Am Mittwoch, 23, Januar, war auch die Stellungnahme der Stadt Leipzig zum Raumordnungsverfahren für den geplanten Kiesabbau bei Rückmarsdorf Thema im Stadtrat. Und mit neun Rednern ging es tatsächlich munter hin und her, auch wenn sich nicht nur die Grünen wunderten, wie emsig da über die Vorlage diskutiert wurde, wenn dann doch fast alle Redner die Vorlage fachlich und sachlich gut und richtig fanden. Außer einem.

Selbst Andreas Faulhaber, der für die CDU ans Mikrofon trat, würdigte die fachkundige und detaillierte Vorlage. Eine Vorlage, die – wie zuvor Ilse Lauter, Stadträtin der Linken feststellte – 59 fachliche Kritikpunkte an der Antragstellung der Firma Papenburg zum geplanten Raumordnungsverfahren zählte, Punkte, in denen verschiedene Ämter der Stadt die Angaben des Kiesbauunternehmens als „nicht nachvollziehbar“, „nicht belegbar“, „nicht zutreffend“ bezeichneten.

Was Papenburg also vorgelegt hatte, war sichtlich sehr schlampig zusammengeschustert. Vielleicht, weil das Unternehmen schon lauter Grüne Ampeln sah. Mit der Bahn sei man wohl schon einig über den Bau einer Brücke über die Bahnstrecke, die die alten Kiesabbaufelder mit dem neuen bei Rückmarsdorf verbinden soll. Und die Reden von Andreas Faulhaber, von Sven Morlok (FDP) und Tobias Keller (AfD) deuteten darauf hin, dass die Bauwirtschaft schon von allen Seiten Druck macht, diesen Kies unter den wertvollen Feldern von Rückmarsdorf zu bekommen.

Keller ging sogar so weit, die Vorlage als „grünideologisch“ zu denunzieren. Selbst den 300 Meter Abstand zur Wohnbebauung deklarierte der AfD-Mann als ideologisch.

Die Debatte am 23. Januar 2019 im Stadtrat Leipzig

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Entweder hatte er nicht aufgepasst – oder ihm war das Thema einfach recht, sich schon einmal als Spitzenkandidat zur Kommunalwahl in Position zu bringen. Zumindest für alle Leipziger, die sich nie wirklich an Bürgerbeteiligungen beteiligen, auch nicht in Bürgerinitiativen mitmachen, wie eine in Rückmarsdorf entstanden ist. Roger Stolze sprach in der Stadtratssitzung für den Ortschaftsrat Rückmarsdorf und dessen eigenen Änderungsantrag, der sich im Wesentlichen mit dem von Grünen, Linken und SPD deckte, weshalb er ihn aus der Abstimmung zurückzog.

Und gerade diese drei Fraktionen hatten sehr wohl aufgenommen, dass es den Rückmarsdorfern vor allem darum ging, ohne Lärm und Dreck über 16 Jahre im direkten Wohnumfeld leben zu können. Und die Verwaltungsvorlage hatte sehr genau festgestellt, dass nach den Wünschen von Papenburg der Kiesabbau bis auf 20 bis 80 Meter an die Wohnhäuser heranrücken soll. Und das, obwohl sich der Regionale Planungsverband für Westsachen schon vor Jahren darauf verständigt hat, dass Bergbau möglichst einen Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung von 300 Metern einzuhalten habe. Ein Wert, den der Änderungsantrag von SPD, Grünen und Linken so auch dezidiert in die Stellungnahme der Stadt übernommen haben wollte.

Was Andreas Faulhaber gleich mal als Versuch interpretierte, den Kiesabbau durch Unwirtschaftlichkeit verhindern zu wollen.

Worauf Tim Elschner von den Grünen – auch nachdem Sven Morlok ganz ähnlich argumentierte – darauf hinwies, dass dieser Abstand nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern im Regionalplan der Kommunen Westsachsens so festgeschrieben.

„Wir wollen in der Stadt doch bauen“, hatte Morlok gesagt und damit das Interesse der Bauwirtschaft betont, die volle Auftragsbücher hat und natürlich jede Menge Kies braucht.

Nur kommt auch der Freistaat Sachsen so langsam dahin, dass der Kies knapp wird. Dass jetzt wertvoller Ackerboden mit der hohen Bodenwertzahl 50 verschwinden soll, um an den Kies bei Rückmarsdorf zu kommen, erzählt auch die Geschichte einer Zukunft, die weder Bauwirtschaft noch Politik bislang auf dem Schirm haben: Wie wird künftig eigentlich gebaut, wenn für diese riesigen Mengen an Beton kein Baukies mehr im Land zu finden ist? Oder nur noch in Lagen, bei denen mehr Werte vernichtet werden, als mit Neubauten zu schaffen sind. Wir könnten ja nicht mit Holz bauen, meinte Morlok noch spöttisch.

