Der Versuch, den alten Stasi-Bau auf dem Matthäigelände zu erhalten, geht weiter. Das erfahren Leipzigs Stadträte jetzt mit der Vorlage „Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbsverfahrens zur Entwicklung des Areals Matthäikirchhof“ durch die Leipziger Stadtverwaltung. In dieser Vorlage erfährt man von einer doch sehr ungewöhnlichen Öffentlichkeitsbeteiligung, nach der Teile des alten Stasibaus doch irgendwie erhalten werden sollen.

Die Vorlage verweist genau auf diese Öffentlichkeitsbeteiligung. Aber repräsentativ und aussagekräftig war diese nie. Ganze 99 Personen stimmten 2021 online darüber ab, ob von der alten Bausubstanz auf dem Matthäikirchhof etwas erhalten werden sollte. Von diesen 99 stimmten 54 Prozent für den (teilweisen) Erhalt der Bauten.

Dass dies nichts mit einer transparenten und repräsentativen Abstimmung zu tun hatte, kann man auf der Website der Stadt nachlesen.

Konkretes Frageergebnis aus der Öffentlichkeitsbeteiligung von 2021. Grafik: Stadt Leipzig
Das konkrete Frageergebnis aus der Öffentlichkeitsbeteiligung von 2021. Grafik: Stadt Leipzig

„Im Verlauf der Aktionstage bestand für die Leipziger Stadtgesellschaft die Möglichkeit, ihre Meinungen zu den Ergebnissen der bisherigen Beteiligung zu äußern. Das Feedback wurde per Umfrage vor Ort eingeholt, wofür zwei Tablets an der Basisstation am Richard-Wagner-Platz zur Verfügung standen. Ebenso konnte die Umfrage über einen QR-Code mit dem eigenen Smartphone abgerufen werden“, heißt es da. Trotzdem stimmten nur 99 Personen ab.
Und von diesen dann knapp die Hälfte für die These „Der Matthäikirchhof soll baulich Bestehendes mit Neuem verbinden!“

Das kann bedeuten, die Runde Ecke soll sich mit den Neubauten gut verbinden. Das kann aber auch als Erhalt des alten Stasibaus interpretiert werden. Und genau das tut das Stadtplanungsamt jetzt.

Interpretationsspielraum für „Bestehendes“

„Ein konkreter Plan, wie mit dem Gebäudekomplex umgegangen werden soll, kann erst nach dem städtebaulichen Wettbewerbsverfahren erarbeitet werden, dass (sic!) im Ergebnis auch klären wird, welche Teile der Bestandsgebäude erhalten werden sollen und welche nicht“, heißt es in der Vorlage. „Ein Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung ist, dass der Gebäudekomplex in Teilen abgerissen sowie in Teilen erhalten und wieder in Nutzung gebracht werden soll. Dies wird in der Auslobung des Wettbewerbsverfahrens entsprechend aufgenommen.“

Genau so aber wurde in der Öffentlichkeitsbeteiligung gar nicht gefragt. Im Gegenteil. In deren Auswertung wird sogar extra betont: „Es wird deutlich, dass der Umgang mit dem Bestand kontrovers und auf emotionaler Betrachtungsebene diskutiert wird. Die formulierte These, insbesondere der Begriff des baulich ‚Bestehenden‘, bietet noch zu viel Interpretationsspielraum, um klar bewertet werden zu können.“

Doch genau das tut das Stadtplanungsamt jetzt. Denn diese Unklarheit wurde einfach als Anlass genommen, die Bausubstanz auf ihre Erhaltbarkeit hin zu prüfen.

