Im Lauf der vergangenen 90 Jahre hat sich die Neue Luppe tief eingeschnitten ins Gelände. So tief, dass sie dem Auwald in der Nordwestaue das Wasser entzieht. Das muss sich ändern. Aber wie? Die Landestalsperrenverwaltung will am 4. Oktober einen ersten Versuch starten: 90 Tonnen kiesige Sedimente werden unterhalb des Luppewehres in Leipziger Flusssystem eingebracht.

Die Landestalsperrenverwaltung Sachsen (LTV) wird am 4. und 5. Oktober einen ersten Feldversuch zur sogenannten Geschiebezugabe am rechten Ufer der Neuen Luppe in der Stadt Leipzig starten.

Dabei werden in den begradigten, eingetieften Teil der Neuen Luppe etwa einen Kilometer unterhalb des Luppewehres an zwei Stellen rund 90 Tonnen kiesige Sedimente eingebracht. Das ist ein Abschnitt an der Neuen Luppe, wo von der LTV im Vorfeld schon Bodenabtragungen vorgenommen wurden (Korrektur unterm Artikel, d.Red.). Sie gelten als Zeichen auch dafür, mit welcher Wucht das Wasser hier nach starken Regenfällen durchs Gerinne schießt, durch nichts gebremst, sodass die Neue Luppe auch kaum Nischen für reiche Wasserbiotope ausbilden kann.

Die Kosten für das Projekt der Landestalsperrenverwaltung betragen rund 7.000 Euro, die aus Mitteln des Aufbauhilfefonds 2013 finanziert werden.

Die Jahreszahl ist keine Täuschung. Den Fonds gibt es tatsächlich. Er wurde 2013 eingerichtet, um die Hochwasserschäden der vom Hochwasser im Mai und Juni 2013 betroffenen Länder auszugleichen.

Was passiert jetzt an der Neuen Luppe?

Zunächst wird der Kies vom Sedimentationsbecken Großzschocher an die Neue Luppe transportiert. Anschließend wird dieser Kies punktuell als Schüttkegel auf Höhe der Wasserlinie eingebracht. Die Strömung des Gewässers sorgt dann für eine dynamische Verteilung des Materials in flussabwärtiger Richtung, erläutert die Landestalsperrenverwaltung.

Der Feldversuch ist Grundlage für die Planung späterer Maßnahmen, die der Tiefenerosion aus dem Geschiebedefizit in der Neuen Luppe entgegenwirken und das Voranschreiten des tieferen Eingrabens in das Gelände aufhalten sollen. Gleichzeitig wird mit dem jetzigen Feldversuch der ökologische Zustand in diesem Bereich des Gewässers aufgewertet, indem sich die im Kieslückensystem befindlichen Laich- und Lebensräume aquatischer Lebewesen verbessern.

Alle notwendigen Abstimmungen mit der Stadt Leipzig und dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sind erfolgt, so die LTV. Neben einer ökologischen Baubegleitung wurde auch der Anglerverband Leipzig e.V. mit einer besonderen Kontrolle auf Fische, Muscheln und Krebse in den relevanten Flussbereichen beauftragt. Die Maßnahme erfolgt außerhalb von Fischlaich- und Brutzeiten von Vögeln. Die kiesigen Sedimente wurden im Vorfeld auf Schadstofffreiheit untersucht.

Nach dem Einbringen des Kieses kann es zu einer kurzzeitigen Wassertrübung in der Neuen Luppe kommen, so die LTV.

Korrektur, 9. 10. 2023: Michael Liebmann, der für Pro Leipzig gerade ein großes Buch über das Leipziger Auensystem vorbereitet, hat zu den oben genannten auffälligen Bodenabtragungen bei der Landestalsperrenverwaltung (LTV) nachgefragt. Fälschlicherweise hatten wir geschrieben, es handele sich dabei um Erosionserscheinungen. In der Antwort der LTV heißt es:

„Ziel der aktuellen Maßnahmen ist es, der Tiefenerosion aus dem Geschiebedefizit in der Neuen Luppe entgegenzuwirken und das Voranschreiten des tieferen Eingrabens in das Gelände aufzuhalten.

