Jahrelang wirkte Stadtpolitik wie eine Black Box. Auch deshalb, weil sich die Stadtverwaltung gern hinter Verfahren, Gesetzen und längst vergessenen Beschlüssen versteckte. Aber es ändert sich spürbar. So antwortete Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau jetzt sehr eingehend auf eine Einwohneranfrage von Barbara Bartsch, die am Westplatz wohnt und dort vor allem ein paar grüne Bäume vermisst.
„Ich wohne am Westplatz wo immer reger Verkehr ist (rund um die Uhr). Statt etwas für den Lärmschutz und den Dreck zu tun werden immer mehr Häuser an die Straße gebaut“, schrieb Barbara Bartsch in ihrer Anfrage. „Bei den Temperaturen steht die Hitze und man kann kaum atmen. Was haben Sie diesbezüglich vor, um den Menschen das Leben zu erleichtern? Schließlich sind die Mieten nicht ohne! Ich würde mich freuen, wenn in dieser Hinsicht etwas getan würde. Mehr Büsche und Bäume wären schön! Und weniger Autos im Zentrum!“
Die Antwort von Baubürgermeisterin Dubrau wurde dann fast ein bisschen persönlich:
„Sehr geehrte Frau Bartsch,
in Ihrer Anfrage beklagen Sie den Verkehr und die Hitze und die weitere Bebauung entlang der Friedrich-Ebert-Straße am Westplatz und wünschen sich neben weniger Autos im Zentrum mehr Bäume und Büsche. Gerne darf ich Ihnen darauf antworten und lassen Sie mich zuerst etwas grundsätzlich dazu ausführen: angenehme klimatische Verhältnisse, vielfältiges Stadtgrün und ein bedürfnis- wie umwelt- und stadtgerechtes Mobilitätssystem sind wesentliche Ziele in unserer Stadt. Dazu gibt es eine Vielzahl strategischer wie konkreter Pläne der Stadt – vom integrierten Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030 über das Klimaschutzkonzept, den gerade durch die erste Bürgerbeteiligung gegangenen Masterplan Grün und diverse Verkehrspläne.
Dabei ist die Stadtentwicklung aber neben den von Ihnen vorgebrachten auch von vielen weiteren wichtigen Zielen mitbestimmt, liegt in der Steuerung nicht in jeder Hinsicht ganz in unserer Hand und es existieren vielfältige Verknüpfungen der Themen, sodass konkrete Vorhaben auch in einem gesamtstädtischen Kontext beurteilt werden müssen. Konkret: eine innerstädtische Lückenbebauung nimmt z. B. einerseits eine ggf. liebgewonnene Brache in Anspruch, ermöglicht andererseits aber auch eine kompakte Stadt mit kurzen Wegen und vergleichsweise geringerer Kfz-Abhängigkeit. In aller Regel besteht gerade bei Lückenbebauungen zudem auch ein grundsätzliches Baurecht nach §34 des Baugesetzbuches für die Eigentümer der Grundstücke.“
Und was konkret macht die Stadt jetzt am asphaltgeprägten Westplatz?
Dorothee Dubrau: „Gehen wir nun noch vor Ort: Zur Zeit laufen Bautätigkeiten auf ehemaligen Brachflächen direkt am Westplatz und in der Friedrich-Ebert-Straße. Die Bauvorhaben liegen im Geltungsbereich eines vom Stadtrat beschlossenen Bebauungsplans, der überwiegend eine straßenbegleitende Bebauung vorsieht und u. a. öffentliche und private Grünflächen sowie Standorte für Straßenbäume festsetzt. Mit den derzeitigen privaten Bauvorhaben werden diese Ziele des Bebauungsplans weiter umgesetzt.
Auf den öffentlichen Flächen am Westplatz wurden bereits Baumpflanzungen in dem unmittelbar angrenzenden Teilbereich der Friedrich-Ebert-Straße vorgenommen. Die Käthe-Kollwitz-Straße besitzt zudem Baumbestand zwischen Westplatz und Klingerbrücke.
Weitere Abschnitte dieser Straßen sowie der angrenzenden Max-Beckmann-Straße und Kolonnadenstraße wurden untersucht, bieten derzeit aber leider keine Möglichkeit für Straßenbaumpflanzungen.“
Aber Barbara Bartsch hatte sich ja auch weniger Autos gewünscht. Aber diesen Wunsch wird ihr die Baubürgermeisterin am Westplatz wohl vorerst nicht erfüllen können.
