Liegenlassen, meint die Stadt. Zu wertvoll sei der Matthäikirchhof, um jetzt einfach eine Schule oder einen Kindergarten drauf zu bauen. Die Grünen und die Linken im Stadtrat hatten dergleichen beantragt. Nix da, war die Antwort der Verwaltung. Immerhin ist das das letzte größere Grundstück in der Innenstadt, das der Stadt selbst noch gehört.

Außerdem steht der große Klotz der ehemaligen Stasi-Zentrale drauf, den die Stadt noch für einen Teil ihrer Verwaltung nutzt. Ein Ausweich oder Umzug ist in den nächsten Jahren nicht geplant.

Trotzdem bleiben die Grünen hartnäckig. Sie haben jetzt einen neuen Antrag geschrieben: “Städtebauliche Entwicklung für das Areal Große Fleischergasse einleiten”. Denn man hört wohl, dass die Stadt so insgeheim große Wünsche hat, was sie mit dem Plätzchen mal anfangen könnte. Später. Aber aktuell sieht die Ecke trotzdem wie eine Rumpelbude aus. Wer hier mal eine positive städtische Entwicklung haben möchte, der muss jetzt die Weichen stellen. Findet zumindest die Grünen-Fraktion.

Und beantragt kurzerhand: “Die Stadtverwaltung wird beauftragt, für das städtische Areal zwischen Großer Fleischgasse, Dittrichring und Matthäikirchhof die städtebauliche Entwicklung einzuleiten. Es ist ein Entwicklungs- und Nutzungskonzept unter Einbeziehung relevanter städtischer Akteure sowie der Bürgerinnen und Bürger zu erstellen. Ein Bürgerbeteiligungsverfahren ist durchzuführen. Dem Stadtrat ist bis zum Ende des III. Quartals 2014 ein entsprechender und geeigneter Verfahrensvorschlag zur Entscheidung vorzulegen. Das vom Stadtrat zu beschließende Entwicklungs- und Nutzungskonzept ist Grundlage für die Aufstellung eines Bebauungsplanes.”

Man ist ja mittlerweile ein bisschen gewitzt. Denn wenn die Stadt erst mal ihren Wunschpartner hat, der ein paar Scheinchen abdrücken möchte für diese ideale Lage auf ältestem Grund der Stadt, dann bekommt der Stadtrat meist einen fertigen B-Plan auf den Tisch, den er dann abnicken kann – oder er muss mächtig gegenhalten.

Leichter ist, wenn die Bürger schon vorher mitreden dürfen. Finden die Grünen, die auch der Meinung sind, dass die Leipziger im Kern ihrer alten Stadt eigentlich auch noch ein Wörtchen zu sagen haben sollten, nachdem sie schon am Brühl und anderen hübschen Punkten einfach ausgebootet worden waren.

“Die Innenstadt hat in den letzten Jahren eine Dynamik und großen Zuwachs an Lebensqualität erfahren. Der Richard-Wagner-Platz wurde neu gestaltet. Die Höfe am Brühl wurden gebaut. Und die Grundsteinlegung für die Hainspitze soll am 16. Mai 2014 erfolgen. Bereits seit 2010 hat der Promenadenring die von Max Klinger gestaltete Treppe wiedererhalten. Doch den Durchgang zur Innenstadt, der mit dem zu Beginn der 1980er Jahre erfolgten Bau der Bezirksdirektion Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, verloren ging, gibt es noch nicht”, beschreiben sie den Stillstand am alten Standort von urbe libzi. “Das geschichtsträchtige Areal zwischen Großer Fleischergasse, Dittrichring und Matthäikirchhof, das sich im Eigentum der Stadt Leipzig befindet, ist als sogenannte ‘Potenzialfläche’ zu bewerten.”

Das Wort hatte auch die Verwaltung schon benutzt, um die emsigen Begehren nach einem Schul- oder Kita-Bau an dieser Stelle erstmal auszubremsen. Aber für wen eigentlich, fragten sich die Grünen.

“Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Stadt Leipzig diese Fläche im Eigentum behalten und/oder bei Investoreninteresse (vielleicht auch nur teilweise) verkaufen solle. Des Weiteren gilt es sich über eine grundsätzliche Nutzung und Entwicklung zu verständigen”, findet die Fraktion. “Die Erstellung eines Entwicklungs- und Nutzungskonzeptes mit Bürgerbeteiligung zielt deshalb unter Berücksichtigung von Punkt 3. des Antrages darauf ab, frühzeitig und noch wirksam auf Planungs- und evtl. Verkaufsabsichten der Stadtverwaltung Einfluss zu nehmen. Unter anderem nachfolgend aufgezeigte konkrete Varianten bzw. Ideen, die es möglicherweise auch zu kombinieren gilt, sind bei der Erstellung eines Entwicklungs- und Nutzungskonzeptes mit Bürgerbeteiligung zu diskutieren.”

Und sie haben schon so ein paar Vorstellungen von dem, was hier erhalten werden sollte. Die Vielfalt der Nutzungen zum Beispiel: “Im Grundsatz soll die bisherige zulässige innerstädtische Nutzungsmischung (Handel, Büro und Wohnen) aufgegriffen werden. Der Wohnnutzung soll aber eine deutliche Priorisierung eingeräumt werden. Dementsprechend soll eine Wohnnutzung auch unterhalb des 4. Obergeschosses ermöglicht werden.” Und: “Der Schaffung von neuem, auch preisgünstigen Wohnraum soll angemessen Rechnung getragen werden.”

Immerhin ein Thema, das gerade auf der politischen  Agenda steht. Soll die Innenstadt nur für Gutbetuchte bezahlbar sein oder dürfen auch Leute mit kleinem Geldbeutel hier ein bezahlbares Fleckchen finden?

Auch das die Leipziger Innenstadt prägende Passagensystem soll fortgeführt werden, finden die Grünen. “Ein Gehrecht soll für die Allgemeinheit und rund um die Uhr eingeräumt werden.” Womit sie eigentlich den Erhalt des Matthäikirchhofs fordern.

“Die Höchstzahl zulässiger Stellplätze soll auf ein Minimum beschränkt werden. Oberirdische Parkgaragen sollen ausgeschlossen werden. Ebenso oberirdische Parkplätze mit Ausnahme von Kfz-Stellplätzen für Menschen mit Behinderung. Das Konzept ‘autoarme Innenstadt’ ist entsprechend fortzuführen”, schreiben die Grünen. Zu einem autofreien Matthäikirchhof haben sie sich irgendwie nicht durchringen können. Aber zumindest soll hier kein blockfüllender Klotz entstehen wie am Brühl oder an der Hainspitze. “Gestalterische Vorgaben für Gebäude und Werbeanlagen sollen formuliert werden. Einer kleinteiligen Gebäudestruktur soll gegenüber einer Blockbebauung grundsätzlich der Vorzug gegeben werden.”

Aber auch Erinnerung soll möglich sein. Zum Beispiel an die hier beseitigte Matthäikirche: “Eine grünplanerische Gestaltung um das Denkmal ‘Mathäikriche’ soll verwirklicht werden. Sitzgelegenheiten sollen neu geschaffen werden, damit ein öffentlicher Aufenthaltsbereich mit Identifikationsfunktion entsteht. Das Stelenprojekt ‘Orte der Friedlichen Revolution’ oder eine andere Form der würdigen Erinnerung an die Friedliche Revolution von 1989 soll an diesem geschichtsträchtigen Ort etabliert werden.”

Und dann, damit die Verwaltung die alten Wünsche nicht gleich wegpackt: “Am Standort soll eine Kindertagesstätte, vielleicht auch ein Schulneubau errichtet werden, wenn die Voraussetzungen und Bedarfe dafür vorliegen.”

Und um das zu erreichen, müssen die Leipziger jetzt nur fleißig Kinder kriegen. Das erhöht den Druck, erfreut den Sozialbürgermeister und könnte der Baubürgermeisterin am Mätthäikirchhof Freude machen.

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