Seine Anfragen zur wirklichen Wirkung der Waffenverbotszone in Leipzig hat der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Enrico Stange, ja erst gestellt. Die Antworten stehen noch aus. Nur eine erste Antwort zu den Kontrollerfolgen im November hat er schon bekommen. Aber aus seiner Sicht ist das ganze Konstrukt „Waffenverbotszone“ nichts anderes als ein massiver Eingriff in die Grundrechte der Bürger.

Die Waffenverbotszone rund um die Eisenbahnstraße in Leipzig ist am 5. November 2018 in Kraft getreten. Aus der Sicht von Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, gefährdet sie Grundrechte, ohne einen Nutzen zu bringen:

„Lange hat das Innenministerium an der Verordnung für die Waffenverbotszone gebastelt, um Waffen, gefährliche Gegenstände und Ausnahmen rechtssicher zu definieren. Dies ist nur bedingt gelungen. Die Waffenverbotszone an sich wird auf der Grundlage von § 42 Abs. 5 des Waffengesetzes errichtet, die Kontrollbefugnisse zur Durchsetzung fußen ausschließlich auf dem bestehenden sächsischen Polizeigesetz, insbesondere § 23 Abs. 1 Nr. 4 und gegebenenfalls Nr. 5 SächsPolG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Nr. 2 (‚Gefährliche Orte‘) und gegebenenfalls 3 und 4 SächsPolG. Die Polizei hat also durch die Waffenverbotszone keine zusätzlichen oder erweiterten Befugnisse bekommen.“

Wobei das Stichwort „Gefährliche Orte“ wichtig ist: Im Leipziger Osten überschneiden sich ja die diversen Kontrollzonen der Polizei regelrecht, hat das Innenministerium einen Sonderstatus über den anderen geschichtet, um der Polizei einerseits mehr Kontrollmöglichkeiten einzuräumen, andererseits aber auch eine Art Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, die mit dem heruntergesparten Polizeipersonal dauerhaft gar nicht zu gewährleisten ist.

Was bei solchen „Gefährlichen Orten“ herauskommt, hat Stanges Fraktionskollegin Juliane Nagel im November schon erfragt. Allein zum „Leipziger Osten“, der sich mit der im November eingerichteten „Waffenverbotszone“ überschneidet, gab es eine Reihe solcher Kontrollergebnisse, wie Innenminister Roland Wöller (CDU) im Dezember mitteilte:

„Die zum Stichtag 29. November 2018 erfassten 1.784 Straftaten im Bereich ‚Ludwigstraße‘ zeigen eine überproportionale Belastung zu anderen örtlichen Bereichen auf. Diese Belastung gilt insbesondere für die sog. schwere Kriminalität, mithin Straftaten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, schwere Körperverletzungsdelikte und Raubstraftaten. Der Bereich ‚Ludwigstraße‘ umfasst auch die Eisenbahnstraße mit einem überproportional hohen Anteil der Gesamtkriminalität. Dieser stellt die höchste Kriminalitätsdichte innerhalb der Ortsteile Neustadt-Neuschönefeld und Volkmarsdorf dar.

Die Parkanlagen im Stadtbezirk Ost stellen einen Schwerpunkt für Betäubungsmittelkriminalität dar; im laufenden Jahr 2018 wurden zum o. g. Stichtag 27 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Parkanlage ‚Rabet‘ festgestellt. Die damit einhergehende Beschaffungskriminalität stellt eine weitere Ausprägung der Kriminalitätslage dar.

Im Zeitraum vom 1. Juni 2017 bis 23. Mai 2018 wurden im Bereich der Parkanlage ‚Rabet‘ Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit sowie gegen das Betäubungsmittelgesetz im unteren dreistelligen Bereich registriert. Mehr als die Hälfte dieser Delikte waren gegen das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit gerichtet; in drei Fällen gab es versuchte Tötungsdelikte unter Verwendung von Messern.

