Seit Tagen läuft nun die Gerüchteküche rings ums Westwerk Leipzig heiß. Hatte es zum Ende letzten Jahres mit der Kündigung der Ausstellungsmacher von „Westpol Airspace“ begonnen, setzte sich der Reigen der Veränderungen an der Karl-Heine-Straße vor Weihnachten fort. Mehrere Mieter erhielten Briefe mit teils rechtswidrigen Mieterhöhungsankündigungen, wenige Wochen später wollen die Ersten aufgeben. Die intransparenten Gründe für das rabiate Vorgehen des Vermieters Westwerk GmbH variieren, das teils unkommentierte Handeln erzeugt Gerüchte. Eines jedenfalls ist nun geklärt und könnte den Grund liefern. Der Konsum möchte tatsächlich im Westwerk einziehen.

Seite fast einer Woche herrscht Schweigen. Bis auf kurze Bestätigungen, die Fragen der L-IZ.de noch beantworten zu wollen, erfolgt keine Klärung seitens des Vermieters. Der Inhaber des Geländes, die CORPURE GmbH & Co. KG, wünscht der L-IZ.de stattdessen noch „weiterhin viel Erfolg“. Wobei auch immer. Noch im vergangenen Jahr hatten die Signale aus dem Westwerk anders geklungen – aufgeschreckt durch die öffentlich gewordene Kündigung der Ausstellungsmacher „Westpol“ hatten alle Beteiligten Gespräche angekündigt, das Kulturamt der Stadt war kurzzeitig einbezogen.

Hier stellt man nun konsterniert fest, dass danach nichts mehr geschah, von den Bemühungen, im Westwerk nachhaltig Kultur und Kunst eine Heimat zu geben, weiß man im Rathaus nichts seitdem – einen echten Plan gibt es nicht. So schreibt das Kulturamt auf Nachfrage: „Da sich das Westwerk in privater Hand befindet, kann es seitens des Kulturamtes keine Vorgaben für die Nutzung geben. Den Verwalter der Westwerk GmbH haben wir jedoch als kunstfreundlich und offen für ein tragfähiges Konzept der Akteure kennengelernt.“

Dass man kaum etwas machen kann, ist dem Amt klar, es handelt sich um eine Privatliegenschaft. Weshalb nun auch „Westpol Airspace“ bei einer befreundeten Kanzlei eine Ausstellung veranstaltet und nicht mehr im Westwerk. Da die Stadt nur „Westpol“ und nicht das Westwerk fördern kann, wird es wohl auch beim Auszug bleiben, für die ehemalige Halle liegen längst andere Pläne in der Schublade des Vermieters.

Das allgemeine Problem selbst ist der Stadt zudem klar. So sei man in Leipzig als wachsende Stadt „zunehmend auch mit veränderten Nutzungsbedingungen für freie Künstler konfrontiert …. Günstige Mieten für Ateliers und Ausstellungsräume werden knapper. Damit muss sich offensiv auseinandergesetzt werden.“

Während mancher noch grübelt

Unterdessen folgten kurz vor Weihnachten weitere Schritte im Westwerk. So erhielten Mieter kommentarlose Briefe mit der Aufforderung, ab Januar 2017 60 bis 80-prozentige Mieterhöhungen für teils vollkommen unsanierte und winterkalte Räume hinzunehmen. Ein Mieter im Westwerk kommentiert den Eindruck mit den Worten: „Zahlen oder gehen. So kommt einem das hier vor.“ Mehrere Mieter wehren sich bereits, teils mit anwaltlicher Hilfe, doch eine echte Chance haben sie angesichts der kurzfristigen Mietverträge auch nach langen Mietverhältnissen eher nicht.

So meldete sich die ebenfalls betroffene Hackercommunity „Sublab“ am Mittwoch zu eben diesem Thema zu Wort: „Mitte Januar 2017 wurden unsere Räumlichkeiten im Westwerk durch den Vermieter gekündigt. Warum? Weshalb? Wieso? Das sind Fragen die auch wir nur schwer beantworten können. Zwei Wochen vor dem Ende des Jahres 2016 wurde uns vom Vermieter mitgeteilt, dass sich der monatlich zu entrichtende Betrag für Miete und Nebenkosten zum 1. Januar um 60% erhöht.“ Ein formaler Widerspruch gegen das Vorgehen wurde mit dem Rauswurf beantwortet. Das „Sublab“ zum bislang offenen Vorgang: „Daraufhin erreichte uns kein neues Angebot oder Vertrag, sondern direkt die fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Juli 2017.“

Der Vermieter schweigt und handelt weiter

Seit Montagmorgen dieser Woche liegt der Westwerk GmbH und dem Eigentümer eine Presseanfrage der L-IZ.de vor. Kurzen Rückmeldungen, dass man sich noch äußern würde, folgte Schweigen. Und neue Meldungen wie die von „Sublab“ und weitere Informationen anderer Mieter. So scheint sicher, dass sich auch der ansässige Bootsbauer nicht wird halten können. Zwar widerspricht man via LVZ (binnen eines Tages) eilig, versucht wie schon beim Westpol auf noch immer offene Türen zu verweisen, doch die grundlegende Frage, warum all dies gerade jetzt im Westwerk stattfindet, lässt man offen. So ähnelt der Vorgang im Ablauf nicht überraschend schon der Kündigung von „Westpol“: kündigen, beschwichtigen, Gespräche ankündigen, die Sache im Sande verlaufen lassen.

