Es gibt Dinge, mit denen rechnet man einfach nicht. So wie am 26. April, als ein tragischer Bootsunfall in Lindenau für Aufsehen sorgte. „Gestern Vormittag waren zwei junge Männer (31, 47) jeweils mit einem Einer-Kajak auf dem Fluss Kleine Luppe unterwegs“, meldete die Polizei am nächsten Tag. „Nördlich der Lützner Straße kenterten beide Kajaks aus bislang ungeklärter Ursache. Der 47-Jährige konnte das Wasser zeitnah verlassen. Der 31-Jährige musste durch einen Ersthelfer und mit Hilfe der Feuerwehr aus dem Wasser gezogen werden.“

Im Krankenhaus verstarb der 31-Jährige dann. Aber das löste noch längst nicht das Rätsel, wie es zu dem tragischen Bootsunfall gekommen war. „Auch wenn die Strecke für Paddler nicht als offizieller Wasserwanderweg ausgeschrieben ist, ist diese Strecke auf der Kleinen Luppe unerlaubt befahrbar“, stellte die SPD-Fraktion gleich postwendend in einer Anfrage für die Ratsversammlung fest.

Aber ganz so selbstverständlich ist es eben nicht, dass auf der Kleinen Luppe gepaddelt wird. Seit einige Tagen macht das auch ein rotweißes Absperrband am Abzweig der Kleinen Luppe von der Weißen Elster deutlich. Denn gerade am Lindenauer Wehr wird es für Paddler gefährlich. Denn als Paddelkurs ist das Flüsschen gar nicht vorgesehen.

Kommt im WTNK eben nicht vor

„Auf Grundlage des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes lenkt die Stadt Leipzig den Wassertourismus, indem sie wassertouristische Kurse ausgewiesen hat“, erklärt es das Amt für Stadtgrün und Gewässer auf eine Anfrage des Linkie-Stadtrats Volker Külow hin.

„Entlang der Kurse befinden sich wassertouristische Beschilderungen, wie zum Beispiel am Kurs 1, der vom Stadthafen Leipzig über den Floßgraben bis zum Cospudener See führt. Im Rahmen dieser Beschilderung erfolgen zusätzliche Gefahrenhinweise vor Wehranlagen. Die Beschilderung wird regelmäßig kontrolliert, gewartet und bei Bedarf erneuert. Da die Kleine Luppe nicht Bestandteil der wassertouristischen Kurse ist, gibt es hier keine wassertouristische Beschilderung.“

Das Schild unter der Palmgartenbrücke weist auf das gefährliche Wehr hin. Foto: Marko Hofmann
Das Schild unter der Palmgartenbrücke weist auf das gefährliche Wehr hin. Foto: Marko Hofmann

Aber ein Blick unter die Palmgartenbrücke zeigt: Hier ist ein deutliches Hinweisschild auf das Wehr angebracht. Wer hier angepaddelt kommt, sieht also, dass es wohl besser ist, nicht weiterzufahren.

Aber noch besser sei es, so das Amt für Stadtgrün und Gewässer, wenn man sich vorher über seinen Paddelkurs informiert: „Die Nutzung der Gewässer erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr (Gemeingebrauch i. S. d. § 16 Sächsisches Wassergesetz). Mit Hilfe verschiedener Angebote, wie z. B. einer Wasserwanderkarte und der Einweisung durch den gewerblichen Verleiher, kann man sich vor einer Paddeltour informieren.

In der Wasserwanderkarte sind alle Wehranlagen des Gewässersystems mit dem Hinweis, an welcher Uferseite oberhalb und unterhalb des Wehres ausgestiegen und umgetragen werden sollte, dargestellt. Im Jahr 2021 erfolgte eine Überarbeitung der Wasserwanderkarte, in deren Rahmen auch die Stadt Leipzig inhaltlich involviert war. Die Herausgabe der Wasserwanderkarte obliegt jedoch nicht der Stadt Leipzig.

