4 Millionen Euro teuer war das Prachtstück Connewitzer Schleuse, mit dem sich Bootsfahrer seit dem "Tag Blau" 2011 hoch und runter hieven lassen können. Gebaut im Rahmen des so genannten "Wassertouristischen Nutzungskonzeptes" (WTNK), das 2005 bis 2007 entwickelt, aber nie von demokratisch legitimierten Gremien verabschiedet wurde. Das ist einer der Gründe dafür, warum Leipzigs Umweltverbände immer wieder den Rechtsweg beschreiten, um dem Umweltrecht Geltung zu verschaffen.

Sie beharren konsequent darauf, dass im europäischen Vogelschutzgebiet “Leipziger Auwald” Schutzauflagen für Flora und Fauna eingehalten werden. Damit gehen sie regelmäßig an die Öffentlichkeit. Aus gutem Grund – denn oft, wenn wichtige Entscheidungen in den Schutzgebieten fallen, werden sie außen vor gelassen. Auch die wesentlichen Entscheidungen zum Gewässerverbund fielen ohne echte Beteiligung der Umweltschützer. Man bastelte das Konzept vor allem im Rahmen des Kommunalen Südraumes Leipzig, in dem zwar die Kommunalverwaltungen der Region an einem Tisch sitzen. Aber die Entscheidungen erstrecken sich auch auf Leipziger Gebiet. Das wurde besonders deutlich, als die verschiedenen Wasserkurse im WTNK festgelegt wurden. Alle wichtigen Kurse – angefangen mit Kurs 1 – beginnen im Leipziger Stadtgebiet und führen durch sensible Gewässerabschnitte ins Neuseenland. Der Kurs 1 führt vom Leipziger Stadthafen über die Schleuse Connewitz und den Floßgraben zum Cospudener See. Dass er naturschutzrechtlich problematisch ist, wusste man auch, bevor man der LMBV den Auftrag gab, die Schleuse Connewitz zu bauen. Die ist im Prinzip für muskelbetriebene Boote nicht erforderlich. Für die hätte es eine einfache und preiswertere Umtragemöglichkeit auch getan.

Aber von Anfang an war es Sinn des WTNK, auf allen Kursen Motorboote fahren zu lassen. Und auch der Druck, fürs Neuseenland und den Leipziger Gewässerknoten die Schiffbarkeit erklären zu lassen, kam aus dem Zweckverband Kommunales Forum Südraum Leipzig. Noch 2010 schrieb der Zweckverband extra einen Brief an die Landesdirektion Leipzig, um Druck zu machen, auch den Floßgraben und den Gewässerknoten Leipzig für schiffbar erklären zu lassen – wenn auch mit Auflagen.

2013 gab es dann das klare Nein der Landesdirektion, dem Floßgraben die Schiffbarkeit zu geben. Zu stark sind die Argumente der Umweltverbände, die sich hier auf europäisches Naturschutzrecht berufen können. Auf Grundlage dieses Rechtes haben sie jetzt auch ihre Klagen eingereicht gegen die Ausnahmegenehmigungen für das LeipzigBoot, das heutige RanaBoot der Kehr GmbH.

