Wenn eine Stadt kein wirklich attraktives und mitwachsendes ÖPNV-Netz hat, dann passiert genau das, was Leipzig derzeit erlebt: Die Ortsteile, wo die Bevölkerung wächst, beginnen im geparkten Blech zu ersticken. Das Phänomen ist jüngst erst nach Lindenau und Leutzsch hinübergeschwappt. Und die CDU-Fraktion beantragte: „Kümmer dich, Stadt! Schaff Parkplätze!“ Die Reaktion aus dem Verkehrsdezernat ist entsprechend verwundert.
„Der Oberbürgermeister legt bis zum 31. Dezember 2017 ein Konzept für den ruhenden Verkehr in den Stadtteilen Altlindenau und Leutzsch vor. Dieses Konzept beinhaltet die Möglichkeiten der Quartiersgaragen, Tiefgaragen sowie die Erweiterung des öffentlichen Parkraums“, hatte die CDU-Fraktion beantragt. „Im Zuge der Sanierung der Georg-Schwarz-Straße zwischen dem Rathaus Leutzsch und dem S-Bahnhof Leutzsch ist mit der Vorlage vom 17. Juni 2016 beschlossen worden, Parkmöglichkeiten zu verringern. Da die Stadtteile Altlindenau und Leutzsch durch die Georg-Schwarz-Straße verbunden werden, sollte eine weiträumige Erweiterung des Parkraumes stattfinden. Auch durch zahlreiche Sanierungen in den beiden Stadtteilen nimmt die Bevölkerung und damit verbunden die Anzahl der PKW zu. Da viele Menschen auf ihr Auto angewiesen sind, sollte die Stadt diesen Bedürfnissen Rechnung tragen.“
Eigentlich geht das nicht. Das weiß man auch bei der CDU. Für die Schaffung von Abstellplätzen sind die Autobesitzer selbst verantwortlich, in Delegation die Hausbesitzer, die entsprechenden Stellraum für Autos vorzuhalten haben. Noch ist ja die Stellplatzregelung in Leipzig nicht geändert. Aber selbst wenn sie geändert wird, kann kein Autofahrer die Stadt in die Pflicht nehmen, ihm Parkraum zu schaffen.
Die Stadt kann nur im eigenen Interesse dafür sorgen, dass die Straßen durchlässig bleiben. Und sie kann aus den Stellplatz-Ablösegeldern den Bau von neuen Parkhäusern fördern. Was auch nicht immer klappt – wie jüngst ja erst in Schleußig erlebt.
Und sie kann den Bau solcher Anlagen prüfen lassen. Das schlägt das Stadtplanungsdezernat so jetzt auch als Alternative vor: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle vorliegenden Konzepte für die Stadtteile Altlindenau und Leutzsch in Hinsicht auf die Schaffung von Quartiers- bzw. Tiefgaragen und die Erweiterung des öffentlichen Parkraumes zu prüfen. Bei neuen, noch zu erstellenden Konzepten sind diese Sachverhalte zu berücksichtigen.“
Und dann weist es in seiner Stellungnahme zum CDU-Antrag auch noch darauf hin, dass man schon im Vorfeld der Arbeiten an der Georg-Schwarz-Straße entsprechende Konzepte entwickelt hat: „Für die Stadtteile Altlindenau und Leutzsch liegen bereits aktuelle Untersuchungen einschl. der notwendigen Analysen sowie generellen Lösungsvorschläge für den Parkraum in diesen Stadtteilen vor, welche nachfolgend beschrieben werden. Eine weitere Untersuchung im Bereich ‚Brunnenviertel‘ ist geplant. Eine großflächige Erweiterung des öffentlichen Parkraumes ist in den Stadtteilen jedoch nicht umsetzbar. Die bisher festzustellende zunehmende Motorisierung im Stadtgebiet Leipzig und die gleichzeitig im Untersuchungsraum erwünschte Bewohnerzunahme mit Erhöhung der Wohn- und Aufenthaltsqualität einerseits und die im Straßenraum kaum noch erweiterbaren Stellflächen andererseits lassen erkennen, dass sich die Diskrepanz zwischen Parkraumnachfrage und Parkraumangebot im öffentlichen Verkehrsraum weiter erhöhen wird.“
Ohne dass die Privaten im Gebiet selbst aktiv werden, wird das Problem also nicht lösbar sein: „So wird es über die möglichen Maßnahmen im öffentlichen Verkehrsraum hinaus erforderlich, durch bzw. über eine Zusammenarbeit der Grundstücks- und Wohnungseigentümer die Schaffung von zusätzlichen bzw. die verstärkte Nutzung von bereits vorhandenen privaten Parkflächen sowie ggf. zeitliche Stellplatzangebote zu fördern. Gleichzeitig wird langfristig die intensivere Nutzung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes erforderlich.“
Umweltverbund heißt im Wesentlichen: Straßenbahn, Fahrrad, zu Fuß laufen.