Grundsätzlich ist im Bereich von Wehren durch den Betreiber der Wehranlagen mittels eines Schildes auf die Gefahr hinzuweisen. Dies trifft nachweislich für die Kleine Luppe zu.“

Der Unfall von 2008

Ein tödlicher Unfall hatte ja die Stadt schon 2008 aufgeschreckt: „Nach einem tödlichen Unfall von Nachwuchssportlern im Jahr 2008 am Palmengartenwehr (in Zuständigkeit der Landestalsperrenverwaltung) wurde dieses durch die Stadt Leipzig in den Folgejahren mit einem Warnkugelseil und mit Rettungsschaukeln ausgestattet.“

Aber man kann durchaus noch mehr tun, betont das Amt für Stadtgrün und Gewässer: „Zudem wurde bereits 2009 ein Sicherheitskonzept für den Leipziger Gewässerknoten erarbeitet, welches u. a. speziell in der Nähe von Wehranlagen Gegenmaßnahmen (bspw. Hinweis-/Warnschilder, Ein-/Ausstiegsmöglichkeiten) zur Vermeidung von Unfällen vorschlug.

In der weiteren Umsetzung des Konzeptes hat die Stadt Leipzig die Planungen für eine Umtrageeinrichtung am Wehr Großzschocher (Weiße Elster, Gewässer I. Ordnung) begonnen und plant den Bau für die Jahre 2024/2025.

Weiterhin besteht im Bereich der Ritter-Pflugk-Str. (ebenfalls Weiße Elster) die Notwendigkeit der Einrichtung einer sicheren Einstiegsstelle, da eine immer größer werdende Anzahl an Wassersportlerinnen und Wassersportlern die steile Böschung zum Ein-/Ausstieg nutzt. Auch hierfür wurden die Planungen begonnen und sollen 2024/2025 umgesetzt werden.“

Muss das Wehr in Lindenau so bleiben?

Eigentlich logisch, dass Volker Külow dann noch fragte: „Müsste das Lindenauer Wehr ggf. sogar baulich verändert werden?“

„Hierzu kann die Stadt Leipzig keine Aussage treffen, da sich das Lindenauer Wehr in Zuständigkeit der Landestalsperrenverwaltung befindet“, war jetzt die Antwort der Stadt. Sehr kurz angebunden, darf man sagen, denn gegenüber der SPD-Fraktion, die ebenfalls ihre Fragen zu dem tragischen Unfall stellte, war das Amt ein bisschen auskunftsfreudiger.

Blick von oben über das Wehr an der Kleinen Luppe. Foto: Marko Hofmann
Blick von oben über das Wehr an der Kleinen Luppe. Foto: Marko Hofmann

Die hatte gefragt: „Ist es denkbar, ähnliche Sicherungsmaßnahmen wie am Palmengartenwehr/Elsterwehr einzurichten und/oder Rettungsmittel und Ausstiegshilfen zu installieren?“

„Dies ist grundsätzlich möglich“, erwiderte das Amt für Stadtgrün und Gewässer. „Da die Kleine Luppe und das Lindenauer Wehr jedoch nicht Bestandteil eines wassertouristischen Kurses sind, ist dies seitens der Stadt Leipzig nicht vorgesehen.“

Was zumindest die Frage nach sich zieht: warum eigentlich nicht? Kann es sein, dass das Wassertouristische Nutzungskonzept vor allem auf Motorboote ausgerichtet ist und man Strecken, die allein für Paddler interessant sind, schlichtweg ignoriert? Denn natürlich sind Gespräche mit der Landestalsperrenverwaltung möglich, wenn die Stadt signalisiert: Wir brauchen hier eine Umtrageeinrichtung.

Der alleinige Verweis auf die Zuständigkeiten ist nun einmal nicht die Lösung, sondern macht eher deutlich, dass die Kleine Luppe bislang einfach ignoriert wurde. „Die Gewässer I. Ordnung und die zugehörigen Wehranlagen befinden sich in Zuständigkeit der Landestalsperrenverwaltung. Die Kleine Luppe ist ein Gewässer I. Ordnung. Diesem ist das Wehr in Lindenau zuzuordnen“, hatte das Amt für Stadtgrün und Gewässer gegenüber Volker Külow betont.

„Für die Gewässer II. Ordnung und die zugehörigen Wehranlagen ist die Stadt Leipzig zuständig.“

Da ist Külows Frage nicht so ganz abwegig, wenn er sich nach den Kenntnissen der Stadt zum Unfallgeschehen erkundigt.

„Nein“, antwortete die Stadt. „Die Stadt Leipzig hat keine Kenntnisse zu Unglücksursache und -geschehen. Ansprechpartner hierfür ist die Polizeidirektion Leipzig.“

Aber in der Ratsversammlung am 31. Mai fragten weder Külow noch die SPD-Fraktion nach.

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