Verständlich, das auch Reiner Kehr sich auf einen ordentlichen Gerichtsbeschluss freut, denn was jetzt im Dunstkreis des WTNK herrscht, ist viel Nebel und eine Menge gewollter Uneindeutigkeit. Vieles ist nicht zu Ende gedacht. Auch wenn die Gewässerkurse logischerweise gut angenommen werden. Auch weil es jahrzehntelang nichts Derartiges in und um Leipzig gab.In den letzten Jahren hat der Nutzungsdruck auf den Gewässern deutlich zugenommen. Eine ausreichende Kontrolldichte für den Schutz der besonders sensiblen Gebiete des Auwaldes, wie etwa das SPA-Gebiet Floßgraben, findet freilich nicht statt, stellt nun Jürgen Kasek, Vorsitzender der Leipziger Grünen, fest. “Zahlreiche Beschwerden auch der Umweltverbände werden weder aufgenommen noch bearbeitet. Bereits jetzt gibt es in Spitzenzeiten bis zu 300 Bootsbewegungen täglich an der Schleuse Connewitz, die bei dieser Auslastung nicht ausreichend gesichert sind. Die ursprüngliche im Wassertouristischen Nutzungskonzept festgelegte Höchstzahl der Nutzungsdichte ist inzwischen deutlich überschritten. Hinzu kommen fehlerhafte und viel zu niedrig angesetzte Unterhaltskosten für die Gewässer – auf Grund der hohen Nutzungsdichte sind diese deutlich gestiegen. Die eingereichte Klage der Umweltverbände belegt diesen Umstand deutlich.”

In der Prognose des WTNK war man von bis zu 300 Bootsbewegungen im Floßgraben ausgegangen. Aber schon im ersten Jahr 2011 waren es deutlich mehr. Sie haben sich mit der Eröffnung der Schleuse Connewitz praktisch verdreifacht.

Und dabei wird auch die Schleuse Connewitz zum Sicherheitsproblem, befürchtet Kasek: “Die Schleuse Connewitz entspricht nicht den Standards im Bereich Sicherheit. Vom Gewässer aus, mit der Einfahrt eines Bootes, sind Rettungswege nicht einsehbar, die anwesenden Mitarbeiter des Bürgerdienstes Leipzig sind keineswegs für Rettungsmaßnahmen ausgebildet. Zudem wird auch hier gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Überwachung mit einer nicht gekennzeichneten Kamera verstoßen – davon kann man sich bei einer Paddeltour zweifelsfrei überzeugen.”

Und das habe dann wieder mit einem Wassertouristischen Nutzungskonzept zu tun, das für eine öffentliche Diskussion nie geöffnet wurde. Lieber unterhalten sich amtliche Instanzen im kleinen Kreis – mal im Kommunalen Forum Südraum, mal im Gewässerverbund.

“An dieser Stelle zeigt sich abermals, dass die Stadt nicht auf die Erfordernisse einer umweltverträglichen touristischen Nutzung des Leipziger Gewässersystems eingestellt ist”, moniert Jürgen Kasek. “Weder werden die Grundlagen des Umweltschutzes – wie die Diskussion um den Eisvogel gezeigt hat – noch die notwendigen Sicherheitsbestimmungen an der Schleuse eingehalten. Stattdessen wird versucht, nach den Vorstellungen des Wassertouristischen Nutzungskonzepts, scheibchenweise eine touristische Nutzung umzusetzen, die so nicht funktionieren kann.”

Dadurch seien nicht nur die Bootsnutzer an der Connewitzer Schleuse, sondern auch der Auwald und damit die Grundlage der touristischen Nutzung stark gefährdet. Statt den Fokus auf den Bereich eines vorsichtigen, umweltverträglichen Tourismus zu setzen, werde versucht, Massentourismus zu etablieren.

“Die EU-Beschwerde der Umweltverbände ist daher absolut notwendig und richtig”, sagt Kasek. “Die Stadt muss umdenken. Auf Grundlage des inzwischen überholten Wassertouristischen Nutzungskonzept 2006 dürfen keine Arbeiten mehr stattfinden. Eine umfassende Neubewertung der Situation muss her. Bis zur Erstellung eines neuen Konzeptes muss es für alle Maßnahmen, die einen Eingriff in das Ökosystem Leipziger Auwald auf Grundlage des WTNK darstellen, ein Moratorium geben. Der Umweltschutz im Auwald muss endlich oberste Priorität haben.”

Die Stellungnahme zur Schiffbarkeit als PDF zum Download.

Die Visions-Broschüre zum Gewässerverbund mit Nutzerzahlen als PDF zum Download.

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