Dass es auch Einwohneranfragen gibt, die in der Ratsversammlung zu ausführlichen Debatten führen können, war am 9. Februar in der Fortsetzung der Ratsversammlung zu erleben. Da kam die Anfrage von Wiebke Engelsing zu den geplanten Baumfällungen am Wilhelm-Leuschner-Platz zum Aufruf. Und Wiebke Engelsing kam auch selbst, um der Stadtverwaltung noch einmal ausführlich die Leviten zu lesen.

Denn aus ihrer Sicht war keine der von ihr gestellten Fragen tatsächlich adäquat beantwortet worden. Was vielleicht auch gar nicht möglich ist. Und die Gründe dafür benannte an diesem Tag auch Baubürgermeister Thomas Dienberg, der ja das Thema Wilhelm-Leuschner-Platz von seinen Amtsvorgänger/-innen geerbt hat. Mitsamt dem Masterplan, den die Ratsversammlung selbst beschlossen hat.

Eine Masterplanung, die letztlich eine Komplettbebauung des gesamten Gebietes an Markthallenstraße, Brüderstraße, Windmühlenstraße und Roßplatz vorsieht. Und damit unterm Strich die Komplettabholzung sämtlicher dort in den vergangenen 40 bis 65 Jahren gewachsenen Bäume. 165 Stück hat Wiebke Engelsing gezählt.

Der Baubürgermeister Thomas Dienberg am 9. Februar in der Ratsversammlung. Foto: Jan Kaefer
Baubürgermeister Thomas Dienberg am 9. Februar in der Ratsversammlung. Foto: Jan Kaefer

Und es liegt auf der Hand, dass das Roden eines solchen Baumbestandes an Ort und Stelle nicht kompensiert werden kann. Diese Biotope mit ihrem nachgewiesenen Artenreichtum gehen verloren.

Man kann sie auch nicht einfach irgendwo anders im Stadtgebiet kompensieren.

Die Antworten zur Anfrage zum Wilhelm-Leuschner-Platz.

Was Dienberg auch nicht abstritt. Doch anders als in der sehr schwammigen Antwort seines Dezernates sagte er am 9. Februar etwas, was eben dieser Antwort schlicht nicht zu entnehmen war. Denn dort konnte man lesen: „Um das Ziel zu erreichen, werden zur Förderung der Artenvielfalt und Biodiversität auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz von der Stadt Leipzig zahlreiche zielartenorientierte Maßnahmen auf der öffentlichen Freifläche im Westen und innerhalb der Baufelder im Osten planungsrechtlich umgesetzt. Diese gehen über die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen hinaus und werden in einem, den Bebauungsplan begleitenden, Artenvielfaltskonzept formuliert.

Abgeleitet von den artspezifischen Habitatansprüchen der sogenannten Schirmarten werden darin gezielte Maßnahmen innerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplans verortet. Für die öffentliche Freifläche wird die konkrete grünordnerische Gestaltung im Zuge des derzeit in Vorbereitung befindlichen Freiflächenwettbewerbes vorgenommen.“

Ein großes Stück Asphalt soll weichen

Denn da es – wie Dienberg betont – nicht möglich ist, den Baumbestand auf den geplanten Baufeldern zu erhalten, muss natürlich in nächster Nähe irgendwie ein Ausgleich geschaffen werden. Und das soll – so Dienberg – dadurch passieren, dass „große Teile der jetzt noch versiegelten Platzfläche im Westen entsiegelt werden“. Also genau dort, wo man heute noch den Asphalt des Wilhelm-Leuschner-Platzes sieht.

Hierzu hat die Stadt am 23. Januar eine Bürgerumfrage gestartet, deren letzter Tag der heutige 12. Februar ist.

Trotzdem war Wiebke Engelsing mit den Antworten – gerade aus artenschutzrechtlicher Sicht – überhaupt nicht einverstanden und will sie eigentlich komplett noch einmal fachlich beantwortet haben. Thomas Dienberg bot ihr deshalb das persönliche Gespräch an. Denn natürlich ist das Thema komplex.

Und gerade am Wilhelm-Leuschner-Platz sind viele Entscheidungen schon vor Jahren gefallen, die aus heutiger Sicht und im Angesicht von Klimawandel und Artensterben schlicht nicht mehr verständlich sind.

Die Frage ist jetzt tatsächlich, wie viel Grünraum die Stadt nun auf dem eigentlichen Wilhelm-Leuschner-Platz im Westen schaffen kann und ob dieses neue Grün den Verlust auf der Markthallenseite tatsächlich auch nur ein wenig zu kompensieren vermag.

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