Wie kann eine Stadt mit dem Lärm eines Flughafens umgehen, der nicht auf dem eigenen Stadtgebiet liegt? Der aber so nahe liegt, dass gerade der nächtliche Fluglärm gleich mehrere Ortsteile im Nordwesten und Westen beschallt. Und zwar stärker, als es die Lärmmessungen des Flughafens selbst ergeben hatten. Um das messen zu können, solle die Stadt stationäre Fluglärmmessstationen in Wahren, Möckern und Böhlitz-Ehrenberg einrichten.

Das schlug Stefan Drechsel im Rahmen des Bürgerhaushalts 2025/2026 vor. Denn seit den bekannt gewordenen fehlerhaften Lärmergebnissen des Flughafens Leipzig/Halle für die Leipziger Ortslage Lützschena-Stahmeln ist deutlich, dass bisher gerade auf Leipziger Stadtgebiet viele Haushalte deutlich mehr Fluglärm abbekommen, als es die Modellierungen des Flughafens bisher anzeigten.

„Aufgrund geografischer Besonderheiten dringt tieffrequenter Fluglärm bei den Starts von Flugzeugen in Richtung West u.a. in die Stadtteile Böhlitz-Ehrenberg, Wahren, Möckern“, stellt Stefan Drechsel fest. „Die Messergebnisse privater Langzeit-Messungen übersteigen regelmäßig gesetzliche Werte. Die schädigende Wirkung der vorrangig tieffrequenten Lärmemissionen sind wissenschaftlich belegt. Die hier genannten Stadtteile beinhalten eine Einwohnerzahl von min. 50.000 Einwohnern. Als Grundlage für zu erarbeitende Lärmschutzmaßnahmen sind stationäre und reproduzierbare Langzeit-Messungen erforderlich.“

Er betont auch: „Ziel soll hier nicht die Verhinderung des Flughafens sein, sondern ein auf Augenhöhe entwickelter Lärmschutzplan.“

Selber messen als Option

Das war auch schon mehrfach Thema im Leipziger Stadtrat. Weshalb die Verwaltung auf diesen Bürgervorschlag erst einmal mit einer Ablehnung reagiert: „Die Stadtverwaltung lehnt den Bürgervorschlag ab, weil die Stadt Leipzig nach Luftverkehrsrecht nicht für offizielle Überprüfungsmessungen bzgl. Fluglärm zuständig ist. Daneben ist die Installation von drei eigenen Fluglärmmessstationen im Nordwesten von Leipzig bereits in Bearbeitung (vgl. Beschluss zur Vorlage VII-HP-05094-NF-02).“

Aber es wurde ja nun wirklich schon genug darüber diskutiert, wie Leipzig überhaupt zu eigenen Messergebnissen kommt, wenn der Flughafen partout keine wirklich belastbaren Zahlen vorlegt. Also wird der Vorschlag dennoch zur Abstimmung zugelassen: „Unabhängig vom Standpunkt der Stadtverwaltung wird der Bürgervorschlag auf Grundlage der Anforderungen des Leipziger Bürgerhaushaltes zur Abstimmung zugelassen.“

Und dann kommt der bürokratische Teil der Antwort, der gerade die Fluglärmbetroffenen im Nordwesten und Westen seit Jahren frustriert, weil er auch wie eine Ausrede klingt: „Die Stadt Leipzig hat generell keine Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Luftverkehrsrechts. Gemäß § 19a Luftverkehrsgesetz ist die Flughafen Leipzig/Halle GmbH als Flughafenbetreiberin verpflichtet, im Umfeld des Flughafens Fluglärmmessungen durchzuführen.

Dazu verfügt der Flughafen über zehn stationäre und drei mobile Fluglärmmessstationen. Letztere können auf Antrag und nach Zustimmung der Fluglärmkommission im Umfeld des Flughafens an variierenden Standorten zur Ermittlung der aktuellen Lärmbelastung eingesetzt werden, da nicht in jedem Ortsteil im Umfeld des Flughafens eine dauerhafte Messstation errichtet werden kann.

