Wahrscheinlich sind bald Ferien. Eiligst werden überall in Leipzig neu gestaltete Plätze feierlichst eingeweiht und Bürgermeister und Minister reisen herum und zelebrieren die Übergabe ans herbeigeeilte Volk. Gern auch parallel. Am Freitag, 1. Juni, gab es die offizielle Übergabe des Rathausvorplatzes, der seit 2016 aufwendig umgebaut wurde und mit Pollern gesichert, denn eine öffentliche Straße ist das nicht mehr.
Ob der Platz tatsächlich eine „mit dem historischen Ambiente harmonierenden Umgestaltung dieses Areals“ ist, muss wohl der Besucher für sich selbst entscheiden. Größer geworden ist der Platz auf jeden Fall. Eine Bankreihe wurde direkt an den nunmehr fünf Fahnenmasten aufgebaut. Hier könne man also künftig schön sitzen und auch prima demonstrieren, meinte Oberbürgermeister Burkhard Jung am Freitag, 1. Juni, zur Platzeinweihung.
Die Neugestaltung betone auch mit in den Boden eingearbeiteten Schriftzügen den hohen Stellenwert, den Leipzig den Verbindungen zu seinen 14 Partnerstädten in der ganzen Welt beimisst. Die Namen findet man tatsächlich – schwarz und zweisprachig – auf den Pflastersteinen. Aber sie sehen eher aus wie mit Schablone schnell mal hingesprüht.
Aber warum kam da extra der Innenminister zu so einer simplen Platzeinweihung nach Leipzig?
Der Grund ist das Ende eines beliebten Förderprogramms: Der Platz ist eines der letzten Projekte im Bund-Länder-Förderprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz Leipzig-Innenstadt“. Knapp 370.000 Euro steuerten Freistaat und Bund aus dem Förderprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ bei. Zwischen 2016 und 2018 ist das Areal vorm Haupteingang des Neuen Rathauses für rund 1 Million Euro umgebaut worden. Es wurde völlig neu gepflastert und Poller an der Hugo-Licht-Straße und an der Ausfahrt zum Martin Luther-Ring sorgen dafür, dass es hier keinen motorisierten Durchgangsverkehr mehr gibt. Deswegen wurde auch der Nachtbriefkasten des Rathauses an den Bediensteteneingang verlegt.
In der Beschreibung der Stadt: „Der Rathausvorplatz ist die letzte Einzelmaßnahme im öffentlichen Raum, die mit Fördermitteln aus dem Bund-Länder-Programm ‚Städtebaulicher Denkmalschutz‘ in Leipzig umgesetzt wurde. Entstanden ist ein repräsentatives, die Breite des Hauptportals aufnehmendes Entree von der Fassade bis zu den Fahnenmasten und sanierten -sockeln. Trotz Neugestaltung zeigt der Platz noch sein historisches Gesicht.
Damit entspricht er voll den Intentionen des Bund-Länder-Programms, historische Ensembles in ihrem besonderen Charakter zu erhalten und zukunftsweisend weiterzuentwickeln. Der Rathausvorplatz verfügt jetzt über eine geringere Straßenbreite, dafür ist der grüne Bereich des Promenadenrings vergrößert worden. Und der Platz macht jetzt auch Lust, sich dort aufzuhalten: neue Bänke laden zum Pausieren ein, zwei Polleranlagen sorgen für Verkehrsberuhigung, 24 neue Fahrradbügel sind aufgestellt und zehn Schinkelleuchten illuminieren ihn am Abend.
Der Abschnitt entlang dem Gebäude der Deutschen Bank ist als Straße mit asphaltierter Fahrbahn und Gehwegen gebaut worden. Autos haben nur noch beschränkt Zufahrt. Dadurch kommen die in den Belag eingelassenen Namen der Partnerstädte zur Geltung und der Bereich kann seiner repräsentativen Funktion besser gerecht werden. Für Berechtigte, vor allem für Behinderte, ist die Zufahrt weiter möglich. Vier Behindertenparkplätze stehen zur Verfügung. Zwei versenkbare Polleranlagen, eine an der Hugo-Licht-Straße, die andere an der Ausfahrt zum Ring, regeln künftig die Rathausvorfahrt. Der Durchfahrtsverkehr ist weiter über Hugo-Licht-Straße und Burgplatz möglich.
