Eigentlich sollte er schon längst Geschichte sein – doch nach einer ersten Terminverschiebung wird der markante 170-Meter-Turm auf dem Gelände der Stadtwerke in Leipzig-Südost nun auch noch den Jahreswechsel überleben. Seine Sprengung im November ist wegen nicht ausgeräumter Bedenken im Umfeld ein weiteres Mal abgesagt worden und wurde jetzt erst für 2023 angesetzt.
Anlieger-Bedenken weiterhin nicht ausgeräumt
„Nach weiteren intensiven Gesprächen mit Eigentümern und Mietern außerhalb des Sperrkreises, für die die Leipziger Stadtwerke den ursprünglichen Termin im September verschoben hatten, entschied das Unternehmen, die Sprengung auf das nächste Jahr zu verlegen“, erklärten die Leipziger Stadtwerke in einer Pressemitteilung am Mittwochvormittag.
„Auch wenn alle beteiligten Sachverständigen fest davon ausgehen, dass alles getan wurde, um eine sichere Sprengung zu gewährleisten, bestehen noch Bedenken bei diesen Nachbarn in der weiteren Umgebung des Stadtwerkegeländes. Die Stadtwerke räumen ihnen nun noch mehr Zeit ein, offene Punkte zu klären.“
Stadtwerke halten sich zu den genauen Gründen bedeckt
Über die konkrete Natur der Bedenken und Einwände halten sich die Stadtwerke nach außen bedeckt: „Wir haben uns gegenseitig darauf verständigt, miteinander zu sprechen und nicht in der Öffentlichkeit übereinander“, teilt Konzernsprecher Peter Krutsch auf LZ-Anfrage mit. Allerdings könne man die Zahl vorgebrachter Einsprüche „an einer Hand abzählen“, wie er dazu bemerkt.
Die Sprengung des „langen Lulatsch“, wie der markante Schornstein auch genannt wird, war eigentlich bereits im August kundgetan und für den 15. September terminiert worden. Wegen Anwohner-Bedenken schoben die Stadtwerke den Termin dann auf Ende November, um ihn jetzt ein weiteres Mal zu verlegen. Zumindest ein Indiz, dass die Gespräche im Hintergrund schwieriger verlaufen als gedacht.
Die kurze Karriere eines Industriedenkmals
Der seit vielen Jahren ungenutzte Schornstein stellt ein markantes und wegen seiner Größe weithin sichtbares Industriedenkmal dar, er gilt als größtes Objekt seiner Art im ganzen Stadtgebiet. Auf dem Areal an der Arno-Nitzsche-Straße war ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts ein Gaswerk mit vier Gasometern entstanden. In einem dieser Bauten an der Richard-Lehmann-Straße fand ab 2003 Yadegar Asisi mit seinem Panometer ein künstlerisches Zuhause.
Seit den siebziger Jahren wurde das Gelände dann nicht mehr für die Produktion von Stadtgas aus Kohle, sondern als Standort für ein Braunkohle-Heizwerk genutzt. In diesem Kontext entstand auch der Schornstein, dessen Grundstein im Mai 1984 gelegt wurde.
Ab Januar 1987 diente er der Abführung von Rauchgasen. Nach der Wiedervereinigung wurde er noch bis zum Kohle-Aus 1996 weiterbetrieben. Mit seiner Stilllegung nach nur neun Jahren konnte er zwischenzeitlich noch als Funkmast der Telekom dienen, ehe auch dies vorbei war. Seither hatte der „lange Lulatsch“ keine praktische Funktion mehr.
Während die Stadtwerke sich in Zeiten von Klimawandel und Energiewende mit dem neuen Heizkraftwerk Süd bereits auf die nachhaltige Wärmeversorgung von morgen vorbereiten, scheint ein Schlot wie der an der Arno-Nitzsche-Straße immer mehr als Relikt eines untergehenden Zeitalters, der Braunkohle-Ära in Leipzig und der Region.
Sprengungsbeschluss selbst steht nicht infrage
Ein konkreter Termin für die neue Sprengung steht aktuell noch nicht fest, soll aber auf jeden Fall rechtzeitig kommuniziert werden, so Stadtwerke-Sprecher Peter Krutsch gegenüber der LZ. Bis es so weit ist, besteht informell wohl noch einiger Gesprächsbedarf, für den nun zusätzliche Zeit eingeplant wird.
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Da der Beschluss zur Beseitigung des Schornsteins aus finanziellem und sicherheitstechnischem Kalkül heraus schon länger gefasst ist – und auch eine Nachnutzung als nicht rentabel gilt – wird der „lange Lulatsch“ wohl in absehbarer Zeit verschwunden sein. Die grundsätzliche Entscheidung habe Bestand, bestätigt Konzernsprecher Peter Krutsch.
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