Eigentlich sollte das Katz-und-Maus-Spiel einiger Ämter in der Stadtverwaltung mit den Bürgern aufhören, findet nicht nur Piraten-Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann. Am 12. Dezember soll ja der Stadtrat über die Vorzugsvariante zur Öffnung des Pleißemühlgrabens an der Hauptfeuerwache abstimmen. Aber die Bürgerbeteiligung entpuppte sich im Nachhinein als Placebo, das mehr oder weniger kaschieren sollte, dass das entscheidende Dezernat gar nicht daran dachte, die Fachkompetenz der Bürger ernst zu nehmen.
Selbst in der Pressekonferenz am 14. November ließ Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal durchblicken, dass er die Beteiligung mehrerer hundert Leipziger in den beiden Foren und im Online-Abstimmungsverfahren nicht ernst nimmt. Die Zahl sei nicht repräsentativ für die Stadtbevölkerung – also auch nicht bindend in der Abstimmung.
Was zumindest deutlich macht, mit welcher Verachtung Leipzigs Verwaltung auf jene Bürger herabschaut, die sich in solchen Foren wirklich aktiv einbringen, dafür Zeit und Faktenstudium investieren, genau das, was sich Politik immer so vollmundig wünscht.
Und dann bringen sich die Leipziger ein, denen die Stadt ja nun wirklich am Herzen liegt – und eine obrigkeitlich denkende Verwaltung fegt alles vom Tisch, informiert nur halb und tut dann so, als sei ihre weise Entscheidung, an der man seit 2016 stur festhält, alternativlos.
In diesem Fall: der Erhalt eines riesigen, unansehnlichen Betriebshofes hinter der Hauptfeuerwache, der die dortige Offenlegung des Pleißemühlgrabens verhindert.
Das Eingeständnis am 14. November: Alternativen für diesen unverzichtbaren Betriebshof wurden überhaupt nicht geprüft. Man hat sich die Zahlen für eine neu zu bauende Feuerwache, die die Aufgaben des Betriebshofes übernehmen soll, einfach nur aus anderen Ämtern zusammentelefoniert, hatte Peter Heitmann, Leiter der Branddirektion, am 14. November zugestanden.
Erst so kamen die 14,9 Millionen Euro zusammen, die die Freilegung des alten Pleißemühlgrabens gegenüber der bevorzugten Stadtvariante am Ring kosten soll. Selten hat ein Dezernat so öffentlich zugegeben, dass es auf die Mitwirkung der Bürger pfeift.
Und so nebenbei auch, dass man sich damit sogar auf der sicheren Seite weiß, weil man im Stadtrat fest darauf rechnet, dass es in keiner einzigen Fraktion die nötige Fachkompetenz gibt, die obrigkeitliche Variantenentscheidung zu hinterfragen.
Ein Thema, das Gudrun Neumann umtreibt, die sich auch im Verein Neue Ufer e.V. engagiert und nun – wohl zu Recht – befürchtet, dass die Ratsfraktionen einfach den Argumenten der Verwaltung folgen und eine Variantenentscheidung abnicken, die die miserable Stadtraumsituation am Naundörfchen dauerhaft zementiert.
Sie hat den Stadtratsfraktionen wieder einen Offenen Brief geschickt, in dem sie unter anderem fragt: „Frage an die Stadträte: Haben Sie sich bei dieser Jahrhundert-Entscheidung wirklich ganz ausführlich mit der Thematik, den falschen Zahlen der Stadt, den Gründen nach den historischen Verläufen mit den nötigen Anbindungen an die anderen Flussverbindungen unserer Stadt, den Schwierigkeiten der Untergründe (‚Klein-Venedig‘ v. Goethe kennen Sie) beschäftigt? In meinen vielen Gesprächen mit den Stadträten in der letzten Zeit, gewann ich die Erkenntnis, dass sich kaum einer mit der Gesamt-Problematik des Themas PMG auseinandergesetzt hat.“
Und so etwas gibt natürlich einer Verwaltung, die ihre Vorstellungen unbedingt durchsetzen will, freie Hand und erzeugt nach außen den Anschein, der Stadtrat habe „nach bestem Wissen und Gewissen“ entschieden und das Votum der hochengagierten Bürger in der Online-Abstimmung sei einfach obsolet.
Was eben auch Ute Elisabeth Gabelmann so nicht akzeptieren kann. Wer als Verwaltung damit rechnet, dass zu jedem Bürgerforum tausende Leipziger strömen, sieht weder, was das für die Bürger an Zusatzaufwand bedeutet, noch, dass dann trotzdem hochmotivierte und lösungsorientierte Bürger kommen.
Es wäre aber nicht das erste Verfahren, in dem genau dieses Dezernat die Bürger vor den Kopf stößt und ihnen hinterher erklärt, dass sich die Verwaltung nicht die Bohne an das Votum gebunden fühlt.
„Gemäß Auskunft der Stadtverwaltung wurde das Bürgerbeteiligungsverfahren ergebnisoffen geführt“, stellt nun Ute Elisabeth Gabelmann fest. „Zwingende Einschränkungen oder gar unabdingbare Leitlinien wurden nicht vorgegeben. Vor dem Hintergrund des Wunsches der am Verfahren Beteiligten sowie der vorhergehenden Ratsentscheidung wird der Plan, den historischen Flussverlauf wieder erlebbar zu machen, auch weiterhin verfolgt“, fordert sie.
Denn wenn die Verwaltung ein anderes Votum hätte haben wollen, hätte zumindest die wilde Kalkulation für eine neue Feuerwache auf den Tisch gehört. Die zusammentelefonierten Zahlen aber gab man erst am 14. Dezember preis. Die von Neue Ufer vorgeschlagene Variante für den Betriebshof vor der Feuerwache hatte man nicht mal einer Prüfung für wert befunden.
Und so beantragt Ute Elisabeth Gabelmann: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die Öffnung des Pleißemühlgrabens gemäß der bei der Bürgerbeteiligung gewünschten Variante durchzuführen. Die Planungen der Bürgerinitiativen sind entsprechend zu berücksichtigen.“
Mit der Bürgerinitiative ist wohl der Verein Neue Ufer gemeint, der sich seit 1990 mit viel Engagement für die städtebaulich wahrnehmbare Öffnung der alten Mühlgräben einsetzt, aber in letzter Zeit immer öfter von der Verwaltung Entscheidungen vor die Nase gesetzt bekommt, die mit einer wirklich erlebbaren Wasserlandschaft nichts mehr zu tun haben.
Der Offene Brief von Gudrun Neumann.
Die Zahlen zum Pleißemühlgraben, aufgeschlüsselt von Gudrun Neumann.
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Tja, da kann man nur hoffen, daß sich genügend Stadträte genauso verarscht fühlen und für diesen Antrag stimmen.