So entstehen Tag um Tag mehr Gerüchte, meist aus dem schlecht informierten Mieterumfeld. Einerseits ist von einer Steigerung der Grundsteuer die Rede, welche zum derzeitigen Mietwucher führen soll. Von angeblich 12.000 Euro im Jahr auf 20.000 soll eine neue Festlegung der Steuer für das Westwerk betragen. Ein Vorgang, welcher nur bei Neubewertungen von Immobilien stattfindet, demnach weniger für unsanierte, also geringwertigere Gebäudeteile gilt. Eine allgemeine Erhöhung der Grundsteuer seitens der Stadt Leipzig, welche diese vereinnahmt, hat es in letzter Zeit nicht gegeben – der letzte Sprung fand 2011 statt.

Und dennoch wurde das Ensemble, welches gerade die Mieter in den vergangenen Jahren mit eigenen Initiativen aufwerteten, offenbar in dieser Steuerart hochgestuft.

Doch selbst dies allein begründet jedoch die exorbitanten Mietsteigerungen und die kommentarlosen Kündigen auf dem weitläufigen Gelände nicht. Vielmehr scheint man derzeit zu versuchen, gerade den langfristig auf dem Gelände beheimateten Mietern die Gesamtlast der Erhöhung aufzubürden.

Eine weitere Begründung soll eine Dachsanierung sein. Das Dach müsse, wie auch die große Halle des Hauptgebäudes, instandgesetzt werden. Dennoch erfolgte an dieser Stelle offenkundig bis auf einen Termin noch keine Einbezugnahme der existierenden Mieter, man wählt den Alleingang und die Gerüchteküche arbeitet weiter. Den Rest versucht man abzumoderieren, die Presse, so auch die TAZ, welche auf den ersten Bericht der L-IZ hin in dieser Woche ebenfalls reagierte, wird hingehalten.

Das Prinzip “divide et impera”, teile und herrsche, funktioniert. Die Mieter reden größtenteils nur hinter vorgehaltener Hand, Zitate gibt es selten und fast jeder sucht individuelle Lösungen aus Angst vor dem Verlust des Standortes.

Der Konsum positioniert sich

Was man seitens der Westwerk GmbH offenbar zu verstecken sucht, ist der Grund für die Eile und das Vorgehen. Lange gab es Gerüchte um den Einzug eines Supermarktes im Gebäude und nur dieser könnte das Vorhaben eines Parkplatzes links der Haupthalle sowie die Sanierungsfreude begründen. Zwar liegt dem Spätverkaufswagen vor Ort noch keine Kündigung vor, doch hintenherum ist an dieser Stelle von einem Parkhaus die Rede.

Gegenüber L-IZ.de bestätigt nun die Konsumgenossenschaft Leipzig ihr Interesse an einem Einzug im Westwerk.

Pressesprecher Matthias Benz zum Stand der Dinge aus Sicht der Genossenschaft: „Es laufen derzeit Gespräche zu einer möglichen Filiale in den Räumlichkeiten des Westwerkes. Der Ausgang ist allerdings noch völlig offen.“ Es existierten also noch keine Baupläne, die Größe des Marktes sei noch nicht geklärt. (Lesen Sie hier das Kurzinterview zum Thema auf L-IZ.de)

Nachvollziehbar, dass für den Einzug eines Marktes ein Dach saniert werden kann und eine Halle instandgesetzt. Weniger nachvollziehbar ist wohl, dass dies den bisherigen Mietern mindestens teilweise aufgebürdet werden soll, ohne offensiv eine langfristige Zukunftsperspektive zu verhandeln. Wie sich der Einzug eines Großmarktes mit offenkundig geplanter Zufahrt über die Geländemitte auf die Umsätze des eher noblen Szenetipps „Kaiserbad“ in der alten Gießerei rechts des Hauptgebäudes und die Verkehrssituation im Viertel auswirken werden, ist offen.

Die Folgen

Wie sich die derzeitige Art der Kommunikation solcher grundlegenden Wandlungen derzeit darstellt, ist jedoch das eigentliche Problem. Es ist die Intransparenz im Westwerk, welche nun auch das eigentlich nachvollziehbare Vorhaben des Konsum Leipzig zum öffentlichen Zankapfel werden lassen könnte. Statt Einbezug in die Vorhaben und eventuell mögliche gemeinsame Lösungen werden lieber Kündigungen mit teils rechtswidrigen Begründungen an bisherige Mieter versandt.

Denn so wirkt es, wie es nicht wirken sollte. Wie eine klassische Gentrifizierung eines stadtteilprägenden Geländes und die unkommentierte Vertreibung derer, die hier in den letzten Jahren Anteil am Leben und Werden hatten. Was wiederum eine altehrwürdige Unternehmung wie den Konsum Leipzig mit in eine Auseinandersetzung hineinzieht, zu welcher sich bereits linksradikale Gruppen wie „Prisma Leipzig“ zu Wort melden. Widerstand in Plagwitz ist demnach vorprogrammiert.

Bald soll es weitere interne Gespräche im Westwerk mit den Mietern geben, heißt es aus Mieterkreisen. Am 5. Februar ist ab 17 Uhr eine Informationsveranstaltung von einer Gruppe aus Mietern, interessierten Anwohnern und Prisma noch ohne Ortsnennung in Vorbereitung. Eine Demonstration ist für den 11. Februar 2017 angekündigt.

Update d. Redaktion: Am heutigen Freitag, 27. Januar 2017 um 11:27 Uhr, hat der Vermieter mit einer Antwort auf unsere Fragen vom Montag dieser Woche reagiert. Diese kann man in Interviewform auf der L-IZ.de hier nachlesen.

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Es gibt 4 Kommentare

Du meinst also, sie fühlen sich im linken Spektrum verwurzelt und nicht, sie wollen eine starke gesellschaftliche Veränderung im Sinne “linker” Ideen.

Prisma soll linksradikal sein? Das halte ich für unzutreffend oder ist das wieder so ein Lokalkollorit, den man als Zugezogener nicht versteht.

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