Aber selbst der Kies bei Rückmarsdorf sollte nach den Rechnungen von Papenburg nur bis 2034 reichen. Und dann? Wo wird der nächste Acker beiseitegeräumt, um weiteren Kies aus der Erde zu holen? Womit werden unsere Enkel und Urenkel bauen?

Man ahnt schon, welche Diskussionen da auch auf Leipzig zukommen. Und zwar egal, ob das Oberbergamt nun dem Kiesabbau bei Rückmarsdorf Grünes Licht gibt oder nicht.

Das musste Daniel von der Heide (Grüne) dem ideologisch so selbstsicheren AfD-Mann Keller dann doch noch erklären, dass ein Raumordnungsverfahren keine Abstimmung darüber ist, ob eine Kiesgrube eröffnet werden darf oder nicht. Die Stadt als Flächeneigentümer und kommunale Vertretung hat jetzt eine fundierte Stellungnahme abgegeben, die fachlich sehr genau beschreibt, was an der Antragstellung von Papenburg alles nicht stimmt und was alles nicht berücksichtigt wurde. Und dass das ausgerechnet jede Menge umweltfachlicher Standards sind, machte die Verwaltungsvorlage mehr als deutlich.

Das „etablierte Baustoffunternehmen“, wie es Faulhaber nannte, hatte also entweder geschlampert. Oder man glaubte dort tatsächlich, man werde einfach formlos beantragen, und dann würden die Behörden einfach zustimmen.

Das kann übrigens immer noch passieren. Die letzte Entscheidung liegt – das stellte auch Faulhaber fest – beim Sächsischen Oberbergamt. Das sammelt alle Stellungnahmen ein und muss dann fachlich bewerten, ob dem Antrag der Firma Papenburg so zugestimmt werden kann, ob mit den Auflagen, die die Stadt Leipzig wünscht, oder ob gar nicht.

Die Abstimmung war dann recht eindeutig: Dem gemeinsamen Antrag von SPD, Linken und Grünen, in dem insbesondere die Abstandswahrung von 300 Metern betont wurde, stimmten 35 Stadträtinnen und Stadträte zu, 23 stimmten dagegen. Damit war er angenommen.

Der Änderungsantrag der AfD, in dem sie gleich mal eine Bürgerbeteiligung für die Rekultivierung irgendwann in der Zukunft forderte, fanden dann nur die AfD-Stadträte toll. Er bekam 4 Stimmen und 52 Gegenstimmen.

Im Grunde war damit eigentlich auch die Vorlage der Stadt schon angenommen, denn das steckte im Antrag von Grünen, SPD und Linken gleich als Antragspunkt eins.

Aber irgendwie wollten dann doch auch die Fraktionen, die gegen diesen Änderungsantrag gestimmt hatten, zeigen, dass sie die Vorlage der Stadt gut finden. Also ließ OBM Burkhard Jung die Vorlage der Verwaltung auch noch abstimmen und das Ergebnis war überdeutlich: 57 Stadträtinnen und Stadträte stimmten dafür, nur eine Gegenstimme gab es.

Womit das Oberbergamt eigentlich – da kann man Ilse Lauter nur zustimmen – eine Stellungnahme vorliegen hat, die dazu führen müsste, dass die Firma Papenburg ihren Antrag gründlich überarbeiten muss.

Aber vielleicht hat Andreas Faulhaber auch ein richtiges Gefühl, wenn er nicht nur sagt, dass das Oberbergamt „Herr des Verfahrens“ ist, sondern dass es in Leipzig zum Schwur kommt, wenn es um den Verkauf der Flächen geht, die der Stadt Leipzig gehören. Denn die Stadt selbst hat ja schon signalisiert, dass sie die Flächen verkaufen wird, wenn das Oberbergamt die Genehmigung zum Kiesabbau gibt.

Leipzig kann nur darauf hoffen, dass das Oberbergamt die fachliche Kritik aufnimmt und die gewünschten Auflagen tatsächlich durchsetzt.

Wie man Hochhäuser aus Holz bauen kann

Quelle: Bioökonomie bei Youtube

Geplanter Kiesabbau bei Rückmarsdorf

Geplanter Kiesabbau bei Rückmarsdorf

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Interessant zu sehen, wie hier wieder einmal alles miteinander in Verbindung steht und in seiner Komplexität und Auswirkung auf die Zukunft betrachtet werden muss.
Und das anhand einer Kiesgrube..

Es werden in Sachsen doch Innovationen gesucht, um neue Arbeitsplätze in Verbindung mit nachhaltigem Wirtschaften zu schaffen.

Die Bauwirtschaft bietet sich da ja quasi von selbst an.
Primär sollte dabei aber nicht die ‘Digitalisierung’ von Bauverfahren mit den allgemein üblichen Baustoffen gefördert werden,
sondern alternative Baustoffe erforscht, entwickelt und geprüft werden.
Und dazu gehört dann auch die entsprechende Zulassungs-Genehmigungs-Gesetzgebung.
Und die dazu notwendigen Forschungseinrichtungen und Bauingenieursausbildungen gibt es ja in Sachsen. Spontan fällt mir da die HTWK Leipzig und die TU Dresden ein. Dort müssen die betroffenen Institute gefördert werden, vielleicht wieder etwas mehr ingenieurtechnisch als Bacholar-artig gedacht..

