Als Radfahrer darf man sich in Leipzig durchaus als Testpilot betrachten. Der neueste Test läuft ja derzeit auf der Zeppelinbrücke, wo das Verkehrs- und Tiefbauamt in dieser Woche die temporären Radstreifen aufbrachte, die man schon im Frühjahr angekündigt hatte. Eigentlich weniger wegen Corona, sondern „um die Verkehrssicherheit zu erhöhen“ und den Unfallschwerpunkt an der Einmündung Cottaweg zu entschärfen.

„Die zunächst auf ein Jahr befristete Maßnahme dient in erster Linie der Beseitigung des Unfallschwerpunktes an der Einmündung zum Cottaweg, an dem es immer wieder zu Kollisionen zwischen ausfahrenden Kraftfahrzeugen mit Radfahrern gekommen ist“, betonte das Verkehrs- und Tiefbauamt dann auch am 4. August.

„Hier soll künftig noch ein Geländer das nicht zugelassene Radfahren in Gegenrichtung auf dem stadtauswärtigen Gehweg erschweren und zur Nutzung des Radfahrstreifens in stadtwärtiger Richtung animieren. In der Testphase wird das Verhalten der Verkehrsteilnehmer beobachtet und nach einem Zeitraum von einem Jahr eine Evaluierung der Maßnahme durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchung dienen als Basis für die Entwicklung einer optimalen, dauerhaften Lösung an dieser Stelle.“

Das Geländer steht inzwischen und sorgt tatsächlich für allerlei Radfahrer/-innen aus Richtung Lindenau für Stutzen und eine gewisse Empörung. Man muss wirklich nicht lange warten, bis einem hier Radfahrende aus der falschen Richtung begegnen, die dann auch die neue Radspur auf der Zeppelinbrücke in die falsche Richtung benutzen.

Vielleicht tritt ja tatsächlich ein Lerneffekt ein. Aber eigentlich verstärkt das, was die Stadt hier zurechtgebastelt hat, den Verdacht, dass die Ursachen für das Falschfahren gar nicht in diesem Straßenabschnitt liegen. Unser Verdacht: Es ist die unlogische Kreuzungssituation der Jahnallee an der Capastraße und der Bowmanstraße einerseits. Und es sind die Fahrtziele stadteinwärts.

Die neu montierten Geländer an der Einmündung Cottaweg. Foto: Ralf Julke
Die neu montierten Geländer an der Einmündung Cottaweg. Foto: Ralf Julke

Wenn aber die Ursachen für die Nutzung der falschen Fahrtrichtung nicht im abmarkierten Bereich liegen, dann erhöhen die Maßnahmen nur die Unfallgefahr am Cottaweg.

Im Verkehs- und Tiefbauamt weiß man zwar, dass die benannte Kreuzungssiuation inakzeptabel ist, aber gelöst werden soll sie erst mit dem Umbau des Straßenknotens irgendwann in noch nicht definierter Zukunft.

Schon in der Vergangenheit wurde ja getestet, wie das Verkehrs- und Tiefbauamt erklärte: „Die Gehwege auf der Zeppelinbrücke waren durch den Zusatz ,Radfahrer frei‘ ausgeschildert. Dadurch bestand für den Radverkehr bislang bereits die Möglichkeit, die Fahrbahn im Mischverkehr mitzubenutzen. Durch die oft nicht angepasste Fahrweise des Kfz-Verkehrs durch überhöhte Geschwindigkeit oder zu knappes Überholen hat von dieser Möglichkeit jedoch kaum ein Radfahrer Gebrauch gemacht. In Zukunft bleiben die Gehwege allein dem Fußverkehr vorbehalten, was auch zu einer Verbesserung der Sicherheit des Fußverkehrs auf der Zeppelinbrücke beitragen wird.“

Die Jahnallee ist die Hauptroute des Radverkehrs zwischen der nördlichen Innenstadt und den Stadtteilen Lindenau und Alt-Lindenau und wird täglich von bis zu 7.000 Radfahrenden genutzt. Ein Prüfauftrag zur Verbesserung der Bedingungen für den Radverkehr an dieser Hauptradroute war auch ein Auftrag des Stadtrates vom September 2018, der mit diesem Verkehrsversuch weiter untersetzt wird, betont das zuständige Amt.