Für Messanfragen Leipziger Bürgerinnen und Bürger gibt es innerhalb der Stadt Leipzig ein bewährtes Vorgehen. Diese können an den jeweils zuständigen Ortschafts- bzw. Stadtbezirksbeirat herangetragen werden. Diese prüfen die Anfrage und geben den Messbedarf bei Zustimmung an das Mitglied der Stadt Leipzig in der Fluglärmkommission weiter, welches in der nächsten Sitzung der Fluglärmkommission einen entsprechenden Antrag einbringt.

Beispielsweise hat die letzte Überprüfungsmessung im Ortsteil Böhlitz-Ehrenberg im Jahr 2021 im Bereich Gundorf stattgefunden und eine sichere Einhaltung der Schallschutzkriterien für den Tag- und Nachtzeitraum ergeben.“

Ein bekanntlich zähes Verfahren, das jahrelang auf ziemlichen Unwillen bei demn Lärmverursachern stieß, bis dann tatsächlich mal in Lützschena-Stahmeln gemessen wurde und die Flughafenleitung in der Fluglärmkommission erstaunt zugeben musste, dass hier 2.000 Haushalte seit Jahren mit einem Fluglärm beschallt wurden, der deutlich über den eh schon hohen Grenzwerten lag.

Was dann zu Anträgen im Stadtrat führte, dass die Stadt sich endlich eigene Messstationen zulegen soll, um dieses Versteckspiel zu beenden.

„Zusätzlich ist die Stadtverwaltung Leipzig derzeit gemäß Beschluss der Ratsversammlung vom 10.11.2021 zur Vorlage VII-HP-05094-NF-02 dabei, drei eigene dauerhafte Fluglärmmessstationen im Leipziger Nordwesten aufzustellen. Damit sind zwar lediglich orientierende Fluglärmmessungen möglich, dennoch können etwaige Veränderungen frühzeitig erkannt und Trends abgelesen werden“, gibt dann die Verwaltung in ihrer Stellungnahme zum Bürgervorschlag zu.

„Konkret sieht der Beschluss eine Aufstellung in den Ortsteilen Lützschena-Stahmeln, Lindenthal und Gundorf/Burghausen vor. Gundorf gehört zum Ortsteil Böhlitz-Ehrenberg, während die Ortsteile Wahren und Möckern südlich vom Ortsteil Lindenthal sowie südöstlich vom Ortsteil Lützschena-Stahmeln gelegen sind. Sie liegen damit weiter entfernt vom Flughafen als die geplanten Aufstellorte.

Zudem verlaufen über die Ortsteile Wahren und Möckern keine veröffentlichten An- und Abflugrouten. Vor diesem Hintergrund werden die bereits vorgesehenen zusätzlichen kommunalen Messungen in den drei Ortsteilen als ausreichend erachtet.“

Da kann man dann gespannt sein, wie der Flughafen reagiert, wenn die drei Messstationen auch in den anderen Ortsteilen überhöhte Lärmpegel ausweisen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Die 3 Messstationen müssten lt. Vorgangshistorie doch längst angeschafft und in Betrieb sein?!
Wer weiß hier Aktuelles?

Der Flughafen macht sich – zu Recht – nur Feinde, in dem er selbst seinen Pflichten nur auf nerviger Nachfrage folgt. Er sollte selbst regelmäßig Messungen, auch außerhalb seines Lärmgebietes, durchführen, und so mit den Ergebnissen die ständigen Vorwürfe entkräften können.
Falls bei ihm der Verdacht naheliegt, das ginge “nach hinten los”, müsste gerade die Stadt Leipzig umso mehr für den Schutz ihrer Bürger eintreten, und Messungen forcieren.
Da dies offenbar auch nur unter starkem Druck passiert, muss der Bürger von einem korrumpierten Geflecht an politischen Verstrickungen ausgehen.

Da fehlen seit Jahrzehnten Transparenz und Bürgernähe – das ist der Nährboden für weitere Politikverdrossenheit und obendrein unerwünschte Demokratiefeinde.

Schreiben Sie einen Kommentar