Die Eierei um die Zukunft des Naturkundemuseums geht weiter. Es war eine Petition an die Stadt, auf die das Kulturdezernat in der letzten Woche reagiert hat, die nun auch drei Stadträtinnen aus der SPD-, der Links- und der Grünenfraktion aufgeschreckt hat. Denn während das Kulturdezernat vollmundig erst mal Abschied von der Lortzingstraße nahm, liegen zur Halle 7 der Baumwollspinnerei noch immer keine Zahlen vor.

Und das, obwohl die Verwaltung im Kulturausschuss schon im März versprochen hatte, die notwendigen Zahlen baldmöglichst zu liefern. Von Juni war die Rede, dann von Juli. Dann waren alle mal kurz auf Mallorca. Aber auch im November liegen keine Zahlen vor, was eine Unterbringung der freien Theaterszene und des Naturkundemuseums in der alten Industriehalle in Neulindenau eigentlich kosten würde.

Wenn aber niemand weiß, was der Spaß wirklich kosten wird, kann man keine Fördergelder beantragen und auch keine Planungsbeschlüsse fassen.

“Inzwischen entstand eine gewisse Dringlichkeit, da seitens der Verwaltung stets vertreten wurde, dass zwingend noch im Jahr 2015 ein Beschluss des Stadtrates zu fassen ist, um die Fördermittelkulisse optimal zu nutzen”, kritisieren die drei Stadträtinnen Katharina Schenk (SPD), Skadi Jennicke (Linke) und Annette Körner (Grüne). Eigentlich ist das Jahr vorbei. Am 19. November tagt der Stadtrat das nächste Mal – eine entsprechende Ratsvorlage mit belastbaren Zahlen aber gibt es nicht. Ohne belastbare Zahlen kein Grundsatzbeschluss, ohne Grundsatzbeschluss kein städtebaulicher Vertrag zwischen der Stadt Leipzig und der Leipziger Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft mbH. Ohne unterschriebenen städtebaulichen Vertrag mit der Baumwollspinnerei können keine Fördermittel des Freistaates Sachsen sowie des Bundes beantragt werden.

Die drei Kulturexpertinnen wissen schon, was sie haben wollen.

Das allererste, was im Grundsatzbeschluss stehen muss, ist das Gesamtinvestitionsvolumen mit Deckungsquellen zur Herstellung der baulichen Hülle Halle 7. Und zwar für beide vorgesehenen Nutzungen. Denn es ist ja die Stadt selbst, die so einen Druck macht, dass die beiden freien Theater Leipziger Tanztheater e.V. und Lofft e.V. aus dem Theaterhaus am Lindenauer Markt ausziehen sollen und dem Theater der Jungen Welt Platz machen, das dringend Raum zum Wachsen sucht.

Die Halle 7 scheint groß genug zu sein, sowohl die neue Theaterspielstätte aufzunehmen, als auch das Naturkundemuseum, das die Stadt ebenfalls gern aus dem alten Haus an der Lortzingstraße rausbekommen möchte. Vor allem, weil eine museumsgerechte Sanierung der Verwaltung dort zu teuer scheint.

Aber für die Halle 7 liegen einfach keine Zahlen vor, nicht zur “baulichen Herrichtung der Räumlichkeiten Leipziger Tanztheater e.V. und Lofft e.V.” und auch nicht zur “baulichen Herrichtung der Räumlichkeiten für das Naturkundemuseum einschließlich Freiflächengestaltung sowie die Erstellung und Umsetzung einer attraktiven Museumskonzeption”.

Es gibt auch noch keine Zahlen zum “zukünftigen Betrieb des Naturkundemuseums, einschließlich Stellenplan und prognostizierten Betriebskosten”. Und ungeklärt ist auch noch “die zukünftige Förderung der beiden freien Träger LTT und Lofft”. Denn der Umzug aller drei Einrichtungen nach Neulindenau setzt ja voraus, dass ihr Betrieb dauerhaft gesichert ist.

