. auch sichere Abstellplätze für Fahrräder, Sharing-Angebote, Paketstationen) sowie weitere Nutzungen (Einkaufsmöglichkeiten, Büroräume, Freizeit-Nutzungen) gebündelt werden können.“

Die Stadt ist also längst in Gesprächen. Und wenn sich ein Investor findet, der in dem Bau so eines Quartiers-Hub wirtschaftliche Chancen sieht, dürfte das wohl auch zur Umsetzung kommen. Wenn es aber so kommt, wie bei früheren Quartiersgaragenkonzepten, würde auch ein von der Stadt gebautes Parkhaus wirtschaftlich einfach zur Geldverbrennungsanlage werden.

Konzept zum Ruhenden Verkehr 2025

Unabhängig davon will das Baudezernat bis zum 1. Halbjahr 2025 ein Langfristkonzept Ruhender Verkehr für Anger-Crottendorf vorlegen. Das kann auch bedeuten, dass 2025 dann eine Parkraumbewirtschaftung wie im Waldstraßenviertel eingeführt wird, um das Wildparken im Quartier letztlich zu unterbinden und den tatsächlichen Anwohnern einen Stellplatz in Wohnortnähe zu sichern.

Eigentlich ein logisches Vorgehen, das am 19. September auch die Stadtratsmehrheit so sah. Der Verwaltungsstandpunkt bekam 39:22 Stimmen.

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Es gibt 5 Kommentare

Nun, TLpz, schätzen Sie sich glücklich, diese Parkplätze entdeckt zu haben.
Aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass es dort – sehr unterschiedlich nach abendlicher Tageszeit oder Wochentag – öfter Situationen gibt, da fährt man mehrfach! große Runden, und findet keinen LEGALEN Parkplatz mehr. Obwohl die Laufbereitschaft vorhanden ist.
Aber ich will kein großer Kläger sein: Wenn sich eben alle Autos kaufen (in der Stadt), muss man einfach damit rechnen, keinen Platz zu finden. Oder man besorgt sich einen Parkplatz.

Aber ich sehe es ähnlich. Quartiersgaragen werden nur schwer akzeptiert, da hier Geld fließen muss.
Siehe mein erster Kommentar – vielleicht gibt es da noch Ideen woanders?

@TLpz:
DAS ist ja nun wirklich ein leicht zu lösendes Problem:
Gibt es eine Quartiersgarage, dann werden natürlich alle kostenlosen Parkplätze abgeschafft. Für Kurzzeitparker werden Parkuhren aufgestellt, 1,50 € die Stunde 24/7. Da ist so ein Stellplatz für 50-100 € im Monat geschenkt!
Quasi Nutzungszwang der Garage, wenn man länger parken möchte.

Am Samstag spät Abend bin ich durch besagtes Viertel gefahren. Es gab im Bereich der Lieselotte-Herrman-Str. freie Parkplätze, sowohl im Bereich der Sporthalle, als auch weiter in Richtung Krönerstr. Diese war außerdem noch gesperrt, so dass dort reguläre Parkplätze wegfielen. Es gib in A-C durchaus freie Parkplätze, scheinbar sind viele Autobesitzer jedoch zu bequem, ein paar Meter Laufweg auf sich zu nehmen. Das ist auch in anderen Vierteln zu beobachten. Schon allein deshalb werden Quartiersgaragen scheitern. Hinzu kommen die Kosten bei Anmietung eines Stellplatzes in einer neu errichteten Quartiersgarage. Da würde so manch einer ob des realistischen Preises schlucken und hoffen, dass sich genug (dumme) finden, dies zu bezahlen. Dann wäre für das eigene Vehikel ja wieder (kostenfreier) Platz auf der Straße…

Interessant wird, ob die geplante Schule denn nun wirklich kommt, da ja der Schulneubau in Leipzig gerade erheblich durcheinandergewirbelt wird -> Geburtenrückgänge.

Interessant wäre auch, ob es in anderen Städten mal so etwas wie ein durch Bürgerhand oder “Bürgergeld” finanziertes oder gar betriebenes Parkhaus gibt? Dann kann der Bürger selbst den Spagat durchleben, die Investition abzuzahlen und für Auslastung zu sorgen. Vielleicht geht so was gar mit einer Art Genossenschaft? Meistens haben die Parkenden ja ein längeres Interesse an einem Parkort.

Danke für die Überschrit, welche das Thema noch einmal für alle mit extrem kurzer Aufmerksamkeitsspanne wunderbar zusammenfasst.
Danke auch für den Text, der das Wahlkampfmanöver der SPD beschreibt.
Aber, der vorletzte Absatz ist natürlich Quatsch. Das Langfristkonzept Ruhender Verkehr gilt für ganz Leipzig, nicht nur für Teile. Und es wird in Anger-Crottendorf keine Parkraumbewirtschaftung geben. Denn das Ergebnis der Parkraumanalyse ist ja, dass es die lieben Anwohnenden selbst sind, die ihren Stadtteil zuparken.

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