Das Vorhaben zur Umgestaltung des Areals vor dem Haupteingang zum Neuen Rathaus ordnet sich in die Umgestaltung des südlichen Promenadenrings ein, die nach dem Bau des City-Tunnels möglich wurde. Die Grundlagen für die Gestaltung wurden 2004 im „Workshop-Verfahren Südlicher Promenadenring“ gelegt, in dessen Planungsumgriff sich der Rathausvorplatz befand.
Die Idee, die Leipziger Partnerstädte angemessen zu repräsentieren, war bereits Teil der Vorplanung unter Federführung der Bürogemeinschaft Hinrichsenstraße 3, vertreten durch Hobusch+Kuppardt Architekten in Zusammenarbeit mit Stadt.Labor.
Mit der künstlerischen Umsetzung der Partnerstädte-Intarsien wurde das Gestaltungsbüro Dataholic beauftragt. Insgesamt hat die Umgestaltung 995.000 Euro gekostet. Daran beteiligten sich Bund und Freistaat Sachsen mit 365.568 Euro im Rahmen des Förderprogramms „Städtebaulicher Denkmalschutz“. Die Planungskosten sind vom Zweckverband Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) finanziert worden.“
Hübsch war, dass auch Innenminister Roland Wöller den neuen Platz als bestens geeignet einschätzte, hier künftig zünftig zu demonstrieren.
Innenminister Wöller unterstrich während seiner Festrede freilich auch: „Mit dem Rathausvorplatz hat Leipzig ein weiteres Schmuckstück zurück. Die Innenstadt steht beispielhaft für eine erfolgreiche Stadterneuerung in den vergangenen Jahren. Wir unterstützen in Zukunft weitere Maßnahmen in der Messestadt, um benachteiligte Stadtquartiere gezielt aufzuwerten.“
Und natürlich betonte er auch, dass Leipzig seit 1991 rund 435 Millionen Euro Finanzhilfen im Bereich nationale Städtebauförderung von Bund und Land erhalten hat. Damit wurden und werden beispielsweise das Neue Rathaus, das Bosehaus mit dem Bach-Archiv, die Nikolaikirche, der Lindenauer Hafen oder die Baumwollspinnerei saniert beziehungsweise restauriert.
Eigentlich ein ganz freundlicher Hinweis, dass Leipzig durchaus dankbar sein sollte, wenn es Geld aus Dresden gibt. Denn heftig gekämpft wurde ja auch um das nächste Großprojekt im Rahmen der sozialen Stadtentwicklung: den Bau des Quartiersschulkomplexes im bislang benachteiligten Leipziger Osten. Hier entsteht ein moderner Campus mit Oberschule und Gymnasium, mit Sporthallen sowie weiteren Freizeit- und Kultureinrichtungen. Allein für dieses Vorhaben stellen Bund und Land bis zu 14 Millionen Euro zur Verfügung, betonte Wöller.
Selbst beim Schulbau ist Leipzig auf freundliche Gesten des Innenministers angewiesen.
Gefeiert wurde am Freitag übrigens mit Gästen der Jüdischen Gemeinde und aus der Partnerstadt Addis Abeba in Äthiopien.
Und um den Platz zünftig in Betrieb zu nehmen wurden die vier Flaggen gehisst, die hier nun ständig wehen sollen: die sächsische, die Leipziger, die deutsche und die der EU. Und weil jetzt ein zusätzlicher fünfter Fahnenmast dasteht, können bei besonderen Gelegenheiten auch problemlos andere Flaggen aufgezogen werden, ohne eine der anderen abzunehmen.
Sichtbar sind jetzt auch wieder die Sockel der alten Fahnenmaste.
Aber für die Restaurierung und Wiederaufstellung der Maste von 1905 habe nun leider das Geld gefehlt, sagte Burkhard Jung. Der Innenminister, der ja vielleicht noch ein paar Denkmalschutzmittel hat, stand ja gleich daneben, auch wenn er solche Hilfe nicht gleich zusagte, sondern versprach, die Staatsregierung werde Leipzig weiter unterstützen.
Aber die Aufstellung der alten Maste werde man trotzdem schaffen, sagte Jung. Irgendwie.
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