Manchmal kribbelt es Leipziger Naturschützern einfach in den Fingern, wenn sie die Zeitung aufschlagen und Dinge lesen wie die Nachricht zur Versteigerung von Schlobachshof. Der liegt mitten im Überschwemmungsgebiet der Burgaue. Jede kommerzielle Nutzung verbietet sich hier eigentlich. Warum also kauft die Stadt das Areal nicht einfach selbst, fragte der Ökolöwe deshalb postwendend am 11. Februar.

Am selben Tag hatte die LVZ zur geplanten Versteigerung des Geländes am 12. Mai berichtet. 14 Hektar mitten in einem mehrfach geschützten Naturschutzgebiet, herrlichste Lage, wenn man reiten oder ausspannen will. Doch eines haben die Brüder Kurt, Walter und Georg Schlobach nicht bedacht, als sie 1913 dieses Stück gerodeten Auenwald kauften: Dass Überschwemmungen hier eigentlich mit Sicherheit zu erwarten sind.

Zwar baute die Stadt Leipzig damals gerade das ganze künstliche Gewässersystem (u.a. mit der Neuen Luppe), das künftig Überschwemmungen in der Stadt verhindern sollte – und gleichzeitig auch die Überschwemmungen im Auenwald unterband. Aber im Jahrhundert-Hochwasser-Fall wurde der Auenwald trotzdem jedes Mal geflutet. So war es 2011, als das Nahleauslasswerk nach 50 Jahren zum ersten Mal geöffnet wurde und die Burgaue zur Kappung des Hochwasserscheitels komplett geflutet wurde.

Etwas, womit die Familie Stanuschwewski, die das Grundstück 1993 erworben hatte, augenscheinlich nicht gerechnet hatte. Die Überschwemmung des Gutshofes, in dem Birgit Stanuschwewski eine Gaststätte betrieb, traf die Besitzer existenziell. Vielleicht hätten sie es noch einmal geschafft, wenn beim Juni-Hochwasser 2013 die Burgaue nicht schon wieder geflutet hätte werden müssen. Dabei scheinen auch Gebäude betroffen gewesen zu sein, die eigentlich so auf dem Grundstück nicht hätten stehen dürfen, so seien „Erweiterungen und Umnutzungen der Gebäude ‚nur zum Teil baurechtlich legal‘ gewesen“, zitiert die LVZ aus dem Exposé zur Versteigerung.

2011 und 2013 wurde ja in Leipzig auch heftig darüber diskutiert, warum Bauwerke wie Schlobachshof oder die Domholzschänke überhaupt mitten im Überflutungsgebiet stehen. Oft genug wird ihre Existenz auch als Begründung für die unflexible Hochwasserschutzpolitik in der Elsteraue angeführt. Den Leipziger Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal zitiert die LVZ freilich mit dem Hinweis zur Überschwemmungsgefahr, „die Risiken seien den Eigentümern stets bekannt gewesen.“

Da mutet die erhoffte Versteigerungssumme von 1 Million Euro doch recht hoch an. Denn genutzt werden darf der Hof nur landwirtschaftlich.

“Das ist eine große Chance für den Hochwasser- und den Naturschutz”, meldete sich umgehend Anja Werner vom Ökolöwen. “Die Stadt Leipzig sollte die Gelegenheit nutzen und die Liegenschaft samt 14 Hektar erwerben und zurück bauen. 14 Hektar Auwaldgebiet können so der natürlichen Entwicklung zurückgegeben werden.”

Was nur logisch ist: Solange der Hof da steht, verursacht jede größere Überflutung hier hohe finanzielle Schäden.

