Schrittchen für Schrittchen. Seit 2017 ist eine mögliche Bebauung der Kiebietzmark in Paunsdorf-Heiterblick Thema im Stadtrat. Schon damals war sichtbar, dass Leipzig beim Wohnungsbau dem Bevölkerungswachstum hinterherhinkte. Doch wenn eine Stadt bauen will, ist das trotzdem ein elend langer Prozess, bis auch nur die Planung steht. Am 23. Mai beschloss der Stadtrat die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 482 „Stadtquartier Paunsdorfer Allee/Permoserstraße“.

Eine große Diskussion gab es nicht, denn das Wesentliche wurde schon in vergangenen Stadtratssitzungen – wie im Oktober 2023 bei einer Fragestunde – diskutiert.

Aber Baubürgermeister Thomas Dienberg brachte trotzdem noch einmal beiläufig auf den Punkt, warum die Stadt jetzt ein 25 Hektar großes Baugebiet an der Permoserstraße draußen in Paunsdorf-Heiterblick erschließt. Obwohl es im innerstädtische Gebiet genug große Bauflächen gäbe, auf denen tausende Wohnungen gebaut werden könnten.

Dumm nur, dass alle diese Flächen nicht der Stadt gehören. Teils wurden sie von der Treuhand, teils von der Deutschen Bahn an private Käufer veräußert, die daraus gerade in der Zeit des beginnenden Wachstums ab 2000 regelrechte Spekulationsobjekte gemacht haben.

Das Problem für die Stadt, wie Dienberg anmerkte: Es kostet enormen Personalaufwand, diese Flächen überhaupt für den Wohnungsbau zu aktivieren. Und selbst wenn man mühsam mit den privaten Investoren übereingekommen ist, dort stadtverträglich zu bauen, passiert oft trotzdem nichts, bleiben die Brachen liegen und kein einziger Baukran dreht sich.

Ausweichen auf den Stadtrand

Und auch wo neue Wohneinheiten auf Brachflächen in der Innenstadt geplant werden, kommt es zunehmend zu Nutzungskonflikten. Bürger und Umweltverbände protestieren aus teilweise unterschiedlichen Gründen gegen den Verlust von Freiraum, Frischluftschneisen oder artenreichen Grünbeständen.

Also sei die Stadt gezwungen, Bauflächen auch am Rand des Siedlungszusammenhangs zu erschließen, so Dienberg. Und bei den Flächen an der Permoserstraße hätte die Stadt wenigstens das Glück, dass ihr die meisten Flächen gehören. Man wolle zwar ein verdichtetes Wohnquartier, so Dienberg, müsse dort aber trotzdem auch Rücksicht nehmen auf geschützte Gehölze und Gewässerschutz. Das neue Quartier solle wassersensibel und energieeffizient werden.

Aber bevor überhaupt geplant werden kann, braucht es einen gültigen Bebauungsplan. Dessen Aufstellung stand am 23. Mai in der Ratsversammlung zum Beschluss.

Ein Klagegesang um künftige Stellplätze

Doch wo die Stadtratsmehrheit hinter eine künftig umweltfreundlicheren Baugestaltung steht, kommt immer noch ein Stadtrat aus grauen Vorzeiten ans Rednerpult und versucht ein Lamento anzustimmen über die dann fehlenden Stellplätze, weil das Quartier ja möglichst autoarm werden soll. Aber in der Welt eines AfD-Stadtrats wie Udo Bütow kommt man ohne Auto nicht zur Arbeit und sind Fahrten mit der Straßenbahn viel zu weit.

In der Sicht des AfD-Mannes ziehen junge Familien ja deshalb aus der Stadt, weil sie hier keinen Stellplatz mehr finden.

Herr Udo Bütow (AfD) im Leipziger Stadtrat am 23.05.24. Foto: Jan Kaefer
Udo Bütow (AfD) im Leipziger Stadtrat am 23.05.24. Foto: Jan Kaefer

Obwohl ein anderer Grund nachweislich viel stärker dazu beiträgt: Das massive Fehlen familiengerechter Wohnungen in der Stadt, dem ja auch der Bau des neuen Wohngebietes an der Permoser Straße abhelfen soll.