Was gibt es für die Stadtteile Leutzsch und Lindenau schon?
- ein „Integriertes Verkehrskonzept Georg-Schwarz-Straße“
„Im Auftrag des ASW wurde im Jahr 2012 das ‚Integrierte Verkehrskonzept Georg-Schwarz-Straße‘ für die Georg-Schwarz-Straße erstellt, welches das Umfeld der Georg-Schwarz-Straße in den Stadtteilen Lindenau und Leutzsch betrachtet. Die Untersuchung enthält die umfassende Bewertung der einzelnen Verkehrsarten. Speziell die Bewertung des Parkraumangebotes, der Nachfrage sowie mögliche Maßnahmenvorschläge sind in einzelnen Betrachtungsbereichen innerhalb des Untersuchungsraumes gegliedert“, betont das Planungsdezernat. Eine Folge der Betrachtung war zum Beispiel, dass man einen Teil des Parkraumes aus der Georg-Schwarz-Straße herausgenommen hat, auch um die dauernden Behinderungen der Straßenbahn zu minimieren.
- die „Parkraumkonzeption Georg-Schwarz-Straße“
„Im Rahmen der Planungen für die Georg-Schwarz-Straße als gemeinsame Verkehrsbaumaßnahme von Stadt Leipzig und LVB GmbH zwischen Hans-Driesch-Straße und Philipp-Reis-Straße wurden gemäß Beschlussfassung zur Vorplanung (VI-DS-01111-NF-001) in der Ratsversammlung am 17.06.2015 Untersuchungen zum ruhenden Verkehr und zur Möglichkeit der Errichtung einer Quartiersgarage durchgeführt und im Rahmen der weiterführenden Planung 2016 sowie im Rahmen des Bau- und Finanzierungsbeschlusses (VI-DS-02665) dargestellt. Aufbauend auf den Aussagen und Grundlagen der vorhandenen Parkraumanalyse ‚Integriertes Verkehrskonzept Georg-Schwarz-Straße‘ (gem. Punkt 1.) wurde eine Aktualisierung und Erweiterung des Untersuchungsgebiets vorgenommen. Damit soll die Optimierung des Parkraumangebotes vorgenommen sowie die Möglichkeiten für die Einrichtung oder Nutzung von privaten Stellflächen oder Anlagen bewertet werden.“
Wobei die Planer bei Betrachtung der ganzen Nebenstraßen in diesem Teil von Leutzsch zum Ergebnis kamen, dass eben doch genügend Parkplätze im Nebenstraßenbereich zur Verfügung stehen und in Wirklichkeit genügend Puffer existiert.
Oder mit den Worten der Stadtplaner: „Gemäß Punkt 1. ‚Integriertes Verkehrskonzept Georg-Schwarz-Straße‘ ist es möglich, ein entsprechendes Parkraumangebot grundsätzlich im Umfeld des Planungsbereiches weiterhin zu gewährleisten. Die aktuelle Analyse 2016 durch Begehungen und Zählungen an einem repräsentativen Werktag bestätigte, dass auch aktuell verfügbare Stellflächen in der Georg-Schwarz-Straße sowie im großräumigen Umfeld vorhanden sind. In den Abend- und Nachstunden ist eine höhere Auslastung in der Georg-Schwarz-Straße und den angrenzenden Straßenzügen festzustellen. Durch den Entfall der momentan beidseitig vorhandenen Stellflächen am Fahrbahnrand bei aktuellem Bauvorhaben der Georg-Schwarz-Straße ist eine Verlagerung des ruhenden Verkehrs erforderlich, welche insgesamt im Umfeld aufgenommen werden kann. Perspektivisch konkret umsetzbare Maßnahmen werden in der Untersuchung zum Parkraum dargestellt und beinhalten Änderungen der Parkordnung in den Nebenstraßen, konkrete Vorschläge für weiterführende verkehrsrechtliche Regelungen.“
Und auch hier wieder der Hinweis: Die Lösungen können nicht alle nur auf städtischen Flächen erfolgen. „In die Betrachtungen einbezogen wurden private Flächen, welche derzeit bereits als Parkflächen genutzt werden oder perspektivisch für die Einrichtung privater Stellplatzanlagen geeignet wären. Auf diesen Flächen besteht demnach grundsätzlich die Möglichkeit der Einrichtung von (privaten) Quartiersgaragen, während diese Option im vorhandenen öffentlichen Straßenraum nicht gegeben ist. Bereits bestehende und positiv bewertete Lösungen anderer Städte (z. B. München) im unterirdischen Bauraum der Verkehrsanlagen können aus heutiger Sicht nicht wirtschaftlich in der vorliegenden Planung berücksichtigt und umgesetzt werden, da aufgrund der vorhandenen Straßenquerschnitte, der Bebauung und der erforderlichen Anlagen der Versorgungsunternehmen eine Umsetzung einer unteririschen Parkgarage nicht möglich ist.“