Dorothee Dubrau: „Der Westplatz stellt die Kreuzung zweier Hauptverkehrsstraßen dar. Insbesondere die Käthe-Kollwitz-Straße ist eine der Hauptverbindungen zwischen den westlichen Stadtteilen und der Leipziger Innenstadt. Entsprechend der Straßenfunktion und des Ausbaugrades liegt die Kfz-Belastung beider Straßen im für die Stadt normalen Bereich und ist nicht auffällig. Rückstaus kommen unter normalen Verkehrsbedingungen in der Regel nicht vor.“
Aber, so betont sie auch: „Die Stadt Leipzig habe sich im Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum sowie in dem vom Stadtrat beschlossenen Nachhaltigkeitsszenario der Mobilitätsstrategie dazu bekannt, den Anteil des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) über eine Stärkung der Verkehrsarten des Umweltverbundes (ÖPNV, Rad, Fuß) von aktuell ca. 40 % auf 30 % im Jahr 2030 zu reduzieren. Dementsprechend soll die Kfz-Belastung bis 2030 trotz einer deutlichen Bevölkerungszunahme gesamtstädtisch nicht weiter ansteigen und im innerstädtischen Raum, zu dem auch der Westplatz und sein Umfeld gehört, sogar zurückgehen.“
Aber bei der „Stärkung des Umweltverbundes“ geht es nicht wirklich schnell voran. Wie der ÖPNV gestärkt werden soll, soll erst im nächsten Nahverkehrsplan stehen, der noch in Arbeit ist. Das Radwegekonzept ist genauso in Arbeit. Tatsächlich geht es Leipzig bei den Verkehrsinvestitionen genauso wie bei den Investitionen in Kitas und Schulen: Man läuft fünf Jahre hinter den Entwicklungen der Bevölkerung hinterher. Ein Rückstand, der nicht so einfach wieder einzuholen ist und der für viele Großstädte in Deutschland gilt. Die Bremser (auch bei den nötigen Finanzen) sitzen oft in Berlin. Die Probleme von Klimawandel, Trockenheit und Hitzestau erlebt man jetzt direkt in den verkehrsbelasteten Städten.
Und der Lärm kommt dann noch obendrauf, wie Dorothee Dubrau feststellt: „Der Westplatz ist andererseits aber auch je nach Standort von einer hohen bis sehr hohen Lärmbelastung geprägt. Maßnahmen gegen den von Kfz- und Straßenbahnverkehr verursachten Lärm sind Bestandteil des Lärmaktionsplanes der Stadt Leipzig und als eine Maßnahme mit lärmminderndem Effekt wurden bereits in der Käthe-Kollwitz-Straße östlich des Westplatzes die Straßenbahnschienen als Rasengleise verlegt.“
Aber der alte Lärmaktionsplan war ein ziemlich zahnloser Tiger. An vielen lärmgeplagten Stellen im Stadtgebiet gab es keine spürbare Entlastung.
Was ist jetzt im neuen Lärmaktionsplan zu erwarten? Dorothee Dubrau: „In der 1. Fortschreibung des Lärmaktionsplanes, die jetzt im Juli öffentlich ausgelegen hat, ist für die Käthe-Kollwitz-Straße auch westlich des Westplatzes vorgesehen, bezüglich der Straßenbahn die Umsetzung verschiedener Maßnahmen zu prüfen, wozu der Einsatz moderner Straßenbahntypen, der Einbau von Rasengleis, die Sanierung der Gleise und das Schienenschleifen gehören.“
Jedenfalls gibt sich die Baubürgermeisterin zuversichtlich, dass sich die Lage am Westplatz bessert: „Sehr geehrte Frau Bartsch, wir sind uns, so denke ich, im Ziel der Stadtentwicklung einig und als Stadtverwaltung verfolgen wir diese Ziele – wenn auch nicht immer so einfach und schnell wie wir alle es uns wünschen – auch mit einem breiten Bündel an Maßnahmen.“
Ortschaftsrat Mölkau beantragt die Entfernung des A14-Hinweises an der Kommandant-Prendel-Allee
Ortschaftsrat Mölkau beantragt die Entfernung des A14-Hinweises an der Kommandant-Prendel-Allee
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Keine Kommentare bisher
Wenn wenig bis kein Platz für Bäume ist kann man doch vielleicht so viel Fassadengrün wie möglich anbringen? Das ist in aufgeheizten Städten eh sinnvoll, ob mit Bäumen oder ohne.
Es müsste ein Förderprogramm geben (wenns das noch nicht gibt) und Hauseigentümer müssten gezielt angeschrieben und für so ein Programm gewonnen werden.
Ich denke mal, in Zukunft zählt jede grüne Wand und jedes grüne Dach, wenn mans auf den Straßen noch aushalten will.