„Bäume und Terroristen machen ja gerne gemeinsame Sache. Aus Angst vor Anschlägen wurden rund um das neue Abhörzentrum der sächsischen Polizei in Leipzig sämtliche Bäume und Sträucher geköpft“, kann man unter dem Videoclip von „extra 3“ des NDR lesen. Veröffentlicht am 18. April. Titel: „Realer Irrsinn: Weniger Bäume für mehr Sicherheit“. Rund um die Kaserne der Bereitschaftspolizei an der Essener Straße waren Bäume und Sträucher abrasiert worden.

Der NDR machte daraus einen mehr oder weniger satirischen Clip. Und René Sievert vom Nabu Leipzig gab in diesem Clip einige recht trockene, aber doch ironische Kommentare zum Naturschutzverständnis des Freistaats Sachsen und dem irren Sicherheitsdenken des Sächsischen Innenministeriums.

Aber Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, wollte es dabei nicht bewenden lassen. Denn in der Regel erreichen auch die witzigsten Clips im Fernsehen gar nichts, schon gar keine Änderung im Behördendenken, das manchmal in seltsamen Schleifen läuft. In Sachsens Innenministerium erst recht. Daran hat nicht einmal der Wechsel im Amt des Innenministers etwas geändert. Im Gegenteil: Roland Wöller (CDU) macht genau da weiter, wo der Hardliner Markus Ulbig (CDU) aufgehört hatte.

Dass das Innenministerium jetzt auf einmal drängenden Bedarf sah, einen Gehölzstreifen von 1,50 Meter Breite rund um das Kasernengelände der Bereitschaftspolizei abholzen zu lassen, hat mit einem anderen Sicherheitsprojekt zu tun, dem „Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrum“ (GKDZ), das die ostdeutschen Bundesländer genau hier in der Kaserne der Zweiten Bereitschaftspolizeiabteilung einrichten möchten.

Schön abgeschirmt von der Öffentlichkeit, denn zu Recht befürchtet nicht nur Sachsens Innenminister, dass so ein Überwachungszentrum den Protest friedliebender Bürger hervorruft. Denn hier geht der Staat in seiner Überwachungs-Lust weit über die bislang geltenden gesetzlichen Grenzen hinaus.

So sah die Ecke an der Delitzscher Straße noch 2015 aus ... Foto: Ralf Julke
So sah die Ecke an der Delitzscher Straße noch 2015 aus … Foto: Ralf Julke

Der NDR bringt es im Beitrag salopp auf den Punkt: das wird ein „Abhörzentrum der ostdeutschen Bundesländer“.

Also wird es möglichst abgeschottet eingerichtet. Aber selbst da hören die Ängste der Staatsregierung nicht auf.

„Aufgrund der geplanten Ansiedlung des Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums (GKDZ) auf dem Areal der Zweiten Bereitschaftspolizeiabteilung hat das Landeskriminalamt Sachsen im Juli 2017 seine baulich-technische Sicherungsempfehlung für das Gelände überarbeitet. Das Gutachten beinhaltete als unabweisbare Forderung, die äußere Objektsicherheit zu erhöhen“, erklärt jetzt Finanzminister Matthias Haß, dem auch das Immobilienmanagement des Freistaats untersteht.

„Dies umfasst u. a. die Schaffung eines durchgehend umlaufenden freigeschnittenen Bereiches in einer Breite von 1,50 m außerhalb der Umzäunung des Areals sowie die zwingende Notwendigkeit, starken Baumbewuchs außerhalb der Umzäunung, der als Auf- oder Übersteighilfe genutzt werden kann, zu beseitigen.“

Das darf man dann wohl schon staatliche Paranoia nennen: Erst plant man ein Abhörzentrum, mit dem man die Bürger umfassend ausspähen kann, dann packt man es in eine leidlich begrünte Kaserne und dann lässt man die Bäume absägen, weil man fürchtet, böse Buben könnten ins Gelände eindringen wollen.

Das ist geballtes schlechtes Gewissen.

Dafür opfert man dann gern auch 119 Bäume. Jedenfalls war von so vielen im Beitrag zu hören.

... und so sieht die Ecke heute aus. Foto: Ralf Julke
… und so sieht die Ecke heute aus. Foto: Ralf Julke

Nach Auskunft von Matthias Haß war die Zahl ein wenig anders: „Im Zeitraum vom 22. bis 28. Februar 2018 wurden 112 Bäume gefällt. Mit der Baumfällung ging das Entfernen von Laubsträuchern einher. Eine genaue Anzahl der Laubsträucher kann nicht benannt werden. Die Rodung umfasste diverse Gehölze auf dem Areal der Zweiten Bereitschaftspolizeiabteilung, Dübener Landstraße 4, Leipzig, in einer Breite von 1,50 m außerhalb der Umzäunung.“

Dass im Clip 119 Bäume draus wurden, hat möglicherweise damit zu tun, dass für 19 Bäume eine Extra-Genehmigung des Leipziger Amtes für Umweltschutz eingeholt werden musste. Matthias Haß: „Die Fällung von 19 Bäumen und ca. 500 lfm Hecken bedurfte einer Genehmigung gemäß der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig.“

Und das Amt kam, guckte und genehmigte. Wäre ja mal eine Überraschung gewesen, wenn die Leipziger Naturschutzbehörde der Staatsregierung sagt: „Nein, die Genehmigung bekommt ihr nicht.“

Und da man gleich so nett beisammen war, wünschten sich die Regierungsvertreter gleich noch eine kleine Vergünstigung: „Darüber hinaus wurde aufgrund der nicht abgeschlossenen Entwicklung der Liegenschaft der Erlass von der Pflicht von Ersatzpflanzungen beantragt. Stattdessen wurde die Übernahme einer Ausgleichszahlung angeboten.“

Jeder Grundstücksbesitzer, der geschützte Bäume auf seinem Grundstück fällt, ist eigentlich gesetzlich verpflichtet, dafür Neupflanzungen als Ausgleich vorzunehmen. Für die Bereitschaftspolizei hätte das bedeutet: „Es sind Ersatzpflanzungen zu erbringen (100 Jungpflanzen bis 3 m Höhe, 19 Hochstämme bis 30 cm Stammumfang).“

Aber die Stadt Leipzig gab sich damit zufrieden, dass die Staatsregierung 43.000 Euro zahlt und auf Ersatzpflanzungen verzichtet.

„Am 9. Februar 2018 wurde ein dem Antrag entsprechender Genehmigungsbescheid für die genehmigungspflichtige Fällung von 19 Bäumen und 500 lfm Hecken auf der Grundlage der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig in Verbindung mit dem Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege im Freistaat Sachsen erlassen. Die mit dem Genehmigungsbescheid festgesetzte Ausgleichszahlung an die Stadt Leipzig beläuft sich auf 43.100 EUR.“

Dafür sieht die Kaserne jetzt von außen aus wie eine richtige Kaserne: schön kahl mit verbrannten Grasnarben.

Die Antwort von Matthias Haß auf die Anfrage von Valentin Lippmann (Grüne). Drs. 13208

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Es gibt 2 Kommentare

Das hat man früher an den Stadtmauern auch so gemacht . . . nannte sich “Schussfeld”. Den Hintergedanken unterstelle ich jetzt hier zwar nicht, aber was man hat, hat man ;-). Die Frage ist eher, ob das linke Tasche/rechte Tasche Ausgleichsgeld auch für den vorgesehenen Zweck verwendet wird? Wobei, kontrolliert ja sowieso keiner. So geht sächsisch . . .

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