Und dann ist da noch der kleine Hinkefuß, den das Kulturdezernat einfach weggewischt hat mit der Behauptung, die Baumwollspinnerei sei vom ÖPNV gut erschlossen, zur Not könnte man ja noch über eine Buslinie nachdenken.

Was dann die Freunde des Leipziger Nahverkehrs munter gemacht haben dürfte, denn neue Buslinien kosten nun einmal Geld. Und die LVB fragen ganz schnell danach, mit wie vielen Fahrgästen sie da eigentlich rechnen können. Einer Schulklasse am Tag? Drei Galeriebesuchern? Sieben Theatergästen?

Was sowieso die Frage einschließt: Wurde überhaupt einmal gründlich über eine ÖPNV-Verbindung zur Baumwollspinnerei nachgedacht? Wäre da noch ein größeres Gebiet sinnvoll zu erschließen oder gar ein neues Wohnquartier zu schaffen, so dass sich das lohnt?

Und wenn man alle diese Zahlen hat, dann kann auch ein Vertrag zwischen der Stadt Leipzig und der Leipziger Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft mbH zur Nutzung der Immobilie „Halle 7“ für den Zeitraum der 15 Jahren geschlossen werden. Wahlweise auch länger, wenn es die Stadt ernst meint. Wobei allein schon diese Frage einen Geldfaktor sichtbar macht, den selbst normale Mieter kennen: Denn wie viel Miete wird dann eigentlich fällig? Bis jetzt logiert das Naturkundemuseum ja in einer städtischen Immobilie. Da muss man an so etwas nicht denken. Aber auch in Neulindenau können sich großflächige Anmietungen schnell zu Millionenbeträgen summieren. Auch das ist nicht geklärt.

Und der Kulturausschuss hat zwar grünes Licht gegeben, die Unterbringung des Naturkundemuseums in Neulindenau zu prüfen. Das heißt aber noch nicht, dass der Vorschlag der Stadtverwaltung funktioniert und auch vom Stadtrat gebilligt wird. Folgerichtig braucht es auch eine kleine Lösung für die Baumwollspinnerei, die die drei Stadträtinnen mit den Worten beantragen: “Sollte keine Einigkeit zur Zukunft des Naturkundemuseums erzielt werden können, beschränkt sich der Grundsatzbeschluss sowie der Städtebauliche Vertrag aus Punkt  2. auf die Realisierung der Spielstätten für Lofft e.V., LTT e.V. und TdJW.”

Und dann gibt es noch eine Kopfwäsche für die Verwaltung, die öffentlich schon so breitbrüstig das Naturkundemuseum in die Baumwollspinnerei verfrachtet.

“Die zentralen Fragen sind laut Aussagen in den Ausschüssen noch weitestgehend ungeklärt. Es ist zu befürchten, dass sich das Vorhaben weiter verzögert. Um eine gewissenhafte Entscheidung zu treffen, ob und unter welchen Bedingungen es sinnvoll erscheint, das Vorhaben zu realisieren, benötigen alle Beteiligten belastbare Angaben. Die Projektpartner benötigen Planungs- und Finanzierungssicherheit. Die Standortsuche für LTT und LOFFT hat inzwischen eine mehr als sechsjährige Geschichte und drängt auf einen erfolgreichen Abschluss. Die Direktionsstelle des Naturkundemuseums ist seit dem 01.02.2014 nicht besetzt”, benennen sie die ganze Latte offener Fragen.

Ohne eine einzige belastbare Zahl kann niemand so ein Projekt entscheiden, egal, ob es Fördergelder gibt oder nicht.

Und als sehr weibliches Signal an die etwas langsame Verwaltung: “Die Antragstellerinnen signalisieren mit dem Antrag, dass sie an einer unverzüglichen Klärung aller Fragen größtes Interesse haben.”

Der Antrag in Gänze.

