So eine sachte Hoffnung blüht, dass irgendwann mal so etwas wie Vernunft und Verlässlichkeit einzieht in die Leipziger Gewässerpolitik. Zumindest hofft das Wolfgang E. A. Stoiber, Vorsitzender des Naturschutz und Kunst Leipziger Auwald e.V. (NuKla). Sein Verein war es gewesen, der im Winter Beschwerde eingelegt hatte gegen die rabiaten Mäharbeiten im Floßgraben.
Im März machten die Grünen die Entkrautung zum Thema im Stadtrat – und bekamen eine windelweiche Antwort vom verantwortlichen Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. Die Maßnahme zur Entkrautung sei nicht genehmigungspflichtig und würde alle zwei Jahre durchgeführt.
Nur diesmal sei irgendetwas schiefgegangen. Heiko Rosenthal: “Erlaubt hatte die Untere Naturschutzbehörde die Mahd mit einem Mähbalken mit einem Mähstreifen von 4 Metern Breite. Eine Schleppsense war nicht erlaubt, es ist ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren eingeleitet.“
Nur eine Ausrede? Die Sense sei eigenmächtig eingesetzt worden, so Rosenthal.
Aber die Grünen hatten noch ein paar andere Fragen gestellt, die das ganze Unterfangen hinterfragten:
“Ist es der Unteren Wasserbehörde Leipzig bewusst, dass diese Gewässerunterhaltungsmaßnahmen direkt den Erhaltungszustand der lokalen Populationen der Natura 2000 Schutzgebietsziele von Grüner Keiljungfer, Eisvogel, Bitterling (Nachweis 2012) und FFH-Lebensraumtyp Unterwasservegetation in Fließgewässern (LRT 3260) sowie die Zielerreichung der EG-WRRL damit negativ beeinträchtigen? Warum kommt die Untere Wasserbehörde Ihrer Pflicht nicht nach, diese den Zielen der EG-WRRL widersprechenden Gewässerunterhaltungsmaßnahmen gemäß § 42 WHG Abs.1 Satz 2 zu untersagen?”
Und augenscheinlich sieht es die Landesdirektion Leipzig genauso. Sie hat der Beschwerde des NuKla e.V. stattgegeben. Darüber berichtet die LVZ in ihrer Ausgabe vom 8. August. Und zitiert aus der Stellungnahme der Landesdirektion: “Die Entkrautungsmaßnahmen ‘waren für die Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses, die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen und die Erhaltung des Gemeingebrauchs nach unserer Einschätzung nicht erforderlich’.”
Sie sieht es stattdessen genauso wie die Grünen und die Umweltverbände, die den Gewässereingriff allesamt kritisiert hatten: Damit wurde der ökologische Zustand des Gewässers beeinträchtigt. Und das ist im Naturschutzgebiet südlicher Auwald naturschutzrechtlich nicht akzeptabel. In einer frisch formulierten Anfrage an die Stadtverwaltung zitiert auch die Grünen-Fraktion aus der Stellungnahme der Landesdirektion: “Die von der Stadt durchgeführten Entkrautungsmaßnahmen führten zu einer Belastung, die die Erhaltung des Ist-Zustands gefährdete (Verschlechterungsverbot) und nicht auf die Erreichung des guten ökologischen Zustandes bis spätestens 2027 (Verbesserungsgebot) ausgerichtet war.“
Aus Grünen-Sicht hat sich Leipzigs Verwaltung ihre Rechtsauffassung zum Floßgraben selbst zurechtgezimmert.
“Es ist nicht das erste Mal, dass die Stadt Leipzig beim Floßgraben auf die Einhaltung rechtlicher Regeln hingewiesen wird. Die Stadt steht mit ihren Rechtsauffassungen zum Kurs 1 des WTNK und zur Nutzbarmachung des Floßgrabens für den Gewässertourismus ziemlich alleine da. Eine sinnvolle gewässertouristische Nutzung des Floßgrabens zur Erschließung des Neuseenlandes ist damit quasi ausgeschlossen”, heißt es in der Anfrage.
Für die Grünen steht damit das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) zur Disposition. Dessen zentrale Gewässerverbindung ist der Kurs 1, der über die Connewitzer Schleuse durch den Floßgraben zum Cospudener See führt. Im WTNK wurde die Belastbarkeit dieses Kurses sogar für einige hundert Motorboote behauptet. Nur: Wurde das WTNK jemals auf seine naturschutzrechtlichen Grundlagen geprüft?
Wurde es nicht, auch das ist mittlerweile durch mehrere Grünen-Anfragen belegt. Das Ergebnis ist ein jährlicher Eiertanz in gesetzlichen Grauzonen. Den es so möglicherweise nicht mehr lange gibt. Denn die Entkrautung im Floßgraben hat nur einen Zweck: Die Passierbarkeit für Motorboote zu gewährleisten. Aktuell darf nur die Firma RANAboot mit einer Ausnahmegenehmigung den Floßgraben durchfahren – auch wenn es Dutzende andere Motorbootbesitzer ohne Genehmigung ebenfalls tun.
Die Stellungnahme der Landesdirektion war deutlich: Es hilft keine Trickserei, der Floßgraben ist für eine Motorbootverbindung ins Neuseenland schlichtweg nicht geeignet. Und das lässt sich auch nicht mit Maßnahmen am Rand der Legalität erzwingen. Die LVZ formulierte auch recht drastisch: “Grüne werfen Bürgermeister Falschaussage vor”.
Und gerade beim WTNK biegt sich Leipzigs Verwaltung die Wahrheit augenscheinlich hin, wie es gerade passt.
