Für FreikäuferAls bei den Ehrungen zum 17. Juni in diesem Jahr Gerüchte aufkamen, die Paradeallee der Funktionäre auf dem Leipziger Südfriedhof sollte unter Denkmalschutz gestellt werden, waren nicht nur die Grünen im Stadtrat alarmiert. Auch weil man lange nichts gehört hatte, ob die Stadt nun endlich die Grabanlage „Opfer der Gewaltherrschaft 1945-1989“ in Ordnung gebracht hat. Sie hat. Sie hat sogar die Lagepläne des Südfriedhofs ergänzt.

Denn wer die eher inoffiziell entstandene Anlage bislang gesucht hat, musste sie lange suchen und findet sie auch heute erst ein ganzes Stück hinten vorm großen Urnenfeld. Man merkt, dass die Stadt mit der Schwerpunktsetzung des Gedenkens auf dem Südfriedhof irgendwie hinterherkleckert und eigentlich keine Strategie hat. Was schon vor 20 Jahren sichtbar wurde, als – trotz Stadtratsbeschluss – lange nichts passierte beim Rückbau von Appellplatz und Propagandawand. Da musste es erst medialen Nachdruck geben.

Die Reihe der Funktionärsgräber liegt noch heute. Aber wie sieht es mit der Grabanlage „Opfer der Gewaltherrschaft 1945-1989“ aus, wollte die Grünen-Fraktion wissen.

Sie sieht noch fast genauso aus wie zuvor – aber gepflegter und ordentlicher. Der Stadtratsauftrag wurde umgesetzt, teilt jetzt das zuständige Kulturdezernat mit: „Die Grab- und Gedenkanlage ‚Opfer der Gewaltherrschaft 1945-1989‘ wurde unter Einbeziehung des intakten Pflanzenbestandes aufgewertet. Die Neuversetzung der Einfassung und der Trittplatten sowie die Reinigung der Grabplatten und des Gedenksteines wurden ausgeführt. Ein vollständig mit Efeu begrünter Zaun begrenzt die Grab- und Gedenkanlage im rückwärtigen Bereich. Der Weg unmittelbar an der Grab- und Gedenkanlage wurde erneuert. Im Bereich des Hauptweges wurde der desolate Straßenzustand repariert, um eine sichere Erreichbarkeit zu gewährleisten. Im Zuge der Reinigung der Grabplatten wurde festgestellt, dass eine teilweise Erneuerung der Inschriften erforderlich ist. Dies ist für das 3. Quartal 2017 vorgesehen.“

Aber ein Grundproblem war ja, dass man sich nur hinfand, wenn man überhaupt schon wusste, wo die Anlage zu finden ist. Offizielle Wegweiser gab es nicht. Die gibt es auch jetzt noch nicht.

Aber man habe das mit der Orientierung verbessert, betont das Kulturdezernat: „Die Friedhofspläne wurden um den Standort der Grab- und Gedenkanlage ergänzt. An drei Eingängen waren bisher keine Friedhofspläne vorhanden, diese wurden aufgestellt. Der Südfriedhof verfügt nicht über ein Leit- und Orientierungssystem. Das Konzept wurde entwickelt und wird im 2. Halbjahr 2017 an markanten Punkten des Friedhofes umgesetzt. Die Erläuterungstafel zur Anlage ‚Opfer der Gewaltherrschaft 1945-1989‘ wird im September 2017 an der Grab- und Gedenkanlage aufgestellt.“

Die Erläuterungstafel stand zumindest am Wochenende noch nicht. Vielleicht hatten wir es zu eilig, das Ergebnis zu bewundern. Aber die Friedhofspläne wurden tatsächlich ergänzt. Der Standort der Gedenkanlage wurde groß und deutlich eingefügt.

Die Gedenkanlage ist jetzt auch im Friedhofsplan zu finden. Foto: Ralf Julke
Die Gedenkanlage ist jetzt auch im Friedhofsplan zu finden. Foto: Ralf Julke

„Sollte nicht bei einem Vorhaben von solch historischer, denkmalpflegerischer und künstlerischer Dimension ein separat dafür eingesetztes zeitweiliges Begleitgremium hinzugezogen werden?“, wollten die Grünen noch wissen.

Aber da haben sie die Sache wahrscheinlich zu klein gedacht. Denn so ein Gremium braucht man tatsächlich, wenn man überhaupt erst einmal ein tragfähiges Konzept zur Gedenkkultur haben möchte. Leipzig hat ja noch keines. Deswegen sieht ja auf dem Südfriedhof vieles so unfertig aus.

Und so versteht es auch das Kulturdezernat: „In der Vorlage VI-DS-03500 ‚Maßnahmen zum Kulturentwicklungsplan der Stadt Leipzig 2016-2020‘ wird unter dem Handlungsschwerpunkt 3: ‚Stärkung Leipzigs als national und international anerkannte, weltoffene Kulturstadt, die mit ihren kulturellen Angeboten ein vielfältiges Publikum anzieht‘ als fortlaufende Maßnahme 30 die Erarbeitung eines fachübergreifenden Konzeptes zur Erinnerungskultur angestrebt. Dieses Konzept soll auch die Erinnerung an den 17. Juni integrieren. Im Zuge der Konzepterstellung könnte generell die Frage eines Begleitgremiums zur Erinnerungskultur geklärt werden.“

Und vielleicht kann so auch ein stringentes Konzept für das politische Gedenken auf dem Südfriedhof entwickelt werden, könnte man zumindest anmerken.

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