Am 20. Juli berichteten wir über das blühende Biotop, das nach dem Auflösen der Kleingartenanlage in der Rietzschke-Aue in Sellerhausen entstanden ist. Die Frage dabei stand im Raum, ob bei der von der Stadt geplanten Grünflächengestaltung dieser Artenreichtum wieder verloren geht. Die Frage bewegte auch Tobias Peter, der die Stadtverwaltung deshalb anfragte. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer erklärt jetzt, wie man sich die Umgestaltung genauer vorstellt.

„Mit der vom Stadtrat am 24.06. beschlossenen Errichtung der Grünfläche Rietzschke-Aue in Sellerhausen soll eine naturnahe Grünfläche an der wiedergeöffneten Rietzschke entstehen, die sowohl die Umweltbedingungen vor Ort verbessern als auch die Aufenthaltsqualität erhöhen soll. Auf dem betroffenen Gebiet hat sich mittlerweile ein Biotop entwickelt“, hatte Tobias Peter formuliert. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer geht in der Antwort recht umfassend auf seine Fragen ein.

Wie schätzt die Stadtverwaltung die ökologische Qualität des derzeit entstandenen Biotops auf dem Gebiet der zukünftigen Grünfläche ein?

Die Fläche der ehemaligen Kleingärten wurde am 04.08.2020 durch die Naturschutzbehörde auf gesetzlich geschützte Biotope (§ 30 BNatSchG / § 21) geprüft. Im Untersuchungsgebiet konnten die Merkmale des geschützten Biotoptyps „Sumpfwälder“ auf ca. 400 m² festgestellt werden. Dieser Bereich wurde bei dem Rückbau der Kleingärten bewusst belassen.

Die übrigen Bereiche sind geprägt durch spontan aufwachsende Arten aus den vor Ort vorkommenden und durch Wind verbreitete Samen. Hierdurch entwickelten sich einjährige Ruderalfluren und Hochstaudenbereiche auf trockenen bis frischen Standorten. Zudem sind aufkommende Brombeergebüsche vorhanden.

Diese Flächen stellen in ihrem aktuellen Sukzessionszustand ein attraktives Blütenbild dar, welches – wenn man es der weiteren Sukzession überlässt – nicht Bestand haben wird. Bei dieser Vegetation handelt es sich nicht um ein gesetzlich geschütztes Biotop.

Aktuell wird die ökologische Qualität in Bezug auf die Tiergruppen der Insekten als hoch eingeschätzt. Ohne weiteres Zutun würde die aktuelle Qualitätsstufe jedoch nicht bestehen bleiben. Die fortschreitende Sukzession würde eine Veränderung im Pflanzenbestand mit sich bringen.

Durch aufkommende dominante Arten wie Goldrute, Knöterich und Springkraut sowie im weiteren Verlauf das Ansiedeln von Gehölzen geht das aktuelle ganzjährige Blütenbild verloren. Darüber hinaus werden sich zusätzlich auch neophytische Arten (z. B. Götterbaum, Eschen-Ahorn) etablieren.

Kann die Stadtverwaltung gewährleisten, dass die geplante Grünfläche dazu beiträgt, die Artenvielfalt gegenüber der derzeitigen Situation zu verbessern oder zumindest nicht zu verschlechtern?

Fachlich wird eingeschätzt, dass sich der aktuelle Stand der Artenvielfalt nach Fertigstellung der geplanten Grünfläche mit großflächigen extensiv bewirtschafteten Wiesenflächen nicht verschlechtert. Die zu entwickelnden artenreichen Wiesengesellschaften werden über die gesamte Vegetationsperiode hinweg ein attraktives und dauerhaftes Blühangebot bieten. Zusätzlich kann durch eine jeweils abschnittsweise Mahd der Wiesenstandorte die Situation vieler Insekten weiter verbessert werden.

Ist ein Erhalt von Teilen des derzeitigen Biotops bei der geplanten Errichtung der Grünfläche möglich und geplant?

Das von der Naturschutzbehörde festgestellte gesetzlich geschützte Biotop (Biotoptyp Sumpfwälder) bleibt erhalten. Die neu geplanten Wege und der neue Gewässerverlauf werden um das bestehende Biotop herumgeführt. Die Neugestaltung der öffentlichen Grünfläche berücksichtigt neben dem natürlichen Rückhalt von Regenwasser vor allem die Belange der Erholungsnutzung und besonders auch die Belange zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Stadt Leipzig.

Inwiefern können Teile der geplanten Grünfläche z. B. im Bereich der Blühwiesen oder Strauchpflanzungen mit dem derzeitigen gewachsenen Bestand realisiert werden?

Der vorhandene Bestand an wertvollen und standorttypischen Einzelgehölzen sowie Gebüsch- und Baumgruppen wird erhalten und ist in die Planung integriert. Die vorübergehenden Sukzessionsstadien von Ruderalfluren werden zu einer artenreichen Blühwiese entwickelt. Sollten auentypische Hochstaudenfluren auf den Flächen vorgefunden werden, die stabile Pflanzengesellschaften ausbilden, werden diese als Struktur in die Wiesenbereiche übernommen.

Inwiefern ist eine natürliche, auentypische Entwicklung der Vegetation entlang der offengelegten Rietzschke geplant?

Die gewässer- und auentypischen Vegetationsbestände bleiben erhalten. Hierzu zählen der punktuell vorhandene Sumpfwald mit Weidengehölzen und Schilfbestand sowie eine Erlengruppe und diverse Einzelgehölze. Der geplante naturnahe Gewässerlauf wird zudem mit standortgerechten Gehölzen der Weich- und Hartholzaue bepflanzt. Dies umfasst Pflanzungen von Schwarz- und Grauerle, Stieleiche, Traubenkirsche, Esche und verschiedene Weidenarten. Durch eine extensive Gewässerunterhaltung wird das Aufkommen standorttypischer Hochstauden- und Krautfluren am Gewässer unterstützt.

Warum man die Rietzschke wohl lieber nicht verrohrt hätte und bald wieder freilegen sollte

Warum man die Rietzschke wohl lieber nicht verrohrt hätte und bald wieder freilegen sollte

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar