Pro Bahn fordert den Stadtrat Leipzigs ausdrücklich auf, der bestehenden Verwaltungsvorlage zum Umbau der Georg‐Schumann‐Straße zwischen S‐Bf. Möckern und Huygensplatz zuzustimmen. Die vorgetragene Änderungsforderung von acht Stadträten wäre hingegen die deutlich schlechtere Lösung.
Kernstück des kurzen Ausbauabschnitts ist die Einrichtung einer barrierefreien Haltestelle für die Linien 10, 11 und 90 in diesem von Fahrgästen hoch frequentierten Quartier. Vorgesehen ist dies über die Bauform als Radfahr‐Kap zu lösen, das heißt, dass die Gleise leicht zum Rand hin verschwenkt werden, der notwendige 22 cm hohe Bord folgt und danach der Radweg angehoben auf diese Höhe über den Ein‐ Aussteigebereich hinweg geführt wird. Gehweg und Wartebereich folgen auf den restlichen Flächen bis zu den Gebäuden.
Analoge Haltestellen gibt es in Leipzig mehrfach, beispielhaft sollen die Hildebrandstraße und Klemmstraße genannt sein. Die Stationen Wiebelstraße und Rödelstraße liegen sogar in stärker vom Individualverkehr genutzten Straßen.
Diese Lösungen haben sich bewährt. Dem Hauptanliegen, der verpflichtenden Barrierefreiheit, wird Rechnung getragen. Der Autoverkehr wird günstig geradlinig geführt, ebenso der Radverkehr und insgesamt entstehen durch diese Systematik keine Verlustflächen im knappen Straßenraum.
Der Gegenvorschlag lehnt diese Version rundweg ab und begründet dies mit den Paradigmen des kürzlich beschlossenen STEP Verkehr und Öffentlicher Raum (VÖR). Die These lautet, dass der MIV über das vertretbare Maß hinaus behindert werden würde. Das widerspräche dem STEP. Gefordert wird stattdessen eine Haltestelleninsel und der Verzicht auf Stellflächen am Straßenrand.
Im Vergleich zur geplanten Lösung ist es kühn, mit dem STEP dagegen zu argumentieren. Eine Haltestelleninsel an dieser Stelle brächte so viele Nachteile, dass die Intentionen des STEP insgesamt deutlich mehr ignoriert würden. Eine Insel verursacht insgesamt 1,10 m Verlustbreite im raren Straßenquerschnitt von 20,5 m (Geländerbreite und Sicherheitsabstand zur Fahrbahn), zwingt zu deutlich stärkeren Verschwenkungen der Fahrbahn (Beispiel Riebeckstraße), zwingt die Fahrgäste zu deutlich mehr Gedränge beim Ein‐ und Aussteigen, da die Insel eine schmale Barriere darstellt.
Selbst die 3,10 m breiten Inseln ergeben nutzbar nur die Minimalbreite von 2,50 m, regelmäßig eingeschränkt durch Möblierung und Beleuchtungsmaste. Auch der Zeitverlust der Fahrgäste bis zum Erreichen der Insel oder des Gehwegs ist so groß (Warten an Fußgängerampel), dass alle kostenintensiven baulichen Beschleunigungen der Bahn selbst ad absurdum geführt werden.
Für die anliegenden Geschäfte ist es ebenso nachteilig, denn die Laufkundschaft der wartenden Fahrgäste wäre fern der Schaufenster auf der Insel. Die Querschnitte ergeben nur selten ein Maß, dass neben der KfZ‐Spur noch eine Radspur Platz hat. Auf Länge der Insel entstünde demnach ein Bereich in dem sich Radverkehr automatisch gehetzt fühlt. (Negativbeispiel: Riebeckstraße). Auch bleibt die Gehbahn schmal und durch den Platzbedarf der Haltestelleninsel selbst gibt es keine Möglichkeiten, zum Beispiel eine Allee durchgängig zu bepflanzen (Beispiel: Credéstraße).
Eine „Behinderung“ des Autoverkehrs entfällt auch nicht. Im Gegenteil, sie ist sogar größer. Denn wenn Fahrgäste eine Insel erreichen müssen, ist aufgrund der Menge an Fahrgästen ständig mit Nutzung der Fußgängerampel zu rechnen, obwohl im Grunde genommen kein Querungsbedarf über die Fahrbahn besteht. Bei einem Kap entfällt dieser Grund. Die Ampel wird nur für „echtes“ Überqueren der Fahrbahnen benötigt. Der notwendige kurze Stopp hinter einer Straßenbahn oder einem Bus während des Fahrgastwechsels ist seltener als das ständige Rotlicht bei Nutzung der Fußgängerampel zum Inselerreichen.