„Insofern ist es nur plausibel, der Stadt Leipzig den Kauf zu empfehlen“, meinte Anja Werner. „Zumal Leipzig auch die Möglichkeit prüfen kann, für die der Natur zuträgliche Maßnahme Fördergelder vom Land und Bund zu erhalten. Und die Stadt könnte anderen Regionen mit gutem Beispiel vorangehen: Das Nationale Hochwasserschutzprogramm der Bundesregierung fördert und fordert nämlich genau solche Projekte, die den Flüssen mehr Raum geben und Synergien für den Naturschutz auftun. Es wäre ein großer Gewinn für unseren Auwald und einen funktionierenden Hochwasserschutz.“

Und in ihrer Freude vergaß sie gleich mal, bei den anderen Naturschutzvereinen anzurufen. Denn fordern, dass die Stadt 1,1 Millionen Euro in die Hand nimmt, um einen Hof zu kaufen, der dann doch abgerissen werden soll, ist leicht – politisch aber wohl schwer durchzusetzen. Erst recht, da das Gebäudeensemble auch noch unter Denkmalschutz steht. (Was steht in Leipzig eigentlich nicht unter Denkmalschutz?)

Mit einigem Erstaunen merkt der Naturschutz und Kunst Leipziger Auenwald (NuKLA) e. V. nun an, dass man schon länger versucht, einen Weg zu finden, dem Naturschutz in diesem Teil der Burgaue wieder mehr Geltung zu verschaffen. Seit 2013 trage man sich mit der Idee, das ganze Gelände zu erwerben und „nach dem Erwerb und der Beräumung, die Fläche weitestgehend der Natur zurückzugeben bzw. für die Natur als Auenökosystem zu erhalten. Es soll nach unserem Wollen keine kommerzielle Nutzung mehr auf dem Gelände erfolgen, damit zugelassen werden kann, dass im Hochwasserfall die, für ein Auenökosystem lebenswichtigen, Überflutungen stattfinden können“, beschreibt der Verein das Anliegen, mit dem man auch schon beim Versteigerer vorstellig wurde.

Die Idee, was man mit dem historischen Gebäudebestand machen könnte: „Statt der kommerziellen Nutzung soll  eine Naturschutzstation als Bildungsstätte eingerichtet werden, an der die Menschen der Region mitten im Auwald, umgeben von den dort lebenden Tieren und Pflanzen sich über diesen, mitten in ihrer Stadt gelegenen, wertvollen Lebensraum informieren können und selbst dort Ruhe und Erholung finden.“

Auf den Flächen befinden sich jetzt schon mehrere geschützte Biotope. Und die Flurstücke gehören gleich zu drei Naturschutzkategorien: Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Leipziger Auwald“, Europäisches Vogelschutzgebiet „Leipziger Auwald“, Flora-Fauna-Habitat-Gebiet „Leipziger Auensystem”.

Außerdem tangiert das Gelände direkt das Projektgebiet „Lebendige Luppe“. Der Weg, hier die landwirtschaftliche Nutzung nach 100 Jahren zu beenden und dafür dem Naturschutz wieder Raum zu geben, liegt also auf der Hand. Für NuKLA und die mit ihm kooperierenden Initiativen aus Leipzig und Halle böte der Erwerb die große Chance, endlich das gewünschte „große Naturschutzprojekt ins Leben zu rufen, das die Flussauen der Weißen Elster zwischen Zeitz und Halle/Merseburg, also länderübergreifend, zusammenführen und revitalisieren soll. Das ist eine Generationenaufgabe, die jedoch einer Umsetzung der EU-Vorgaben (Wasserrahmen- und FFH-Richtlinien) entspricht“, betont der NuKLA-Vorsitzende Wolfgang Stoiber. „Leipzig würde mit seinem urbanen Auwald den Kern dieses Projektes bilden und könnte zum Sächsischen Vorzeigeprojekt werden für einen integrierten Hochwasserschutz, Naturschutz und ökologisch verantwortungsvollen, sanften Tourismus – eine derartige Empfehlung des LfULG in Dresden gibt es dazu bereits. Mit einer Renaturierung der Fläche von Schlobachshof wären wir für Leipzig diesem Ziel einen wichtigen und großen Schritt näher gekommen.“

Und vor allen Dingen würde an der Burgaue endlich auch ein Fortschritt zur Revitalisierung der Elsteraue sichtbar werden.

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