Baubeginn dort wird wohl trotzdem erst 2028 sein. Schritt für Schritt muss die Stadt gehen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten. Wenn der Bebauungsplan steht, geht es um die architektonische Gestaltung.

Nicht nur die AfD-Fraktion enthielt sich dann am 2. Mai der Stimme, sondern auch die Grünen-Fraktion – aus diametral völlig entgegengesetzten Gründen, wie Fraktionsvorsitzender Dr. Tobias Peter hinterher erklärte: Die Grünen haben ihre Probleme mit dem Bauen auf der grünen Wiese. Berechtigterweise. Nur kommen sie eben auch nicht aus dem Dilemma heraus, dass große potenzielle Baugebiete im Stadtinneren völlig blockiert sind, weil Investoren nicht bauen oder die Flächen nach wie vor reine Spekulationsobjekte sind.

Ergebnis der Abstimmung: eine trotzdem deutliche Befürwortung mit 35 „Ja“-Stimmen und 20 Enthaltungen.

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Es gibt 12 Kommentare

Ja, lieber User “Urs”, da gebe ich Ihnen gerne und auch mal recht!
Nun haben wir ja gerade jede Menge neuer Experten ans Steuer gewählt…

Ja, lieber User “Christian”, von Politik muß man verlangen können, auf die Gesamtbalance zu achten. Es liegt im Interesse überwiegend auswärtiger Immobilienbesitzer, eine hohe Mietnachfrage vorzufinden und diese weiter steigen zu sehen. Denen ist Klumpenbildung in Pleißathen hochwillkommen. Den bisherigen “Insassen” von Kleinparis, um ein weiteres Synonym zu bemühen, kann derlei aber bestimmt nicht recht sein. Politik zu betreiben muß auch heißen können, “nein danke” zu sagen und Empfehlungen für andere Standorte zu geben, finde ich.

@TLpz
Naja, das mag sein, dass die Leute weiterhin hierherziehen, aber mit dem Bau zusätzlicher Wohnungen verlangsamt man die Probleme nur etwas, und schafft neue (unökologische Verdichtung, Versiegelung).

Müsste man nicht darauf achten, dass sich nicht immer mehr Firmen in Leipzig ansiedeln.
Wobei am Rand ja noch gut wäre, weil man dann außerhalb wohnen kann.

Irgendwann überdreht man die Schraube, aus Steuergeiz und politischer Idiotie.
Und die Preise gehen mit.
Warum muss eine Stadt ewig wachsen? Kann man nicht sagen, wir optimieren unsere Verhältnisse / Infrastruktur auf 650.000 Einwohner und fertig?

Was bringt ein besser bezahlter Job in Leipzig, wenn man in Größenordnung mehr Miete zahlen muss? Das geht sich nicht aus.

@Thomas_2
Widewidewitt oder was?
Natürlich klingt es erstmal einfach, nicht zu bauen. Zu glauben, dass dann keine Leute mehr herziehen ist aber eher ein Aberglaube. Denn die Leute ziehen nicht nur nach Leipzig weil es hier so schön ist, sondern weil die Jobs wahrscheinlich hier etwas besser bezahlt sind als auf dem Land. Gibt es nicht ausreichend Wohnraum, wird der (zu) knappe Wohnraum einfach teuer und zwingt die, die es sich dann nicht mehr leisten können, weiter hinaus zu ziehen. Das ist dann die Unterschicht und auch schon ein Teil der Mittelschicht. Man schafft dadurch eher nur Pendlerströme, die dann im Zweifelsfall nicht mit dem ÖPNV erfolgen, sondern mit dem KfZ. Ob das besser für die Umwelt ist?

@Tobias: Die Bevölkerung nimmt eben nicht zu. Es ziehen nur immer mehr in die Städte. Und wenn es keine Wohnungen in der Stadt gibt, dann kann man auch nicht herziehen. So rein logisch erst einmal ist Bauen damit eben nicht alternativlos.

Besser für die Umwelt wäre es allemal, in vorhandene, leerstehende Gebäude auf dem Land zu ziehen.

Was wäre denn die alternative zu mehr Wohnungen für eine größer werdende Bevölkerungsmenge?
FIFO: die alten werden abgeschoben?
LIFO: wer nicht binnen kürzester Zeit zur Untermiete wohnt wird abgeschoben?
Oder wird gelost, wer gehen muss?
Parteienpräferenz? Hatten wir schon mal, war auch scheiße.