Mit der Maßnahme verbunden ist die Reduzierung des Kfz-Verkehrs auf eine Fahrspur je Fahrtrichtung. Eine Verringerung der Leistungsfähigkeit ist allerdings nicht zu erwarten, denn diese hängt maßgeblich von der Durchlässigkeit an den Ampeln ab. Dort wird es jedoch keine Veränderungen an den bisherigen Fahrspuren geben.

SPD: Temporärer Radweg auf der Zeppelinbrücke ist erst ein Anfang

„Ich begrüße diesen temporären Radweg ausdrücklich“, erklärte am 5. August SPD-Stadtrat Christian Schulze, der in Alt-West wohnt und hier regelmäßig auch mit dem Rad unterwegs ist. „Meine Fraktion hatte hierzu die Initiative ergriffen, indem wir bereits im Spätsommer 2019 eine sichere Radwegeverbindung zwischen Lindenau und der Innenstadt angeregt haben.“

Schlussendlich wurde die Stadt beauftragt mehrere Varianten zu prüfen, um hier eine dauerhafte sichere Lösung zu finden. Die Prüfergebnisse sollen im 3. Quartal dieses Jahres vorliegen.

„Die Verwaltung hat also noch knapp zwei Monate Zeit, die beste Lösung zu finden, um dann im nächsten Jahr die Umsetzung angehen zu können. Uns ist wichtig, dass hier eine dauerhafte und sichere Variante gefunden wird, die allerdings auch die Zeppelinbrücke, die aktuell die wichtigste Wegeverbindung zwischen Zentrum und Alt-West ist, nicht zum Nadelöhr werden lässt“, so Schulze. Der aber genug Erfahrung hat mit diesem seltsamen Stück Straße, um auch das Problematische an der Markierung zu sehen. Dazu gleich mehr.

Begrüßt hat die Umsetzung auch Julia Kneisel, stellvertretende Vorsitzende der SPD Leipzig Alt-West: „Ich freue mich sehr darüber, dass Leipzigs erste Popup-Bikelane die alltäglichen Wege von tausenden Menschen aus Lindenau und Leutzsch sicherer macht. Wir haben im vergangenen Jahr mehrfach und laut auf die Engstelle auf der Zeppelinbrücke hingewiesen und dabei die Idee eines Radschnellwegs von Lindenau bis zum Hauptbahnhof mit einer eigenen Brücke über das Elsterbecken eingebracht.

Die Popup-Bikelane bietet nun einen Weg in den Leipziger Westen, der sicher und komfortabel ist. Das ist dem beharrlichen Druck vieler Leipzigerinnen und Leipziger und einem Antrag der SPD im Leipziger Stadtrat zu verdanken. Unser Ziel aber bleibt eine eigenständige Radinfrastruktur. Das bedeutet: sehr viel mehr als nur weiße oder gelbe Striche auf dem Asphalt. Deshalb werden wir bis zum Beschluss des Radverkehrsentwicklungsplans 2022 auf eine umfassende und hochwertige Lösung für den Radverkehr vom Zentrum bis in den Leipziger Westen drängen.“

Und Pia Heine, Co-Vorsitzende der SPD Leipzig Mitte, ergänzte: „Als Radfahrerin, die die Strecke von Lindenau in Richtung Zentrum über die Zeppelinbrücke selbst täglich nutzt, begrüße ich die Popup-Bikelane ausdrücklich. Neben der Zeppelinbrücke sind aber auch die Innere Jahnallee und der Ranstädter Steinweg ein Unsicherheitsfaktor auf dem Weg aus dem Leipziger Westen ins Zentrum. Nach dem temporären Radweg auf der Zeppelinbrücke darf deshalb nicht Schluss sein. Auch auf der Inneren Jahnallee und dem Ranstädter Steinweg fordern wir Popup-Bikelanes, um Radfahrende besser zu schützen.“

Die SPD Fraktion im Leipziger Stadtrat hatte mit dem Antrag VII-A-00106-NF-03 eine Prüfung der gesamten Strecke vom Stadtzentrum bis nach Lindenau auf den Weg gebracht, die nun auch Grundlage für den temporären Radweg auf der Zeppelinbrücke ist. Im Antrag hieß es zum Beispiel: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, verschiedene Varianten für die Radverbindung Alt-West/Lindenau – Innenstadt zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass die Vorplanung 2020 verbindlich abgeschlossen ist.“

Doch wieder nur aus Autofahrer-Perspektive gedacht?