Aus Sicht der Fahrgäste ist eine Kaplösung stets die bessere, aus stadträumlicher Sicht ebenso durch das Beibehalten einer stetigen logischen Abfolge der jeweiligen Elemente. Auch für die chronisch unterfinanzierten Verkehrsbetriebe ist eine Kaphaltestelle günstiger. Kosten für Geländer entfallen, teilweise auch für gesonderte Haltestellenbeleuchtung, womit sich diese und weitere laufenden Wartungs‐ und Reinigungskosten deutlich reduzieren. Da es an dieser Stelle in der Verkehrssystematik ideal möglich ist, auf den Gehwegen zu warten, wäre es grober Unfug, alle diese Vorteile aufzugeben, weil 20 bis 30 Sekunden Abwarten für den MIV zu viel sein sollen.
Für diesen Bauabschnitt wurden bereits so viele Kompromisse und Zugeständnisse aus Fahrgastsicht gemacht, dass eine weitere Verschlechterung keineswegs in Kauf genommen werden darf. Allein die Umsteigesituation zur S‐Bahn ist bei weitem nicht ideal, im Gesamtblick kann das gerade noch toleriert werden. Trotz anderslautender Ankündigungen fehlen immer noch die mittlere Querung der Bahngleise und Bahnsteigzugänge, das hält das Umsteigen gerade für diese wichtige Relation immer noch unangenehm.
Mit Ausbau der sechsstreifigen A14 und der vierstreifigen neuen B6 werden alle großräumigen Fahrbeziehungen leistungsgerecht abgedeckt. Die Georg‐Schumann‐Straße muss diese Funktion nicht mehr erfüllen, sondern beschränkt sich auf den Sammelverkehr der angrenzenden Wohnquartiere. Diese Art Hauptstraßenfunktion ordnet sich ohne Verschlechterung zum heutigen Zustand in die Planung ein. Dort die Rolle rückwärts zu vollführen, würde die enormen städtischen Investitionen in die neue B6 umsonst getätigt aussehen lassen. Auch die Versuche zur Stärkung als Geschäftsstraße bekämen einen unnötigen Rückschlag.
Einen Transformationsprozess von ehemals überfüllten lauten und damit auch öden Einfallstraßen haben andere Straßen in Leipzig bereits hinter sich. Die August‐Bebel‐Straße vor 20 Jahren, auch die Karl‐Liebknecht‐Straße vor über 20 Jahren, waren alles andere als attraktive funktionierende Achsen. Teilweise herrschte Tempo 60, es gab absolutes Halteverbot und Fahrradfahren war nur für einzelne Lebensmüde. Heute nutzen (ohne Baustellen!) zwischen 10 und 15.000 Radfahrer die Liebknechtstraße täglich, seit der Radmarkierung auf der Bebelstraße werden es auch dort immer mehr. Die ersten Jahre als Markierung zeigen auch in der Schumannstraße, dass immer mehr das Fahrrad genutzt wird. Auch diese Verkehrsart hilft, die Straßen freier zu bekommen ‐ für diejenigen, die wirtschaftlich oder sonstig bedingt mit dem KfZ unterwegs sein müssen.
An Geschäftsstraßen gibt es für PKW‐Nutzer immer Gründe, anzuhalten und zu parken. Auf langen Abschnitten das Parken zu unterbinden wird nachvollziehbar kaum akzeptiert. So sinnvoll es angesichts der Tiefgarage in der Axis‐Passage scheint, das Parken am Straßenrand zu verbieten, so alltagsfremd ist diese Einschränkung. Dass in Zufahrten, Überwegen und Haltestellen nicht geparkt werden kann, sorgt bereits für eine ausreichende Verknappung an Stellflächen. Nun wegen einer Haltestelleninsel und der umgebenden Fahrbahnführung gar nicht mehr stoppen zu können, ist vermeidbare Gängelei.
Deutlich wird, dass aus Fahrgastsicht die städtische Planung sinnvoll ist. Und dass es logischer ist, ideologiefrei die Vor‐ und Nachteile aufzuzeigen, als eine schwammige Formulierung des STEP als einziges Maß der Dinge hoch zu halten. Als Fahrgastverband Pro Bahn sind wir uns sicher, dass die Mehrheit des Stadtrats erkennt, dass die Ziele des STEP mit der Kaplösung an dieser Stelle einfacher erreicht werden als mit Inseln. Gleichzeitig wünschen wir uns, dass diese grundsätzlichen Überlegungen auch an anderen neuralgischen Punkten in Leipzig nicht fehlen.
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