Da können dann in Verbindung mit anderen (Natur-)wissenschaften die verschiedenen Materialien auf ihre Erzeugungskosten, Standhaftigkeit, Umweltbilanz etc., ohne Lobby-Einflüsse nur kurzfristig kapital-rendite-orientiert denkender Interessengruppen, geprüft werden,
wenn eine unabhängige Förderung durch den Staat erfolgt.

Und daraus können dann in der Bauwirtschaft neue Firmen mit neuen Arbeitsplätzen entstehen und bestehende Firmen können ihr Angebot umstellen und erweitern, auch um nicht mit ihrem ‘weiter so’ vom Markt gespült zu werden..

Der Architekt im Video setzt z.B. auf Holz als nachhaltigem Rohstoff und spricht dann von Kiefern- und Fichtenholz. Da sich das Angebot an diesen Hölzern durch Änderung der klimatischen Bedingungen auf alle Fälle ändern wird, muss in Verbindung mit einer (mindestens) umweltschonenden Waldwirtschaft unter Verantwortung auch der Naturschutzverbände,
der Einsatz anderer (auch Laub-)Holzarten getestet werden.
Diese Hölzer haben z.B. eine andere Biegefestigkeit auf die Länge gesehen, müssten dann also z.B. als Verbundholz gefestigt werden. Gibt es wohl bis jetzt nur in der Schweiz, da in Deutschland auch die gesetzgebenden DIN-Normen den Einsatz als tragendes Bauteil teilweise verbieten.

Und in der Kiesgrube soll ja dann Bauschutt verfüllt werden.
Auch dazu gibt es Forschungen, wie dieser recycelt wieder für den Bau eingesetzt werden kann.(*)
Eine unabhängige, staatliche Aufsicht braucht es da ja sowieso, weil, wie man als aufmerksamer LZ und L-IZ-Leser ja weiß, gerne mal alle möglichen Schadstoffe (auch in Beton gegossen und) verbuddelt werden.

Nun, und diese Themen müssen von verantwortungsvollen Menschen in der Politik angegangen werden.
Da helfen keine AfD-Wahlprogramme, die alles konfus umstürzen wollen, aber bei genauer Betrachtung nur überkommene Zustände restaurieren.
Planungsgrundlage muss der Blick in die Zukunft sein, immer am machbaren orientiert. Und nicht durch irgendwelche Experten mit offenen Briefen gefordert, sondern wirklich wissenschaftlich unterlegt, eben auch durch unabhängige, staatliche Förderung.

Der einzelne (Stadtrats- oder auch Verwaltungs-) Mensch wird sonst immer wieder damit überfordert werden,
auf ein komplexes Thema des Umbaus unserer Gesellschaft, zu einer menschenwürdigeren, im Einklang mit der Natur stehenden,
irgendwelche kleinteiligen Entscheidungen mit ja oder nein beantworten zu müssen, ohne Einfluss auf das nachfolgende, komplexere Prozedere..

*) Und alles selbst neu erfinden muss man da auch nicht, wenn man z.B. mal nach Bremen schaut, da gibt es das vom Senat geförderte Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien IWT Bremen.

Veranstaltet wurde da z.B. auch ein
Baustoffrecycling- und Wertstoffverwertung Kongress 2018
(https://idw-online.de/de/event60013)
“Nach Schätzungen fallen in Deutschland pro Jahr in der Baubranche etwa 280 Mio. Tonnen Abfälle an. Klare, insbesondere einheitliche Vorgaben zur Umsetzung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft bestehen allerdings nicht. Die Forschungsvereinigung Recycling und Wertstoffverwertung im Bauwesen e.V. (RWB) beschäftigt sich mit dem technisch und wirtschaftlich vertretbaren Einsatz von Recyclingmaterialien im Bauwesen.”

Veranstalter war die Abteilung Wissenschaftskommunikation des IWT, die Handelskammer Bremen der Veranstaltungsort, die Zielgruppe: Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler und die Sachgebiete:
Bauwesen / Architektur, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften.

Wenn man keine Visionen hat, sollte man zum Arzt gehen oder so..
Politiker müssen gestalten und kommunizieren in der Gegenwart mit Blick in die Zukunft.

PS: Und irgendwelche massiven Schwerbeton-Brücken aus nostalgischen (um ein Denkmal zu ‘schützen’, müsste es ja erst einmal erhalten werden) Gründen, entgegen jedwedem praktischen Nutzungserfordernis und auch den Vorstellungen des Eigentümers (DB z.B.),
mit ganz viel Beton neu zu bauen, wem das wohl nützt?
Es sei denn, man will (in 20 Jahren o.so) den dann wieder Bauschutt in der dann entstandenen ehemaligen Kiesgrube entsorgen..

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