Also bleibt nur bauen. Wo man nicht drauf bauen kann muss man eben nebenan bauen.

@robin W.
Wenn die DDR noch 3 Jahre existiert hätte, hätte man Heiterblick-Süd (Kiebitzmark) schon vor 30 Jahren bebaut.
Es ist auch nicht so als hätte sich Verwaltung darum bemüht hier endlich einen B-Plan aufstellen zu dürfen. Ganz im Gegenteil. Die Politik hat sich seit 2018 für die Bebauung eingesetzt und Verwaltung musste nun liefern. Es ist übrigens nur ein B-Plan. Ob da irgendwann tatsächlich gebaut wird, ist doch noch völlig unklar.
Die Bevölkerungszahl steigt und es scheint so zu sein als wollten viele Menschen nicht zusätzliche Personen in ihre Wohnungen aufnehmen. In der Konsequenz benötigt man also zusätzliche Wohnungen und die müssen auch irgendwo gebaut werden.
Ja, solche Wohngebiete sind tendenziell problematisch – nicht nur wegen der Versiegelung.
Lieber wäre mir bspw. wenn man das P.C. so umbaut, dass unten einkaufen ist und darüber 4 Etagen Wohnen.

Ich denke, Dienberg stellt gerade sein allgemeines Kommunalwahlmotto vor: “Leipzig versiegelt nachhaltig”. Und mit den geplanten 20 ha Neuversiegelung über den B-Plan Heiterblick ist mal wieder ein kleines Stückchen geschafft. Und es ist doch prima, dass es nicht immer nur bei diesen Wahlkampfversprechungen bleibt…

@Urs
Grimmig? Dienberg schaut doch nicht grimmig auf dem Foto. Es ist auch keine Eigenschaft, die man mit der Person Dienberg verbindet. Er schaut eher resigniert, verunsichert oder verdutzt.

“Dichtestress” ist ein Wort, welches in der Stadtplanung auch in Dtl. bekannt ist. Leipzig ist aber sehr, sehr weit weg von einer so dichten Bebauung wie bspw. München. Leipzig ist vom “Dichtestress” ggf. für Misanthropen ein schwerer Fall – für die meisten Menschen allerdings noch nicht mal richtig urban. Um richtigen Dichtestress zu erreichen, müsste Leipzig die Bevölkerungszahl verdoppeln + ein dicht besiedeltes Umland bekommen. Das Leipziger Umland ist allerdings so dünn besiedelt, dass man noch nicht mal von einem “Speckgürtel” reden kann.

Das ist ultralustig, lieber Autor, wie Sie das Thema “Heiterblick-Süd” mit einer grimmigen Photographie von Herrn Bürgermeister und Beigeordneten für Stadtentwicklung und Bau, Thomas Dienberg am Rednerpult illustrieren!

Zum Thema: wo nicht auf ewiggestrige Autohalter und -fahrer (m/w/d) mit Fingern gezeigt werden kann, ist kein Distinktionsgewinn, leider. Deshalb zeigt es sich so schön.

Aber ich möchte der Fraktion B90/DG durchaus zustimmen: die Stadt sich weiter ausbreiten lassen geht im Grunde nicht. Und die Fundamentalfrage ist nach wie vor, wie man eine Abkehr davon schafft, daß diese Großstadt immer weiter Menschen zu Tausenden im Jahr neu anzieht? Wenn ich lese, daß die LWB gerade einen markanten renovierten Plattenbau aus den Siebzigern mit 12€/m² kalt neu vermieten, oder so ähnlich, wird es mir schlecht. Oder an Stellen, wo man vor 20 Jahren die Blöcke abgerissen hat, nun neue Blöcke hinbaut!?

In der CH kennt man das seltsame Wort “Dichtestreß”. Das drückt durchaus auf eine dortige Art von Ausländerfeindlichkeit aus. Derlei meine ich mit meiner Frage, wie (und inwieweit) die Stadt Leipzig ihre Attraktoreigenschaft ablegen könnte. Es wäre eben eine Aufgabe von Politik, Klumpenbildung zu vermeiden!

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