Noch gibt es den Bau- und Finanzierungsbeschluss für den Stadthafen nicht. Die Vorlage dazu ging erst am Montag, 1. April, an die Fraktionen, die sich jetzt den Kopf zerbrechen müssen, ob die Richtung stimmt. Denn der Stadthafen ist Teil eines größeren Projekts, das im Jahr 2005 seine Wurzeln hat und auch vom Stadtrat nie infrage gestellt wurde: des Wassertouristischen Nutzungskonzepts (WTNK). Er ist der zentrale Startpunkt, der damals ins Konzept geschrieben wurde. Nun soll er mit Steuergeldern gebaut werden.
Ursprünglich waren sich die Konzeptschreiber im Grünen Ring ja sicher, dass der Stadthafen so eine tolle Idee ist, dass sich die Investoren darum reißen würden, ihn bauen zu dürfen. Man träumte schon davon, auf diese Weise mit Hamburg und Berlin gleichziehen zu können, was innerstädtisches Hafen-Feeling anbetrifft.
Aber dann fand sich keiner.
Was 2009 zur ersten Überarbeitung der Pläne führte. Jetzt plante die Stadt damit, den Hafen doch selbst zu bauen und sich das irgendwie zu 75 Prozent fördern zu lassen. 3,9 Millionen Euro sollte das Ganze kosten. Bis 2011 wollte man schon bauen, gleich im Anschluss an das Stück Elstermühlgraben, das 2010 fertig geworden ist und wo heute schon die Außenmole des Hafen existiert.
Diese Mole soll ja bleiben. Hier sollen auch künftig Fahrgastboote anlegen.
Aber wozu braucht es noch einen Hafen?
Es sollen noch mehr Fahrgastboote unterkommen, nämlich sechs Stück, die im 5.000 Quadratmeter großen Hafenbecken andocken sollen. Dazu kommen dann noch Liegeplätze für etwa 100 Paddelboote und – der eigentliche Kern des Ganzen: 40 Liegeplätze für Sport- und Familienboote, also Motorboote.
In einer Stellungnahme zu einem Grünen-Antrag, der 2018 die Prüfung des Vorhabens forderte, betonte das Umweltdezernat ziemlich eindeutig, worum es geht: „Ein Grundproblem stellt sich dabei auch darin dar, dass ein großer Teil der im Fließgewässernetz bereits realisierten und weiter vorgesehenen Investitionen (§ 4-Maßnahmen) sich nur dann wirtschaftlich darstellen lassen, wenn der entsprechend starke Strom der wassertouristisch interessierten Besucher aus der Stadt Leipzig gewonnen wird. Das ist nur mit einer zentrumsnahen Hafenanlage möglich, die entsprechende Kapazitäten und Entwicklungspotenziale aufweist. Weitere Standorte mit motorbootgängiger Gewässeranbindung stehen jedoch hier im Stadtzentrum nicht zur Verfügung.“
Das ist die alte Rechnung: Erst baut man lauter teure Infrastrukturen, die sich nur rechnen, wenn die Stadt auch den nötigen Strom von Wassertouristen – also Motorbootfahrern – erzeugt. Und um diese Motorbootfahrer zu erzeugen, schafft man einen innerstädtischen Hafen, der sich mit 40 Motorbootbesitzern füllen soll. „Interessenten haben wir schon eine Menge“, sagte Bürgermeister Heiko Rosenthal am Montag, 1. April, beim Vor-Ort-Termin am künftigen Hafen, wo er vorstellte, was sein Dezernat jetzt dem Stadtrat zur Diskussion gibt.
Das Hafenbecken ist ein bisschen kleiner geworden. Dafür sind die kalkulierten Kosten deutlich gestiegen – nun auf 7,23 Millionen Euro. Aber die will man sich über die vom Land Sachsen ausgereichten GRW-Mittel zu 90 Prozent fördern lassen. GRW-Mittel sind eigentlich zur Förderung regionaler Infrastrukturen gedacht.
„Der derzeit noch gültige Bau- und Finanzierungsbeschluss aus dem Jahr 2009 musste überarbeitet werden, da mittlerweile die Finanzierung des Projekts über Fördermittel gesichert werden konnte“, erläutert Heiko Rosenthal. „Nun kann ein Förderprogramm des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur ,Verbesserung der regionalen Infrastruktur‘ für das 13.800 Quadratmeter große Areal genutzt werden.“
Er hat sich dabei speziell den Punkt mit der Förderung für Häfen ausgesucht. Und ist sich sicher, dass auch ein Leipziger Stadthafen sich wirtschaftlich rechnet.
Trotz der deutlich erhöhten Gesamtkosten von 7,23 Millionen Euro, trägt die Stadt nur noch einen Eigenanteil von gut 723.000 Euro am Bau und somit nur etwa 60 Prozent gegenüber dem Beschluss von 2009. Einen Investor benötigt das Projekt nun lediglich für den Bau eines Kanubootshauses sowie eines Servicegebäudes mit Freisitz für Gastronomie. Mit dem neuen Beschluss sollen sowohl die Bewirtschaftung des Hafens als auch der Bau dieser Gebäude auf rund 800 Quadratmetern zur Findung eines Betreibers bzw. eines Investors ausgeschrieben werden. Die Ausschreibung zur Suche nach einem Betreiber ist schon im EU-Amtsblatt platziert worden, sagt Rosenthal.
Das Besondere an diesem Hafen: Leipzig beharrt darauf – anders als die Anrainer der Tagebauseen – dass sämtliche registrierten Motorboote mit alternativen Antrieben, vorzugsweise Strom betrieben werden. Dazu soll es am Hafenbecken 40 Ladesäulen für die Boote geben.
Das Servicegebäude des Hafens soll modular aufgebaut sein und so bei zunehmender wassertouristischer Nutzung mitwachsen können. Der Stadthafen ist künftig durch Rampen und ähnliche Vorrichtungen barrierefrei nutzbar. Das Hafenbecken wird im Eigentum der Stadt als öffentliche Einrichtung betrieben. Übrigens genauso wie das ganze Gelände, sonst ist es nämlich nicht förderfähig. Rund ums Hafenbecken solle eine baumbestandene Promenade entstehen, über die der Radverkehr geführt wird. Öffentliche Zuwegungen soll es zur Friedrich-Ebert-Straße, zur Käthe-Kollwitz-Straße und zur Schreberstraße geben.
Die fortführenden Planungen für den Bau des Hafenbeckens, der Anlegeplätze sowie der Servicegebäude und Bootshäuser können nun vorangetrieben werden, betont Rosenthal. Diesen Beschluss hat die Verwaltungsspitze jetzt auf Vorschlag von Sportbürgermeister Heiko Rosenthal auf den Weg gebracht.
Wenn der Stadtrat diese Pläne abnickt – und Rosenthal rechnet tatsächlich mit einer Zustimmung im Mai – dann könnten noch im zweiten Quartal dieses Jahres die Fördermittel beantragt werden. Wenn sie auch genauso schnell bewilligt werden, könnte der Baubeginn 2020 sein. Mit der Inbetriebnahme rechnet der Bürgermeister im Jahr 2023.
Was übrigens ebenso auf den noch fehlenden Abschnitt des Elstermühlgrabens zwischen Elsterstraße und Lessingstraße zutrifft. Auch für den soll der Baubeschluss jetzt in den Stadtrat gehen.
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