Eigentlich scheint alles klar zu sein: Die Leipzig International School will auf dem Jahrtausendfeld in Lindenau einen eigenen Schulcampus bauen. Die Pläne scheinen schon sehr detailliert zu sein, obwohl dem Stadtrat bis heute kein Bebauungsplan vorliegt und auch kein wirklich wahrnehmbares Beteiligungsverfahren mit den Bürgern stattgefunden hat. Die machen ihrem Ärger nun auch mit einer Petition Luft.
Gleichzeitig hat der BUND öffentlich gemacht, dass er aus der Beteiligung zum Dialogverfahren zum „Schulcampus Jahrtausendfeld“ aussteigt.
„Der Bauumfang auf dem Jahrtausendfeld stand bereits vorher fest und die Möglichkeiten der Grünflächengestaltung sind enorm begrenzt. Daher haben wir erkennen müssen, dass unsere Möglichkeiten der Einflussnahme in diesem Beteiligungsformat sehr begrenzt sind“, erklärt dazu Martin Hilbrecht, Vorsitzender des BUND Leipzig. „Das zu erwartende Ergebnis wollen wir als Umweltverband nicht mittragen.“
Die Position des BUND zum Jahrtausendfeld findet man hier.
Hier fehlt ein Stadtteilpark
Die Leipzig International School (LIS) plant auf dem Gelände des sogenannten Jahrtausendfelds an der Karl-Heine-Straße den Bau einer Schule für rund 2.000 Kinder und Jugendliche in Form eines offenen Campus. Dabei soll ein Teil der schulischen Freiflächen und Gebäude zu bestimmten Tageszeiten für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Für den BUND besteht das Hauptproblem im Ausmaß des Bauprojekts, welches mit Gebäuden und Außenanlagen den größten Teil des Jahrtausendfelds in Anspruch nehmen würde.
„Wir sind durchaus für eine Teilbebauung offen“, betont Elke Thiess vom BUND Leipzig. „Wegen der guten Anbindung an den ÖPNV ist der Standort für eine Schule geeignet. Ein großer Teil des Jahrtausendfelds soll jedoch nach unserem Wunsch zu einem öffentlich zugänglichen Stadtteilpark werden. Für eine wachsende Bevölkerung braucht es auch mehr grüne Freiräume. Die wenigen vorhandenen Parks und Spielplätze sind bereits stark übernutzt.“
Lindenau und Plagwitz seien dicht besiedelte und thermisch hoch belastete urbane Bereiche. Nach dem Grundsatz der „Doppelten Innenentwicklung“ dürfe hier eine weitere bauliche Verdichtung nur mit der gleichzeitigen Schaffung von Grünflächen einhergehen, so der BUND.
Das Feld wurde von Anwohnern und Besuchern jahrelang als Freifläche angenommen und für Sport und Freizeit genutzt. Es gab eine Blüten- und Insektenvielfalt sowie viel Grün. Diese Strukturen wurden durch die wiederholten Rodungen der letzten Jahre – selbst in Dürrezeiten – leider gründlich zerstört, kritisiert der BUND den Umgang mit dem Gelände.
Der BUND Leipzig fordert für das Jahrtausendfeld – so, wie es gerade auch die Linksfraktion beantragt hat – einen qualifizierten Bebauungsplan mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Im B-Plan sollten klimabedeutsame Flächenanteile von Bebauung freigehalten und begrünt werden. Gleichzeitig soll ein Anteil der Fläche als öffentliche Grünfläche gestaltet werden, welche in Größe und Ausstattung dem Bedarf im Stadtteil entspricht.
Drei eindringliche Fragen
Dass die Pläne für den Schulcampus der LIS schon so konkret sind, hat auch Charlotte Steuber irritiert, die jetzt ein Fragenpaket für die Ratsversammlung eingereicht hat, mit drei Fragen, die eigentlich die Sorge formulieren, warum die Bürgerbeteiligung hier regelrecht ausgebremst wurde.
Ihre drei Fragen:
„1. Das Dialogverfahren wurde zwar als ‚Dialog‘verfahren groß angekündigt, ließ Bürger/-innen jedoch überhaupt keine Chance, Einwände gegen die Bebauung an sich zu äußern, da diese von vornherein als unwiderruflich markiert wurde. Warum dürfen Bürger/-innen nicht ihre Sorgen zur Bebauung an sich äußern/die Bebauung an sich nicht erst einmal im Dialogverfahren diskutieren, sondern sich nur in Arbeitsgruppen daran beteiligen, wie die Bebauung vonstattengehen soll?
2. Meine größte Sorge bezüglich der Bebauung des Jahrtausendfeldes durch die LIS sind die klimatischen Auswirkungen auf das Viertel.
Das obere Plagwitz hat leider kaum Grünflächen zur Verfügung, die zur Kaltluftbildung beitragen. Nicht nur, dass viele Menschen (Familien, junge Leute, Menschen mit Hund etc.) diese Grünfläche tagtäglich zur Erholung nutzen, zum Verweilen, zum Spazieren, zum Spielen, im Winter zum Schlittenfahren und für vieles mehr, nein, diese Grünfläche sorgt laut der Klimaanalyse der Stadt Leipzig auch für eine erhebliche Entlastung des Stadtklimas, insbesondere im Sommer.
Ganz einfach gefragt: Warum will die Stadt Leipzig solch eine Grünfläche versiegeln und bebauen und somit die Erhitzung des Viertels begünstigen? Wie ich gehört habe, soll der Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig ein ‚neuartiges städtisches Ökotop‘ werden und sich damit den ‚klimatischen Veränderungen unserer Zukunft‘ stellen.
Warum sollen gleichzeitig Flächen wie der Wilhelm-Leuschner-Platz ‚entsiegelt‘ und begrünt und das Jahrtausendfeld versiegelt werden, obwohl viele Menschen diese Grünfläche tagtäglich nutzen und bewiesen wurde, dass sie zur Verbesserung des Klimas im Viertel beiträgt?
3. Ich finde, es ist erschreckend, wie wenig Gedanken sich um die Probleme, die solch ein Schulbau mit einer solch hohen Dichte von Schüler:innen mit sich bringt, gemacht wurde. Wo sollen die Autos der Eltern von 2000 Schüler:innen parken, wenn diese morgens zur Schule gefahren werden? Auf der Karl-Heine-Straße staut es sich bereits jeden Morgen. Inwiefern kann ein Campus öffentlich sein und von der Allgemeinheit genutzt werden, wenn es sich um eine Schule mit Ganztagsangeboten handelt?“
Dazu muss die Verwaltung nun bis zur nächsten Ratsversammlung Stellung beziehen.
Anwohner/-innen von Lindenau haben eine Petition gestartet
Aber am Donnerstag, dem 25. April, ging dann auch eine Petition von Anwohner/-innen online, die innerhalb von 24 Stunden bereits 1.000 Unterschriften gesammelt hat. Inzwischen sind es über 1.700.
Und sie thematisiert auch den Zeitdruck, der jetzt auf einmal auf diesem Stück Freiraum entsteht, auf dem über 20 Jahre praktisch nichts voranging.
„Mittendrin, auf dem Jahrtausendfeld, soll schon ab 2025 ein privater Schulcampus der Leipzig International School (LIS) für mehr als 2.000 Schüler/-innen entstehen. Eine solche Schulgröße ist in ganz Leipzig bislang nicht existent – die ‚Schule am Palmengarten‘ zählt derzeit ca. 1.120, die am Jahrtausendfeld direkt anliegende Grundschule ‚Schule Gießerstraße‘ zählt knapp 500 Schüler/-innen.