Das wird in der Grünen-Anfrage in Sachen WTNK sehr deutlich: “In Beantwortung unserer Anfrage vom 27. März 2015 stellt die Stadt Leipzig fest: ‘Bezüglich der Durchführung einer SUP (strategische Umweltplanung) ist zudem auf den geltenden Regionalplan Westsachsen 2008 hinzuweisen, in dem das WTNK mit seinen Kursen als behördenverbindliche Vorgabe zur Entwicklung des Raumes verankert ist.’ In Beantwortung unserer Anfrage vom 20. Mai 2015 führt die Stadt Leipzig aus: ‘Das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) ist eine behördenverbindliche Planung, deren Umsetzung im Regionalplan 2008 unter dem Ziel 8.3.4 festgeschrieben ist.”
Da musste der Eindruck entstehen, das WTNK sei eine behördenverbindliche Planungsgrundlage. Und den Leipzigern wird das Papier ja auch immer wieder so verkauft.
Aber das scheinen die Landesbehörden gar nicht so zu sehen, stellen die Grünen fest: “Demgegenüber formuliert das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaats Sachsen in der Anfrage 6/1105 vom 31.03.2015: ‘Beim Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK) handelt es sich um eine Absichtserklärung der regionalen Akteure ohne rechtliche Bindungswirkung.'”
Ergebnis: Die Akteure im Gewässerverbund haben sich gemeinsam und mit aller Macht in eine Sackgasse manövriert. Und Grund dafür ist der seit Jahren hochgejubelte Wassertourismus mit Motorbooten. Ohne den macht das viel gelobte WTNK keinen Sinn. “Es ist nicht das erste Mal, dass die Stadt Leipzig beim Floßgraben auf die Einhaltung rechtlicher Regeln hingewiesen wird. Die Stadt steht mit ihren Rechtsauffassungen zum Kurs 1 des WTNK und zur Nutzbarmachung des Floßgrabens für den Gewässertourismus ziemlich alleine da. Eine sinnvolle gewässertouristische Nutzung des Floßgrabens zur Erschließung des Neuseenlandes ist damit quasi ausgeschlossen”, stellen die Grünen fest.
Was natürlich nicht nur für die LVZ die Frage mit sich bringt: Ja, wie stehen die Grünen dann zu der Alternative, einen neuen Kanal für Motorboote ins Neuseenland zu bauen?
“Das kann nicht unsere Aufgabe sein, das vorzuschlagen”, sagt Norman Volger, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat. Wenn die Stadtverwaltung Wassertourismus im Neuseenland haben will, dann sei es ihre Aufgabe, auch entsprechende Vorschläge zu machen. “Erst wenn es solche konkreten Vorschläge gibt, können wir uns als Stadtratsfraktion auch eine Meinung dazu bilden, vorher nicht”, sagt Volger. Er bezweifelt aber, dass ein solcher neuer Kanal überhaupt machbar und finanzierbar ist.
Und so fragen die Grünen erst mal nach, ob die Stadt überhaupt Alternativen in petto hat: “Gibt es seitens der Stadt Leipzig Überlegungen, im Sinne einer auch wirtschaftlich sinnvollen, gewässertouristischen Entwicklung, Veränderungen am WTNK vorzunehmen und über anderweitige wasserseitige Erschließungen des Cospudener Sees von Leipzig aus nachzudenken? – Wenn nein, warum beharrt die Stadt Leipzig trotz der bekannten naturschutzrechtlichen Einschränkungen auf dem Floßgraben, als einzige wasserseitige Erschließung des Cospudener Sees?”
Womit man wieder ganz am Anfang wäre: Für muskelkraftbetriebene Boote ist der Gewässerverbund ideal, für motorbootgetriebenen Wassertourismus ist er schlicht nicht geeignet.
Die Akteure im Gewässerverbund wären gut beraten, das WTNK endlich zu begraben und durch ein realistischeres Gewässerkonzept zu ersetzen.
Keine Kommentare bisher
Vielleicht erbarmt sich mal Jemand, vielleicht auch jemand von den Grünen, sich das Wirtschaftlichkeitsgutachten der DMC zum WTNK durchzulesen.
Eines der GA, die nicht online stehen, weil es das WTNK in seiner Gesamtheit in Frage stellt.
In diesem GA wird nicht nur auf den sogenannten internen und externen Gewässerverbund abgestellt. Es werden auch die jämmerlichen wirtschaftlichen Ergebnisse beleuchtet. Auch, wenn diese erst bei ganzjährigem Betrieb einer Wassernutzung und unter Außerachtlassung naturschutzrechtlicher Regelungen zu erwarten sind.
So, wie auch auf die nicht bezifferbaren Kosten der Herstellung des Gewässerverbundes verwiesen wird. Die am Ende sowieso niemanden interessieren, da es ja “nur” Steuermittel sind, die dort “verballert” werden.
Insgesamt auf fehlende wasserwirtschaftliche Grundlagen (kein Güter- und/oder Personentransport) verwiesen wird. Genauso, wie auf die Tatsache, daß es auch für den internen Gewässerverbund keine dauerhafte wirtschaftliche Lösung ohne “Kreis”verkehre geben wird. Hierfür werden Querverbindungen zwischen Ost und West benötigt.
Was nicht benötigt wird, ist ein weiterer “Strahl” nach Süden.
Das Einzige, was die Grünen derzeit mit der Diskussion um einen weiteren Kanal nach Süden forcieren, ist der Bau der sogenannten Wasserschlange und damit eine weitere “Aufwertung” des Auwaldes!