Das Auftragen der Radspur fand Christian Schulze anfangs ja gut. Aber mittlerweile ist das Konstrukt befahrbar. Und selbst wer die stadtauswärtige Spur regelkonform benutzt, merkt: Gleich nach dem Cottaweg hört die Markierung auf. Und dann?

Das würde Christian Schulze gern wissen und hat eine entsprechende Stadtratsanfrage gestellt: „Seit 5. August 2020 testet die Stadtverwaltung eine Pop-up-Bikeline über die Zeppelinbrücke in beide Richtungen. Stadtauswärts soll damit auch der Unfallschwerpunkt Jahnallee Ecke Cottaweg entschärft werden. Allerdings endet der Radweg abrupt. Vor diesem Hintergrund möchte ich wissen:

1. Bis wann wird der Missstand des abrupten Endes behoben?

2. Bevorzugt die Stadtverwaltung bei der Beendigung dieses Missstandes eine Lösung den Radweg über einen abgesenkten Bordstein als gemeinsamen Rad-Fußweg weiterzuführen oder wird die Markierung noch bis in den Kreuzungsbereich durchgezogen?“

Tatsächlich landet man auf der Geradeausspur für den Kraftverkehr, muss sich also einordnen. Was vielleicht das kleinere aller Probleme ist, die hier nach wie vor bleiben, auch wenn sich mehr Radfahrer/-innen nun auf die richtige Straßenseite lenken lassen. Denn wirklich geklärt, warum so viele Radfahrer/-innen bisher die falsche Straßenseite bevorzugten, ist es bis heute nicht. Denn wenn man den Radfahrern keine böse Absicht unterstellt, kann es nur an falschen oder fehlenden Wegebeziehungen oder Querungsmöglichkeiten liegen.

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Eigentlich ist es doch erklärbar, warum da ab und zu Radfahrer auf der falschen Straßenseite fahren. Mit Sicherheit liegt es an fehlenden Wegebeziehungen.

Beispiel 1: Wenn man vom Palmengarten aus nach Norden weiter will, bleibt nur der Umweg über die Ampel am Capa-Haus, der Ampel über die Jahnallee und die Ampel über die Capastraße. Dabei muss man theoretisch schon schieben, weil dann dort jeweils größere Anzahlen an Fußgängern und entgegen kommenden Radfahrern unterwegs sind, und dann muss man weiter die Jahnallee auf dem gemeinsamen Rad- und Fußweg im Gegenverkehr weiter schieben, wobei man dann von den stadtauswärts fahrenden Radfahrern fast umgefahren wird. Zu Glück kann man dann auf diesen kleinen Weg Richtung Kleinmesse weiter, wo man dann aber am Cottaweg auch nicht auf die richtige Straßenseite fahren kann, sondern wegen sehr hoher Bordsteinkanten schieben muss (sicher für Radfahrer mit Anhänger nicht schön).

Weil man also von der Kreuzung Jahnallee/Capastraße/Bowmanstraße bis zur richtigen Straßenseite des Cottaweges sein Rad schieben muss und zudem noch an drei Ampeln warten muss, verlängert das die Fahrt mit dem Rad schon um ein paar unerquickliche Minuten, wo man die Abgase des umherdonnernden Verkehrs einatmen darf.

Und da haben viele wahrscheinlich einfach keinen Bock drauf.

Beispiel 2: Viele Menschen nutzen, weil es unangenehm ist, immer entlang von lauten Autos mit Abgasen zu fahren, die Wege durch die Parks, auch den Palmengarten. Das fällt aber schwer, wenn man die Jahnallee stadtauswärts fährt, man landet dann doch wieder an der Kreuzung Jahnallee/Capastraße/Bowmanstraße, wo man an den Ampeln schon ein Weilchen stehen kann. Na wenigstens ist man da auf der richtigen Straßenseite, aber ein Umweg ist es schon von einigen Metern und es nimmt auch Zeit in Anspruch.