Den benötigten Platz für 2.000 Kinder und Jugendliche bereitzustellen bedeutet, dass das Jahrtausendfeld komplett bebaut und zu großen Teilen versiegelt wird, einerseits mit Gebäuden, andererseits mit Schulhof- und Sportflächen. Die beliebte öffentliche Grünfläche wird somit Geschichte.“
Und fürs Stadtklima wäre das Bauprojekt geradezu fatal, stellt die Petition fest: „In der Stadtklimaanalyse auf der Seite der Stadt Leipzig wird das Jahrtausendfeld als Grünfläche mit ‚sehr hoher Schutzwürdigkeit‘ ausgewiesen. – Der Grund für die Schutzwürdigkeit besteht darin, dass das Jahrtausendfeld im Angesicht der Hitzebelastung in der Stadt als Freifläche schon jetzt zur Verbesserung der Luftqualität und zur Reduzierung der Sommerhitze beiträgt.“
Und auch das Verkehrsaufkommen wird absehbar zum Problem: „Für das bereits bestehende morgendliche Verkehrschaos vor der Grundschule in der Gießerstraße, direkt am Jahrtausendfeld gelegen, hat die Stadt bis heute keine Lösung gefunden. Zudem ist laut dem ‚Zonengutachten SG Leipzig-Plagwitz‘ die Lärmbelastung auf der Karl-Heine-Straße durch das derzeitige Verkehrsaufkommen schon jetzt sehr hoch.“
Fehlende Teilhabe und Gentrifizierung
Und noch eine Befürchtung äußert die Petition: „Mit einer monatlichen Schulgebühr von durchschnittlich 950 € ist die International School die teuerste Privatschule in Leipzig. Das bedeutet, dass die meisten Kinder der umliegenden Viertel vom Bildungsangebot der Leipzig International School ausgeschlossen sind, da sich die wenigsten Anwohner/-innen von Lindenau, Altlindenau und Plagwitz ein solches Schulgeld leisten können.
(…) Mit dem Bau eines solch elitären Projektes werden die Gentrifizierung des Viertels zusehends weiter voran und die Mieten in die Höhe getrieben. Es gehen abermals gemeinwohlorientierte Flächen im Westen verloren.“
Musste es so kommen? Die Petition jedenfalls vermutet das ganz stark: „Im derzeit von der Stadtverwaltung initiierten, abgespeckten und schnell abgewickelten Dialogverfahren, entgegen des Beschlusses der Leipziger
Ratsversammlung vom 24.02.2021, wird klar: die LIS und die Stadtbau AG – die Eigentümerin der Fläche, deren CEO auch Vorstandsmitglied der Stiftung der LIS ist und bis 2021 Geschäftsführer der LIS war – machen
Druck und wollen ohne Bebauungsplan im Schnellverfahren ihr Vorhaben durchsetzen.“
Und so stehen jetzt die Forderungen der Petition nach der Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplanes, dem Erhalt des Areals als Gemeinbedarfsfläche und einem ganzheitlichen Plan der Stadt Leipzig zum Erhalt und zur Schaffung notwendiger Grünflächen im Raum.
Es gibt 2 Kommentare
Diese Zahl höre ich zum ersten mal. Selbst zur öffentlichem Auftaktveranstaltung am 08.02.24 ist mir diese Zahl nur im Zusammenhang der Gesamtzahl beider Schulen (Könneritzstraße & Jahrtausendfeld) vorstellbar. Ich habe mir auch als interessierter Bürger um als BI RGG NPO für eine Teilnahme beworben. Bin bei der Auslotung nicht gezogen worden. Diese Verfahrensweise habe ich akzeptiert. Jeder kann sich hier weiter Sachkundig machen. https://static.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.6_Dez6_Stadtentwicklung_Bau/61_Stadtplanungsamt/Stadtentwicklungsprojekte/Jahrtausendfeld/Auftaktveranstaltung_Jahrtausendfeld_Prasentation.pdf
2000 Schülis klingt nach manipulativer Tür-in’s-Gesicht-Technik: mit einer überhöhten Forderung einsteigen um den Interessen der BürgerÏnnen später “entgegenzukommen”.