Anfang dieses Jahres fanden bereits Arbeiten auf der gegenüberliegenden Gewässerseite nach der Entwidmung des Deiches ‘Möckernscher Winkel’ statt. Hierbei wurden Bodenumlagerungen vorgenommen, die bei einer erhöhten Wasserführung der Neuen Luppe die Möglichkeiten bieten, dass Wasser in den angrenzenden Auenwald eindringen kann. Neben der Schlitzung des vormaligen Deiches erfolgten im Gewässervorland Bodenabtragungen, die die Eigendynamik der Neuen Luppe im Sinne einer Entwicklung gemäß den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie ermöglichen sollen. Mit den nunmehr im aktuellen Artikel der Leipziger Zeitung beschriebenen ‘massiven Abbrüche am Ufer’ sind vermutlich diese Arbeiten gemeint, da es in diesem Bereich keine natürlichen Abbrüche gab.“

Wir haben es im Artikel korrigiert.

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Es gibt 3 Kommentare

Was mit der bisherigen Pflanzen- und Tierwelt beim Einbringen von 90t (und das ist nur ein Test) Geschiebematerial passiert, habe ich mich auch gefragt.

Ich hoffe nicht, dass sich die LTV hier mit etwas Sedimentkies einen leichten Fuß machen will und die tatsächlich erforderlichen Maßnahmen, die freilich etwas Geld kosten, versucht zu umgehen.

Die tatsächlichen Sohlenhöhen von Elsterflussbett, Neuer Luppe, Nahle und Pleißeflussbett, lagen ursprünglich mehrere Meter höher. Durch Wasserschwankungen bis zu 4m ist der Leipziger Auenwald überhaupt erst entstanden. Später kam noch Erosion dazu und vertieften Luppe und Nahle noch mehr.

Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass seit 2013 insgesamt geringere Durchflüsse zu verzeichnen sind, und so gut wie keine jahreszeitlichen Hochwasser mehr.
Der Klimawandel und der Bergbau entfalten hier erhebliche Folgen.
Wenn also das Auensystem also revitalisiert bzw. erhalten werden soll, muss gewährleistet werden, dass auch die Oberflächenwässer regelmäßig Zugang zum Auensystem haben können.

Ich kann mir beim besten Wissen nicht vorstellen, wie man mit ein bisschen Kies diesen Zustand herstellen will. Ein Wehr wird kommen müssen.
Und wenn ich die PM richtig interpretiere, ist das auch nur ein erstes Verhindern von größeren Schäden mit Maßnahmen, “die der Tiefenerosion aus dem Geschiebedefizit in der Neuen Luppe entgegenwirken und das Voranschreiten des tieferen Eingrabens in das Gelände aufhalten sollen.”

Nach meinen letzten LTV Informationen aus dem NuKla Symposium soll die Neue Luppe weiterhin bestehen bleiben, nur die Sohle möglichst aufgehöht werden. Wie im Artikel beschrieben ist das wahrscheinlich ein Versuch zur Sohlaufhöhung, damit der Bau einer Sohlschwelle oder eines Wehres am Zusammenfluss der Nahle in die Luppe vermieden wird. Sicher wegen des Eingriffes in den Auwald und wegen der Kosten. Wobei ich gern Aussagen erfahren hätte, ist bei der Sedimentseintragung, was mit den Pflanzen und Tieren im Sohlbereich wird, wenn diese verschüttet werden?
Bei den Böschungen hätte ich nicht die Bedenken, denn ein Mäandern des Kanals wäre wünschenswert wegen der Ruhezonen für Laichplätze mit Wasserpflanzen und wegen der Verbesserung nach Wasserrahmenrichtlinie.

Interessant.
Ich dachte eigentlich, die Sohlenerhöhung und auch die Verhinderung von Geschiebetransport soll durch ein Wehr weiter abwärts realisiert werden.

Wird nicht bei Beibehaltung des bisherigen Flussquerschnitts der Geschiebetransport trotzdem weiter stattfinden?

Die Maßnahme kann wohl nur eine kurzfristige interimistische Lösung für die Tiefenerosion der Sohle sein. Eventuell aufgrund der Gewässerqualität.

Allerdings wird es bei Erhöhung der Sohle und gleich bleibendem Wasservolumen auch zu einem Auswaschen der Ufer kommen…, oder?

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