Aussagen zu Sanierungskosten noch nicht möglich

„Ein Bauzustandsgutachten wurde durch die Verwaltung beauftragt. Das Fachgutachten zeigt, dass sowohl das Gebäude der ehemaligen Stasi-Bezirkszentrale als auch der ehemaligen Volkspolizei in einem sanierungsfähigen Zustand sind und beide einen ähnlich flexiblen Stahlbeton-Aufbau besitzen. Der bauliche Zustand des Gebäudes der Volkspolizei (Matthäikirchhof 1, das Gebäude verläuft parallel der Kleinen Fleischergasse und der Großen Fleischergasse) wird aufgrund jahrelanger Durchfeuchtung als schlechter eingeschätzt als das Gebäude der Staatssicherheit (Große Fleischergasse 12, das Gebäude liegt rechtwinklig zur Großen Fleischergasse, endet vor der Klingertreppe und war in den 90er Jahren Standort des Arbeitsamtes).

Bei beiden Gebäuden besteht jedoch aus baulicher Sicht zunächst grundsätzlich die Möglichkeit zur Sanierung, dazu sind die Gebäude auf den Rohbauzustand zurückzuführen. Erhebliche Betonsanierungsarbeiten sind notwendig, die Gebäude sind umfassend wärmeschutztechnisch zu ertüchtigen, die gesamte technische Erschließung ist zu erneuern. Eine Abnahme der Fassadenplatten und der Anbau einer leichten Vorhangfassade ist technisch möglich. Aussagen zu möglichen Sanierungskosten werden im Gutachten nicht getroffen“, heißt es zu dieser Untersuchung.

Während das Landesdenkmalamt eindeutig sagt, dass nichts an diesen Bauten schützenswert ist: „Ein bauhistorisches Gutachten wurde als Grundlage der Beurteilung der Denkmalwürdigkeit durch die Stadtverwaltung beauftragt. Im Ergebnis kommt das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen zu dem Schluss, dass die Gebäude der Volkspolizei und der Staatssicherheit aus den 1980er-Jahren nicht in die Denkmalliste eingetragen werden.“

Was nicht ausschließt, dass mutige Teilnehmer am Wettbewerbsverfahren die beiden Plattenbauten dennoch komplett abräumen und wirklich eine moderne Gestaltung für das Quartier finden.

Ungeplante Verzögerung

In den „Kerninhalten der Auslobung zum städtebaulichen Wettbewerbsverfahren Matthäikirchhof“ heißt es dazu: „Neben der Einbindung des denkmalgeschützten Bestands ‚Runde Ecke‘ und ‚Saalbau‘ und die mit der Quartiersentwicklung verbundene Einordnung von Neubauten, ist der Umgang mit dem nicht denkmalgeschützten Bestand der 80er Jahre Große Fleischergasse 12 (ehem. BVfS)/Matthäikirchhof 1 (ehem. VP) als zentrale Fragestellung überzeugend zu lösen. In Abwägung aller Belange und der besonderen Historie ist zu prüfen, ob und wie weit hier Bestehendes abgerissen und/oder mit Neuem verbunden werden kann.“

Die Vorlage gibt auch zu, dass die Bewerbung um das Zukunftszentrum hier für eine gewaltige Verzögerung gesorgt hat: „Aufgrund der Verzögerungen bei der Durchführung des Wettbewerbs durch die Bewerbung um das „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ ist ein Abschluss des Wettbewerbsverfahrens 2023 nicht mehr erreichbar. Entsprechende Anträge zur Verlängerung der Förderung in das Jahr 2024 werden – ergebnisoffen – durch die Stadtverwaltung beim Fördermittelgeber gestellt. – Nach der Entscheidung des Bundes über die Ansiedlung des ‘Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation’ in Halle ist die Ausgangslage für die Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbs nun gegeben.“

Jetzt herrscht also wieder Zeitdruck: „Die Fördermittel laufen bis Ende 2023, daher ist es geboten, den vorgesehenen offenen Teilnahmewettbewerb – soweit umsetzbar – 2023 durchzuführen.“

Die Beschlussvorlage zur Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbs am Matthäikirchhof.

Genau das soll jetzt beschlossen werden.

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Neben dieser Umfrage, gab es auch mehrere Podiumsdiskussionen zum Matthäikirchhof woran ich auch teilgenommen habe. Dabei wurde sich überwiegend für den Erhalt der Gebäude ausgesprochen.

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