2019 will die Bahn ihre Brücken und Gleise in der Leipziger Elsteraue komplett erneuern und die Straße auch für ICE-Fahrten bis 120 km/h ertüchtigen. Die Brücken über Weiße Elster, Neue Luppe und Nahle sind 90 Jahre alt und haben das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Seit 2016 sind die Pläne bekannt. Aber wirklich geklärt sind einige Dinge noch nicht - und zwar genau die, die die Leipziger besonders betreffen.
Zwar hat die Bahn in ihrer Bekanntmachung angekündigt, auf den Hochwasserschutz besonders Rücksicht zu nehmen und Brücken und Gleiskörper bis zu 80 Zentimeter anzuheben und die Gleisabstände zu verbreitern. Aber wirklich mehr Platz unter den Brücken gibt es nicht, denn die neuen ICE-Brücken haben natürlich auch einen deutlich kompakteren Unterbau. Was die Leipziger Umweltverbände und der ADFC in ihren Stellungnahmen deutlich kritisieren. Denn es wäre Aufgabe der Stadt gewesen, hier auch die Verkehrsbeziehungen der Radfahrer und Fußgänger zu sichern.
Hier führt nicht nur der Elsterradweg entlang und muss eine unzumutbar niedrige Unterführung passieren – hier liegen auch die logischen Erschließungswege für den Nahleberg, der ja einmal ein gut erschlossenes Naherholunsgebiet werden soll. Und da die viel zu niedrig angelegte Deponiebrücke zum Nahleberg sowieso verschwinden soll, ist die Zuwegung unter den Eisenbahnbrücken der logische Zugang.
Aber sowohl bei der Unterführung linkseitig der Weißen Elster zum Heuweg plant man mit einer nicht zulässigen lichten Höhe von nur 2 Meter, was sogar die gesetzlich geforderten Mindesthöhen von 2,25 bzw. 2,50 Meter deutlich unterschreitet. Es wird nicht einmal angestrebt, hier eine zukunftsfähige Lösung zu schaffen, die eine Mindesthöhe von 2,50 Meter, besser aber von 3 Meter anstrebt. Erst dann kann man davon ausgehen, dass sich Radfahrer hier nicht den Kopf blutig schlagen, wenn sie durch die Unterführung Richtung Rosental und Marienweg wollen.
Die Umweltverbände schlagen deshalb eine Erhöhung der Brückenlage um 73 Zentimeter vor, um überhaupt erst einmal eine vernünftige Unterfahrung der Eisenbahnbrücke möglich zu machen.
Dasselbe gilt für die noch viel stärker frequentierte Unterführung rechts der Neuen Luppe. Die soll zwar künftig näher an den Fluss verlegt werden und damit auch mehr Spielraum über den Köpfen der Radfahrer ermöglichen.
Auch hier schlagen die Umweltverbände eine Höherlegung der neuen Brücke vor, zwischen 42 und 49 Zentimeter. Das würde es ermöglichen, mit dem Radweg etwas auf Abstand zum Fluss zu bleiben und trotzdem etwas mehr Platz über den Köpfen zu bekommen. Dass die Näherlegung an den Fluss Sinn macht, hat mit der jetzigen völlig unzureichenden Situation zu tun, bei der die Kurvenradien viel zu eng sind, die Steigungen zu steil und die Radfahrer viel zu spät sehen, ob ihnen jemand entgegenkommt. Hier muss mit deutlich größeren Kurvenradien gearbeitet werden.
In beiden Fällen könne die Stadt übrigens darauf bestehen, für diese “Extra-Wünsche” nicht extra zur Kasse gebeten zu werden, denn eigentlich hätte die Bahn diese Aufweitungen im Sinne des drunterdurchführenden Verkehrs schon von sich aus in die Pläne einarbeiten müssen, denn dass beide Unterführungen nicht den gesetzlichen Standards genügen, war auch vorher schon bekannt.