- das „Parkraumkonzept Brunnenviertel“ (in Vorbereitung)
„Im Bereich des Brunnenviertels, je zum Teil in den Stadtteilen Lindenau und Leutzsch gelegen, wurden ca. 50 % des Gebäudebestandes des Brunnenviertels durch den Investor saniert sowie 30 Gebäude im Istzustand weiterverkauft. Seitens Investor bestand/besteht das Interesse, ein Parkraumkonzept für das Brunnenviertel zu erarbeiten. Das Verkehrs- und Tiefbauamt hat dabei im Rahmen seiner Möglichkeiten in der Vergangenheit Unterstützung geleistet und diese weiterhin zugesichert. Der neue Eigentümer will – nach Aussage in einer gemeinsamen Beratung im Mai 2016 – das Parkraumkonzept weiterverfolgen. Nach Aussage des Investors wurde die Aufgabenstellung des VTA in die Ausschreibung des Parkraumkonzeptes Brunnenviertel übernommen.“
- das „Integrierte Verkehrskonzept Leipzig-Altlindenau“
„Für den Stadtteil Altlindenau wurde im Auftrag des ASW im Jahre 2015 ein Verkehrskonzept erstellt, welches ebenfalls eine Analyse des Parkraumes beinhaltet. Es wird in diesem Zusammenhang auch dargestellt, dass hier vorhandene Parkhäuser bisher nicht ausgelastet sind und weiteres Nutzungspotential gegeben ist. Im Rahmen der Erarbeitung des Verkehrskonzeptes wurde die Frage gestellt, ob eine Parkraumbewirtschaftung rund um den Lindenauer Markt/in ganz Lindenau vorgesehen ist und ob die Stadt Flächen für mögliche Quartiersgaragen in Aussicht hat. Beantwortet wurde dies zum damaligen Zeitpunkt wie folgt: ‚Eine großflächige Parkraumbewirtschaftung mit Parkscheinautomaten ist nicht erforderlich, auch fehlt es an der Rechtsgrundlage. Kurzzeitparkplätze mit Parkscheibe sind in ausreichendem Maß vorhanden. Vielmehr sollte darauf orientiert werden, dass die Parkhäuser und Tiefgaragen öffentlich sind und Kunden der Geschäfte diese nutzen‘. Die Beantwortung zeigt einerseits, dass in diesem Wohngebiet der Parkdruck 2015 noch nicht so hoch war, dass alle Parkflächen auch genutzt wurden. Erst die weitere Entwicklung wird zeigen, wann auch hier über eine Ausweisung der Parkraumbewirtschaftung nachgedacht werden sollte.“
Das Ergebnis des Antrags ist also ein Doppeltes: Tatsächlich gibt es schon drei (vier) städtische Konzepte für das Parkraumproblem. Und die Parkplatznot ist noch gar nicht so groß, dass Holland in Not ist.
Und eigentlich Drittens: Die Lösung lautet auch hier am Ende Umweltverbund, also noch bessere ÖPNV-Verbindungen und bessere Bedingungen für den Radverkehr. Und –– was oft vergessen wird –– eine echte integrierte Stadtpolitik, die den Bürgern lange motorisierte Wege erspart, indem nämlich alle Infrastrukturen von Kita und Schule bis zu Ärztehäusern und Einkauf fußnah erledigt werden können. Dann könnten die meisten Leute auf ein Auto verzichten und niemand würde mehr über Parkplatznot reden.
Die Stellungnahme des Planungsdezernats.
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Schafft endlich alle Parkplätze ab – nicht nur aber vor allem in der Georg-Schwarz-Straße. Wandelt die derzeitigen Stellflächen in Radwege um – diese sind dann 3m breit und erlauben Genußradeln für alle: Das Kind und die Oma, weil sich keine Autotür mehr plötzlich öffenen kann und man auch nicht mehr mit zu geringem Seitenabstand überholt wird. Außerdem wird es der Fahrradkurier lieben, weil er schnell und zügig unterwegs sein kann. Nebenbei ist es eine Re-Demokraisierung dees öffentlichen Raums: Statt 200 PKW Nutzern können einen solchen Streifen bis zu 6000 Radler in der Stunde benutzen. Die Läden an der Straße freut es auch, weil die potentiellen Einkäufer viel schneller eine Parkmöglichkeit (=Fahrradbügel) finden und Gesundheitsfolgekosten fallen auch noch niedriger aus, da weniger Feinstaub, Stickoxid oder schwerwiegende Unfälle auftreten werden.
Ach ja und die E-Mobilität wird auch noch gefördert, weil sie tatsächlich wieder zuverlässig durch die Georg-Schwarz-Straße kommt, die Linie 7!