Jemand der nicht viel nachdenken mag, oder sich nicht auskennt oder es eilig hat, der fährt dann vielleicht eben auf der Zeppelinbrücke auf der falschen Straßenseite auf dem Rad/Fußweg: geht schneller, ist unkomplizierter, dennoch Mist.

Beispiel 3: Entlang des Elsterbeckens nutzen sehr, sehr viele Menschen den östichen Radweg, um nach Nord oder Süd zu fahren. Viele machen auch Sport dort. Stadteinwärts hinter der Zeppelinbrücke GIBT es aber KEINE Möglichkeit auf den Radweg zu kommen. Da gibt es nur eine Treppe, soweit ich weiß. Man muss dann bis zum Übergang an der Haltestelle, wo man am besten schiebt und je nach Tageszeit sehr lange stehen kann, ehe die Automassen eine Möglichkeit zum Überqueren lassen. Dann muss man ein paar Meter Richtung Festwiese, weil erst da nach links der Weg zum östlichen Radweg am Elsterbecken führt. Es gibt zwar direkt an der Brücke südlich für Fußgänger eine Treppe, jedoch eben nicht für Radfahrer – die müssen quasi einmal drumherum gurken samt Monsterstraßenüberquerung.

Klingt alles etwas aufwendig und ist es! Ist auch zeitaufwendig und man muss sich auch auskennen – wer nicht groß ortskundig ist an der Stelle, ist aufgeschmissen.

Leider sind die Fußwege auf der Zeppelinbrücke auch so schmal, dass man, wenn man als Radfahrer schieben will auf dem Gehweg (weil man auf der falschen Straßenseite gelandet ist), Probleme mit den Fußgängern bekommt und mit den Radfahrern, die auf der richtigen Straßenseite fahren und entgegen kommen. Na wenigstens sind die Radler nun auf dem neuen Radweg unterwegs, aber eng ist der Gehweg dennoch: wenn man sein Rad schiebt, gibt es nur wenig Platz zum ausweichen, selbst wenn Fußgänger entgegen kommen.

Gegen diese komplizierten Umstände hilft auch kein temporärer Radweg!

Vielleicht geht die “Lösung” nicht an die Ursachen, unter Umständen verkompliziert sie die Lage an manchen Ecken?

Was könnte man noch tun? Einen Übergang vom Palmengarten zum Cottaweg für Rad- und Fußgänger über die Jahnallee (ich weiß, ist kompliziert wegen der Straßenbahnschienen)? Eine bessere Ausschilderung und Markierung von Radwegen nordöstlich der Zeppelinbrücke, damit die Radfahrer besser zum östlichen Radweg entlang des Elsterbeckens finden? Eine Wegeverbindung für Radfahrer südlich der Jahnallee und östlich des Elsterbeckens, damit die Leute dort herunter kommen auf den Radweg östlich des Elsterbeckens (das haben die Nazis eben nicht berücksichtigt bei der Anlage des Richard-Wagner-Hains, da gibt es nur eine Treppe)? Ein kleiner ausgeschilderter Radweg entlang der Kleinmesse und abgesenkte Bordsteine, dazu am Cottaweg “Achtung Radfahrer!”-Schilder (ist nur kompliziert, wenn Veranstaltungen auf der Kleinmesse sind, doch könnte man ggf. regeln – nur wie unterbinden, dass Ortsunkundige stadteinwärts wieder mit dem Rad auf dem Fußweg landen)? Alles kompliziert.

Die neue “Lösung” löst die Probleme jedenfalls – nicht.

Und auch was Christian Schulze feststellt, dass der Radweg gerade vorm Cottaweg endet, wo es gefährlich und unübersichtlich wird, das ist doch eine Posse.

Die ursächlichen Probleme bestehen jetzt nach wie vor, man hat es vielleicht ein wenig entzerrt, aber das war es auch schon, fürchte ich.

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