Das Statement der drei Stadträtinnen zu ihrem Antrag

Unsere Geduld wird sehr strapaziert – Entscheidung zur Halle 7 /Baumwollspinnerei zeitnah gefordert

Seit März diesen Jahres gibt es das Signal des Freistaates Sachsen, die Sanierung der baulichen Hülle der Halle 7 auf dem Gelände der Baumwollspinnerei mit Fördermitteln zu unterstützen. War zunächst nur angedacht, dort neue Spiel- und Probenstätten für das LOFFT und das Leipziger Tanztheater sowie Proberäume für das Theater der Jungen Welt zu errichten, unterbreiteten Bürgermeister Bonew und Bürgermeister Faber im April diesen Jahres dem Stadtrat den Vorschlag, zukünftig dort auch das Naturkundemuseum unterzubringen. Das Projekt musste umfassend neu geplant werden, was Zeit kostet und Mehrkosten verursacht.

Die Mitglieder des Fachausschusses Kultur sowie die Fraktionen haben der Verwaltung die notwendige Unterstützung gegeben, um dieses Projekt auf den Weg zu bringen und eine Berechnung aller (Folge-)kosten vorzulegen. Als Termin war Juli 2015 vereinbart.

Bis heute liegen dem Stadtrat zu diesem Projekt keine belastbaren Angaben vor. Die Nachfragen im Ausschuss haben stets ergeben, dass sehr wichtige Fragen bislang ungeklärt sind. Die Geduld der Stadträte wird damit deutlich strapaziert, zumal seitens der Verwaltung stets kommuniziert wurde, dass ein Beschluss noch in 2015 unerlässlich ist, um die Fördermittel des Freistaates in voller Höhe abrufen zu können.

So ist laut Angaben der Verwaltung nach wie vor ungeklärt, zu welchen Konditionen das Gebäude nach Ablauf der Förderperiode (15 Jahre) städtisch genutzt werden kann und ob es möglicherweise ins Eigentum der Stadt Leipzig übergeht. Ob es sinnvoll ist, das Naturkundemuseum abseits des Innenstadtrings anzusiedeln, hängt wesentlich davon ab, in welcher Höhe zukünftig Personal- und Sachkosten zur Verfügung stehen. Auch die ÖPNV-Anbindung müsste deutlich verbessert werden. Derweil ist die Direktionsstelle des Naturkundemuseums seit fast zwei Jahren nicht besetzt. Die Verwaltung hat angekündigt, noch in diesem Jahr eine Beschlussvorlage vorzulegen. Es ist eine Ankündigung von vielen. Wir wollen uns mit Fakten auseinandersetzen.

Annette Körner, Katharina Schenk und Skadi Jennicke haben nun einen Antrag vorgelegt, der den Druck auf die Bereitstellung einer Entscheidungsgrundlage deutlich erhöhen soll. Seit Jahren wird eine Lösung sowohl für das Naturkundemuseum als auch für LOFFT und Leipziger Tanztheater angekündigt, aber nicht finalisiert. Unterdessen steigt der öffentliche Druck stetig. Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine gesicherte Zukunft für das Naturkundemuseum. Wir haben uns geduldig gezeigt und der Verwaltung vertraut. Doch stets aufs Neue wurden wir vertröstet. Dabei sind wir Stadträte in der Klemme, denn ohne Verwaltungsvorschlag mit belastbaren Angaben zu Finanzierung und Zeitablauf gibt es nichts zu entscheiden. Der Antrag (DS 1029 „Initiativantrag Naturkundemuseum, DIE LINKE und Bündnis 90/ DIE GRÜNEN, Februar 2015), der die Sanierung des Bestandsgebäudes in der Lortzingstraße einschließlich Neubau forderte, war nicht mehrheitsfähig in der Ratsversammlung, denn aufgrund der Innenstadtlage sind hier kaum Fördermittel zu erwarten.

Wir fordern die Verwaltung auf, zeitnah eine belastbare Entscheidungsgrundlage vorzulegen. Dann beginnt die Diskussion ja erst und dafür braucht der Stadtrat dann eine angemessene Frist, was offenbar gern vergessen wird.

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