Im Mai 2018 kam es zu zwei weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen täterseitig Schusswaffen eingesetzt wurden. Im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten kam es teilweise zu erheblichen Menschenansammlungen (bis zu 150 Personen) mit aggressivem Verhalten gegenüber dem Polizeivollzugsdienst.“

Ortstermin mit Markus Ulbig in der Eisenbahnstraße: Markus Ulbig, Burkhard Jung, Bernd Merbitz (v.r.n.l.). Foto: René Loch
Ortstermin mit Markus Ulbig in der Eisenbahnstraße: Markus Ulbig, Burkhard Jung, Bernd Merbitz (v.r.n.l.). Foto: René Loch

Und auch Enrico Stanges Anfrage zur „Waffenverbotszone“ bezog sich ja auf den November.

Da lautete Wöllers Auskunft dann: „Die Auswertung ergab, dass bei 61 erfassten polizeilichen Einsatzmaßnahmen 468 einzelne Personenkontrollen/Identitätsfeststellungen durchgeführt, zehn Ermittlungsverfahren eingeleitet sowie zehn Haftbefehle vollstreckt wurden. Bei insgesamt neun festgestellten Verstößen gegen die Verordnung über die Einrichtung einer Verbotszone zum Schutz vor Waffen und gefährlichen Gegenständen in Leipzig wurden 20 Messer, zwei Tierabwehrsprays, ein Cuttermesser, eine Cuttermesserklinge, ein Glasschaber, eine Schere sowie ein Schraubendreher sichergestellt. Darüber hinaus stellte der Polizeivollzugsdienst 0,68 g Marihuana und 0,06 g Crystal sicher.“

Die „Waffenverbotszone“ hat also vor allem die Kontrollbefugnisse der Polizei deutlich ausgeweitet, ohne am Straftatenniveau wirklich etwas zu ändern. Die Kontrollzone wurde dabei deutlich erweitert, obwohl Waffenverbot nicht gleich Kontrollbefugnis bedeutet.

Enrico Stange hat da eine nur zu berechtigte Frage: „Die Polizeidirektion Leipzig hat im Bereich der Eisenbahnstraße einen Kontrollbereich nach § 19 SächsPolG ausgebracht. Dieser erstreckt sich über die Eisenbahnstraße bis zur Hermann-Liebmann-Straße. Die Waffenverbotszone erstreckt sich jedoch über die Hermann-Liebmann-Straße hinaus. Da die Verordnung über die Waffenverbotszone keine Kontrollbefugnisse eröffnet, der Kontrollbereich gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG aber an der Herrmann-Liebmann-Straße endet, ergibt sich die Frage: Auf welcher Rechtsgrundlage wird in dem Gebiet der Waffenverbotszone, in dem der Kontrollbereich nicht gilt, eigentlich kontrolliert?“

Und damit enden für ihn die Kuriositäten nicht. „So soll etwa das Mitführen von Messern in der Waffenverbotszone unterbunden werden, auch Einwegplastikmesser fallen unter das Verbot. Wer aber eine Polizeikontrolle bemerkt und sich kurzerhand in den nächsten Biergarten begibt, darf sogar rechtmäßig ein wirklich gefährliches Messer mitführen. Widersinniger geht es kaum.“

Wenn man es also genauer betrachtet, ist die mit viel Tamtam von Innenminister Markus Ulbig damals forcierte Waffenverbotszone eine reine Schauveranstaltung, weil sie das, was an polizeilicher Kontrolle schon vorher möglich war, jetzt geradezu mit einem „Wir machen was“-Nimbus umgibt.

Stanges Fazit: „Die Waffenverbotszone ist nicht nötig, um das Mitführen verbotener Waffen oder gefährlicher Gegenstände zu unterbinden. Die dafür erforderlichen Kontrollen sind an sogenannten gefährlichen Orten bereits nach dem bestehenden Polizeirecht möglich. Vielmehr erhöht die räumliche Ausbringung der Waffenverbotszone die Gefahr rechtswidriger Kontrollen ohne Anlass.

Selbst in der Waffenverbotszone können sich jene, die bewusst und zielgerichtet Messer führen, aufgrund der Ausnahmeregelungen einer Kontrolle entziehen. Man hat also vor allem die Rechtslage für alle Beteiligten verkompliziert. Das Innenministerium treibt bloße Symbolpolitik, die keinen Sicherheitsgewinn bringt, aber Grundrechte gefährdet.“

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