Eine Höherlegung würde natürlich zur Folge haben, dass der aufgeschüttete Damm breiter wird. Was dann in den Vorlagen das Argument dafür war, dass das nicht möglich sei, weil man damit zusätzlichen Raum in Kleingärten bzw. anliegenden Biotopen in Anspruch nehmen würde und einen Abwasserkanal der Waseerwerke berühren würde. Aber das alles sind eher vorgeschobene Probleme, konstatieren die Umweltverbände, die seit Dezember eigentlich recht sauer sind, denn ihre Kritik und die notwendigen Verbesserungen hatten sie alle schon rechtzeitig eingebracht – die DB hat zwar die Planunterlagen geändert, aber keinen der von den Umweltverbänden vorgebrachten Kritikpunkte aufgegriffen.
Als wäre es völlig egal, was professionell arbeitende Umweltvereine zu solchen Plänen sagen. Wen interessieren denn Radfahrer, Jogger und Spaziergänger?
Im Januar hat der BUND die Kritik gegenüber der Landesdirektion Sachsen erneuert.
Man findet sich genau in der Phase, in der die Mitwirkung anerkannter Umweltverbände in solchen Projekten vorgesehen ist, damit genau solche Verstöße gegen wichtige gesetzliche Regelungen ausgemerzt werden können. Aber wie es aussieht, hat man auch das nicht mit eingeplant, sondern will das Projekt wie 2016 geplant stur durchziehen.
Dass es Verbesserungen zum alten Zustand sind, ist keine Frage. So werden die Brückenquerschnitte breiter und die Stützpfeiler sämtlich aus Flußnähe zurückgenommen, was gerade bei Neuer Luppe und Nahle bedeutet, dass der Fluss im Hochwasserfall ungehinderter strömen kann. Wobei durchaus noch die Frage offen ist, ob die Brückenhöhe auch dafür ausreichend bemessen ist. Denn bei den zu erwartenden “Jahrhunderthochwassern” bleiben rechnerisch nur wenige Zentimeter zwischen Hochwasserscheitel und Brückenunterkante. Das Wasser muss hier durch wie durch ein Nadelöhr. Aber überströmen kann es die Brücken künftig nicht mehr, denn da ein ICE drüber saust, wird es beidseitig auch noch fünf Meter hohe Sicherheitswände geben, um vor allem Vögel daran zu hindern, in den rasenden Zug zu fliegen.
All das ist zumindest erstaunlich, da ja die Pläne seit 2016 bekannt sind.
Da hätte auch die Stadt Leipzig deutlich klarere Änderungen einbringen müssen. Aber augenscheinlich waren die Sachbearbeiter für Radverkehr und Auenerschließung krankgeschrieben, als es um diese Änderungen ging.
Das betrifft auch die notwendigen Zuwegungen für den Nahleberg.
Eine bietet sich logischerweise linksseitig der Neuen Luppe als Unterführung der Brücke an. Zu Fuß käme man hier vom Heuweg zum Nahleberg, wenn die alte Deponiewegbrücke entfernt ist.
Und ebenso logisch bietet sich ein Radweg rechtsseitig der Nahle an, der die dortige Eisenbahnbrücke unterquert. Das hätte die Stadt eigentlich mit in die Pläne einbringen müssen, denn die künftige Erschließung des Nahlebergs steht ja fest. Die jetzigen Brückenbauten sind der Punkt,an dem die künftige Zuwegung gesichert werden muss. Und auch förderfähig ist, wie die Umweltverbände betonen.
Den größten Schildbürgerstreich hat sich dabei die Stadt Leipzig selbst geleistet: Sie hat die alten Brücken in einer Hauruckaktion unter Denkmalschutz gestellt und sich damit selbst Scheuklappen für die überfälligen Änderungen aufgesetzt. Denn das, was jetzt für Radfahrer und Fußgänger zu erleben ist, ist ein uraltes Provisorium, irgendwie unter das Bauwerk gequetscht, als der Bahnübergang am Marienweg dauerhaft dichtgemacht wurde.
Es verblüfft schon, dass staatliche Instanzen glauben, dass solche Provisorien dauerhaft bleiben können.
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